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Karl Delisle


Karl Delisle, um 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 231.

Karl Delisle

Eisenbahningenieur, Politiker, * 10. Februar 1827 Konstanz, † 29. Januar 1909 Durlach, kath., später konfessionslos, ∞ 1855 Berta Rudolph (1835-1910), 2 Söhne, 1 Tochter.

Karl Delisle war der Sohn eines Kaufmanns und studierte nach dem Abitur, das er am Gymnasium in Konstanz ablegte, ab 1842 Ingenieurwesen am Karlsruher Polytechnikum. Nach dem Examen 1847 ging Delisle 1849 in die USA und arbeitete in Washington als Kartograph. 1852-1854 war er Eisenbahningenieur bei der North Pennsylvania Railroad. Anschließend kehrte Delisle nach Deutschland zurück, heiratete seine Cousine und arbeitete bis 1859 in Ungarn und der Schweiz, wo er für die Schweizerische Südostbahn die Teilstrecke Chur-Ragaz baute.

1860 wechselte Delisle als technischer Transportinspektor zur badischen Eisenbahn-Baubehörde (ab 1872 Großherzoglich Badische Staatseisenbahnen). 1866 wurde er Leiter der Karlsruher Eisenbahnhauptwerkstatt, die er in den folgenden Jahren neu baute. Delisles Hoffnung, nach den Ernennungen zum Maschineningenieur 1872 und zum Bezirksmaschineningenieur 1874 auch zum Vorstand der Hauptwerkstatt befördert zu werden, zerschlug sich indes aufgrund von Anschuldigungen der politischen Beeinflussung ihm unterstellter Arbeiter. Wegen dieser sich später als haltlos erweisenden Vorwürfe und des dadurch zerstörten Vertrauens bat Delisle 1876 um seine Entlassung und ging in die Industrie, wo er zeitweise für die Maschinenfabrik Gritzner in Durlach tätig war. 1883 kehrte er jedoch zu den Badischen Staatseisenbahnen zurück, wurde zum Maschineninspektor und im selben Jahr zum Vorstand der Hauptverwaltung des Hauptmagazins ernannt. 1887 zum Oberingenieur befördert, trat er 1895 in den Ruhestand.

Gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn engagierte sich Delisle, der zu den ältetsten Mitgliedern der Demokraten gehörte, auch in politischen Gremien. 1893 wurde er zum Stadtverordneten in Karlsruhe gewählt. 1895 wurde er Abgeordneter der demokratischen Deutschen Volkspartei im Wahlkreis Rastatt in der Zweiten Kammer der badischen Ständeversammlung (bis 1899). Die Wahl gewann er gegen den bisherigen Mandatsinhaber Franz Engelberth von der Nationalliberalen Partei, mit dem er sich zuvor auf einer Wahlkampfveranstaltung einen verbalen Schlagabtausch von über acht Stunden geliefert hatte. Auch als Landespolitiker trat Delisle für die Karlsruher Belange ein, indem er als einziger Vertreter der Demokraten bei der Abstimmung über den umstrittenen Staatszuschuss für den Bau des Karlsruher Rheinhafens stimmte.

Darüber hinaus machte sich Delisle um die Schaffung von Wohnraum für den sozial schwachen Teil der Bevölkerung verdient und rief 1871 den "Verein zur Erbauung billiger Wohnungen" ins Leben. 1897 gründete er mit Gleichgesinnten den Mieter- und Bauverein Karlsruhe, als dessen Erster Vorsitzender er bis 1907 amtierte.

Nach seinem Tod gründete seine Tochter die Karl-Delisle-Stiftung zur Unterstützung für unverschuldet in Not geratene Mieter. 1937 wurde im Karlsruher Stadtteil Daxlanden die Karl-Delisle-Straße nach ihm benannt.

René Gilbert 2016/2023

Quellen

Chronik der Landeshauptstadt Karlsruhe für das Jahr 1909, Jg. 25, Karlsruhe 1911, S. 176 f., https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/materialien-zur-stadtgeschichte/publikationen-zur-stadtgeschichte-digital/chronikbaende-1885-1923-1 (Zugriff 26. Oktober 2023); StadtAK 7/Nl Strobel 6.

Literatur

Friedrich Weill: Karl Delisle, in: Badische Biographien, Bd. 6, hrsg. von Albert Krieger und Karl Obser, Heidelberg 1935, S. 275-277, http://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/153694 (Zugriff am 1. August 2016); Albert Kuntzemüller: Karl Delisle, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 3, Berlin 1957, S. 581; Fritz Ehret: Sozial bauen – Gesund wohnen. 100 Jahre Mieter- und Bauverein Karlsruhe eG, Karlsruhe 1996, S. 10-15, 21, 171 f.; Dieter Schlenker: Die Wahlen zur Badischen II. Kammer 1871-1903, München 2002, S. 152 (= Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte Bd. 46).