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Anna Ettlinger


Anna Ettlinger 1901, Stadtarchiv Karlsruhe 7/Nl Herzog 144 (Ausschnitt).

Anna Ettlinger

Schriftstellerin, Dozentin, * 15. November 1841 Karlsruhe, † 13. Februar 1934 Karlsruhe, jüd., ledig.

Anna Ettlinger war eines von dreizehn Geschwistern aus der zweiten Ehe von Veit Ettlinger, eines Rechtsanwalts, Gemeinderats und führenden Vertreters der jüdischen Gemeinde von Karlsruhe. Sie wuchs in dem stattlichen Haus Zähringerstraße 42 in einer liberalen, bildungsbürgerlichen, kunstsinnigen und gastfreien Atmosphäre auf. Mit ihren Schwestern besuchte sie das Donacksche Institut (die spätere Viktoriaschule), eine höhere Töchterschule, stillte ihren Lesehunger auch in der Hofbibliothek, erhielt Privatunterricht bei dem Gymnasialprofessor Gustav Wendt und besuchte 1871 einige Monate in Berlin das Viktorialyzeum, um Vorlesungen über Literatur-, Kunst- und Musikgeschichte zu hören. 1872 legte sie in Karlsruhe das Lehrerinnenexamen ab.

Damals verweigerte sie sich dem Wunsch der Eltern, eine angebahnte Ehe einzugehen. Statt Lehrerin zu werden, begann Ettlinger sich als Schriftstellerin und Vortragende mit literarischen und musikalischen Themen zu befassen, um so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Seit dem Tod des Vaters 1877 unternahm sie bis 1914 Vortragsreisen, die sie unter anderem nach München und Hamburg, Antwerpen und Brüssel führten. In Karlsruhe nahm sie rege am kulturellen Leben teil und pflegte Kontakte unter anderem zu Hermann Levi, Johannes Brahms, Clara Schumann, Julius Allgeyer und auch zu Hermine Villinger. In ihren Texten wahrte Ettlinger mit präziser Urteilsfähigkeit die nötige kritische Distanz zu literarischen Texten und künstlerischen Darbietungen. So verurteilte sie den Antisemitismus bei Richard Wagner und seinem Umfeld, zeigte sich aber dennoch von seiner Musik angetan.

Schon 1870 hatte sich Ettlinger für die Gleichberechtigung der Frau in einem Zeitungsartikel ausgesprochen und sich für bessere Bildungsmöglichkeiten für Frauen eingesetzt. So gehörte sie 1893 auch zu den Unterstützerinnen des ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe. Sie sah die Gleichberechtigung der Frauen als evolutionären Prozess und schloss sich daher keiner der aktiven Frauenorganisationen an.

Mit ihren 1921 erstmals als Privatdruck veröffentlichten Lebenserinnerungen hinterließ Ettlinger ein instruktives Porträt des kulturellen Lebens in Karlsruhe im Kaiserreich. Begraben liegt sie auf dem jüdischen Friedhof in Karlsruhe.

Manfred Koch 2014

Werk

Leo Tolstoj. Eine Skizze seines Lebens und Wirkens, Berlin 1899; Lebenserinnerungen. Für ihre Familie verfasst, Karlsruhe 2011.

Literatur

Robert Bender: Anna Ettlinger, in: Heinz Schmitt, Ernst Otto Bräunche, Manfred Koch (Hrsg.): Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, Karlsruhe 1988, S. 481-492 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 8), Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 30. September 2022); Uri R. Kaufmann: Anna Ettlinger, 1841-1934, in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg, Bd. 23, hrsg. von Gerhard Taddey und Rainer Brüning, Stuttgart 2010.