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Luise (Lilli) Fischel


Luise (Lilli) Fischel

Kunsthistorikerin, Museumsdirektorin, * 14. Januar 1891 Bruchsal, † 28. Dezember 1978 Karlsruhe, ev., später Christian Scientists.

1906 zog die Familie nach Karlsruhe, wo Lilli Fischel als jüngstes von vier Kindern 1909 am heutigen Bismarck-Gymnasium Abitur machte. Dem Kunststudium in Karlsruhe ab 1909 folgte das der Kunstgeschichte und Archäologie an den Universitäten Freiburg und Frankfurt a. M. 1919 wurde sie in Frankfurt bei dem Mittelalterspezialisten Rudolf Kautzsch promoviert. Die Promotion bildete den Auftakt zu zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Beiträgen auf ihren Spezialgebieten der Oberrheinischen Skulptur, Malerei und Glasmalerei des Spätmittelalters, der Graphik des 15. und 16. Jahrhunderts und des französischen Impressionismus. Von 1919-1925 im Kunsthandel tätig, wurde sie im April 1925 als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin (heute Volontärin) an der Badischen Kunsthalle Karlsruhe eingestellt. Der damalige Direktor Willy Storck, Begründer der modernen Sammlung des Hauses, war 1925 bereits schwer krank, so dass sie weitgehend auf sich gestellt nach dessen Weisung arbeitete. Nach Storcks Tod im August 1927 setzte Fischel trotz massiver Widerstände seitens der ultrakonservativen Künstlerschaft und völkisch gesinnter Presseorgane dessen fortschrittliche Kunst- und Ankaufspolitik fort. Im Oktober 1928 erhielt sie die Ernennung zur planmäßigen Konservatorin und im Mai 1930 wurde sie offiziell mit der Führung der Geschäfte des Direktors betraut, die sie bis dahin kommissarisch übernommen hatte.

Bis 1933 erwarb Fischel vor allem Werke des deutschen Impressionismus, der Neuen Sachlichkeit sowie von Hans von Marées, Gustave Courbet, Eduard Munch und Ernst Barlach. Neben der Erweiterung des Sammlungsbestands, darunter auch einige zentrale Ergänzungen der Abteilung für mittelalterliche Malerei am Oberrhein, organisierte sie eine Reihe von Ausstellungen (Vincent van Gogh, 1928; Anselm Feuerbach, 1929; Christoph Voll, 1931) und ordnete fast den gesamten neueren Bestand der Kunsthalle neu.

Im März 1933 wurde Lilli Fischel wegen ihres jüdischen Vaters - die Mutter war evangelisch - und ihrer Ankäufe moderner Kunst von den Nationalsozialisten entlassen. Noch im gleichen Jahr emigrierte Fischel nach Paris, wo sie sich bis zur Rückkehr nach Deutschland 1939 im Kunsthandel durchschlug. Von 1940 bis Ende 1951 war sie als Kunsthändlerin in München tätig. Von Januar 1952 bis zur Verabschiedung in den Ruhestand Ende Mai 1956 leitete sie das Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Bis 1973 war sie noch publizistisch tätig.

Katja Förster 2014

Werk

Mittelrheinische Plastik des 14. Jahrhunderts, Diss. Frankfurt a. M., München 1923; Katalog der Badischen Kunsthalle, Neuausgabe, 1929; Die Karlsruher Passion und ihre Meister, Karlsruhe 1952; Notizen zur Geschichte des Karlsruher Kupferstichkabinetts, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 105, 1957, S. 265-294; Bilderfolgen im frühen Buchdruck. Studien zur Inkunabel-Illustration in Ulm und Straßburg, Konstanz/Stuttgart 1963; Von der Bildform der französischen Impressionisten, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 15, 1973, S. 58-154.

Literatur

Marlene Angermeyer-Deubner: Die Kunsthalle Karlsruhe – Der Beginn einer modernen Sammlung. Willy Storck (1920-1927) und Lilli Fischel (1927-1933) Teil II, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg, Jg. 37, 2000, S. 109-136; Ulrike Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, Diss. Hamburg, München 1999, Bd. 1, S. 144-146.