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Moritz Ellstätter


Moritz Ellstätter, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 312.

Moritz Ellstätter

Jurist, Finanzminister, * 11. März 1827 Karlsruhe, † 14. Juni 1905 Karlsruhe, jüd., ∞ 1864 Marie Traumann, 1 Sohn, 1 Tochter († 1942 in Theresienstadt).

Als Gymnasiast am Karlsruher Gymnasium und Heidelberger Student war der Sohn eines Möbelhändlers Anhänger republikanischer Ideen. Er gründete eine Schülerverbindung, der unter anderen Joseph Scheffel und Ludwig Eichrodt angehörten, und war Mitglied im Heidelberger "Neckarbund". Später stand er der Nationalliberalen Partei nahe. Nach Abschluss des Jurastudiums in Heidelberg trat Ellstätter 1850 in den Vorbereitungsdienst im badischen Finanzministerium, den er 1853 unter Erlassung der zweiten Staatsprüfung verließ, um Rechtsanwalt zu werden. In der nachrevolutionären Reaktionsperiode erhielt der Jude Ellstätter jedoch zunächst keine Zulassung. Eine erste Anstellung fand er 1856 bei der Diskonto-Gesellschaft in Berlin, wo er bald als Syndikus arbeitete. Bei dem ebenfalls dort tätigen Karl Mathy fand er familiären Anschluss und Einblick in staatspolitische und wirtschaftliche Fragen. 1859 kehrte Ellstätter mit einer nun erteilten Anwaltszulassung zunächst nach Durlach und 1863 nach Karlsruhe zurück.

Da Ellstätter als Anwalt weniger erfolgreich war, nahm er das Angebot an, wieder in den Staatsdienst einzutreten, und wurde 1864 Kreisgerichtsrat in Mannheim. 1866 berief Großherzog Friedrich I. Karl Mathy als Staatsminister und Präsidenten des Finanzministeriums, der wiederum Ellstätter zum Ministerialrat ernannte. Eine Karriere, die auch der von dem jungen Großherzog eingeleiteten "liberalen Ära" zu verdanken war. Als Mathy zwei Jahre später überraschend verstarb, ernannte der Großherzog Ellstätter 1868 zum großen Erstaunen in der Landesverwaltung zu dessen Nachfolger. Ellstätter wurde damit zum ersten und bis 1918 einzigen jüdischen Minister in Deutschland.

Als Finanzminister - den Titel führte er seit 1888, im gleichen Jahr erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg - gelang es Ellstätter in seiner 25-jährigen Amtszeit, die badischen Finanzen dank der Kriegskontributionen aus Frankreich nach 1871 und neuer Steuergesetzgebung sowie Reformen in der Steuerverwaltung dauerhaft auf solide Grundlagen zu stellen. Die Grundsteuer konnte er 1871 senken, 1874 führte er eine Quellensteuer auf Zinserträge ein. Mit der 1886 eingeführten Einkommensteuer schuf er eine Haupteinnahmequelle. Die wachsende Wirtschaft sowie einkom­­mens­­stär­kere Personen sollte dabei stärker belastet und Mittel­­stand wie Arbeiterschaft eher geschont werden. Seit 1871 war Ellstätter Bevollmächtigter Badens im Bundesrat des Deutschen Reiches. Dort wirkte er maßgeblich an der neuen deutschen Münzverfassung mit. Eine Berufung auf den Posten des Staatssekretärs im Reichschatzamt in den 1880er-Jahren lehnte er ab. 1893 nahm Ellstätter 66-jährig seinen Abschied aus dem Amt und zog sich aus dem öffentlichen Leben völlig zurück.

Manfred Koch 2015

Quellen

GLA 233/23650 (Personalakte); N Ellstätter Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe für das Jahr 1905, 21. Jg., im Auftrag der städtischen Archiv­kom­mis­sion bearb., Karlsruhe 1906, S. 158-160, Band zum Download (PDF) (Zugriff am 7. September 2022).

Literatur

Otto Ellstätter: Moritz Ellstätter, in: Albert Krieger (Hrsg.): Badische Biographien, Teil VI , Heidelberg 1927, S. 280-296 https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/153699 (Zugriff am 7. September 2022); Willy Andreas: Gespräche Bismarcks mit dem badischen Finanzminister Moritz Ellstätter, in: ZGO 82, NF 43, 1929, S. 440-451; Martin Doerry: Judentum zwischen Anpassung und Selbstpreisgabe. 134 Briefe Moritz Ellstätters (1827-1905), in: ZGO 132, NF 93, 1984, S. 271-304; ders.: Moritz Ellstätter (1827-1905), in: Heinz Schmitt/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch (Hrsg.): Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 8), Karlsruhe 1988, S. 493 – 500, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 7. September 2022).