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Eduard Dietz


Eduard Dietz, 1911, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 12/47a.

Eduard Dietz

Jurist, Politiker, Stadtrat, * 1. November 1866 Karlsruhe, † 17. Dezember 1940 Stuttgart, ev., ∞ 1897 Laura Wohlgemuth, 2 Söhne, 1 Tochter.

Eduard Dietz wurde als uneheliches Kind einer Kammerzofe und eines Legationssekretärs bei der russischen Gesandtschaft in Karlsruhe geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen bei Pflegeeltern - der Pflegevater war Münzarbeiter - auf, die ihn 1888 adoptierten. Durch Unterhaltszahlungen des leiblichen Vaters konnte Dietz das Gymnasium besuchen und 1885 das Abitur ablegen. Das Jurastudium in Heidelberg und Berlin beendete er 1889 mit dem Ersten Staatsexamen und der Promotion. Die dreijährige Referendarzeit absolvierte er in Karlsruhe, Tauberbischofsheim und Kehl. Nach der zweiten Staatsprüfung trat Dietz 1892 in den badischen Justizdienst und durchlief Stationen als Proberichter im badischen Justizministerium, als Amtsrichter beim Amtsgericht Offenburg und als Vorsitzender des Schöffengerichts beim Amtsgericht Karlsruhe. 1899 wurde er Oberamtsrichter und kurz darauf Landgerichtsrat (Richter am Landgericht).

Trotz aussichtsreicher juristischer Laufbahn machte sich Dietz Anfang 1900 als Rechtsanwalt selbstständig. Er wurde Mitglied der Sozietät von Friedrich Weill und Otto Cantor und übernahm in der Folgezeit straf- und zivilrechtliche Verfahren. Internationale Bekanntheit erlangte Dietz, als er 1907 die Verteidigung des unter Mordverdacht stehenden Rechtsanwalts Karl Hau übernahm. Das auch nach der Revision vor dem Reichsgericht bestätigte Todesurteil wurde nach einem Gnadengesuch bei Großherzog Friedrich II. in lebenslange Haft umgewandelt.

Neben seiner Arbeit als Jurist begann Dietz sich politisch zu engagieren und wurde 1911 für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) zum Karlsruher Stadtrat gewählt. Hier setzte er sich gegen die Privatisierung der städtischen Straßenbahn ein. Daneben amtierte er von 1911-1922 als Aufsichtsratsmitglied der Genossenschaft zum Bau der Gartenstadt Rüppurr. 1918 bestimmte ihn die SPD zum Mitglied der Viererkommission zur Ausarbeitung einer badischen Verfassung. In diesem Gremium geriet er in Dissens mit dem Vertreter des Zentrums über die Frage, ob das Parlament aus einer oder zwei Kammern bestehen sollte. Gemäß seiner Überzeugung erarbeitete Dietz einen Verfassungsentwurf, der ein Einkammersystem vorsah. Als Vorsitzender der Verfassungskommission der Badischen Nationalversammlung konnte er während der Verhandlungen über die Verfassung seinen Entwurf schließlich gegen den Widerstand des konservativen Lagers fast ohne substantielle Änderungen durchsetzen.

Am 2. April 1919, noch bevor der Entwurf am 13. April 1919 durch eine Volksabstimmung große Zustimmung erfuhr, hatte Dietz sein Mandat als Abgeordneter der Badischen Nationalversammlung niedergelegt. 1920 gab er auch sein Stadtratsmandat auf und trat aus der SPD aus. Begründet hat er seinen abrupten Rückzug aus der Politik nicht. Er engagierte sich aber schon 1919 als Mitbegründer der Evangelischen Volkskirchlichen Vereinigung und später des Bundes der religiösen Sozialisten, dem auch die Pfarrer Hanns Löw und Heinz Kappes angehörten, und verfasste Abhandlungen zu religiös-politischen Themen. Dietz blieb ein erfolgreicher und angesehener Rechtsanwalt, der seit 1922 als Vorsitzender der badischen Anwaltskammer amtierte und zu dessen Freundeskreis auch der Historiker Franz Schnabel gehörte. Im März 1933 wurde er, der die Verteidigung des inhaftierten Ludwig Marum übernommen hatte, mit dem gesamten Vorstand der Anwaltskammer durch die nationalsozialistische Justizverwaltung des Amtes enthoben.

Vom Tod des Autors der ersten demokratischen Verfassung Badens nahm die nationalsozialistische Öffentlichkeit 1940 keine Kenntnis. Bestattet wurde er auf dem Karlsruher Hauptfriedhof, wo seine Grabstätte erhalten ist.

René Gilbert/Manfred Koch 2016

Quelle

GLA 231/10956 fol. 80.

Werk

Geschichte der Deutschen Burschenschaft in Heidelberg, Heidelberg 1895; Beiträge zur Geschichte des Heidelberger Studentenlebens, Heidelberg 1903; Zum Entwurf einer neuen badischen Verfassung, 1918; Der Entwurf einer badischen Verfassung; Drei Reden über Sozialdemokratie und Religion, Sozialdemokratie und Bürgertum, Frauenwahlrecht und Sozialdemokratie, Konstanz 1919; Das "heilige Eigentum" und die Arbeiter-Encyclica des Papstes Leo XIII vom 15. Mai 1891, Karlsruhe 1927 (= Schriften der religiösen Sozialisten Bd. 3); Wilhelm Hohoff und der Bund katholischer Sozialisten, Karlsruhe 1927 (= Schriften der religiösen Sozialisten Bd. 6); Die Staatsauffassung von Marx und Engels, Karlsruhe 1929 (= Schriften der religiösen Sozialisten Bd. 3).

Literatur

Andreas Hunkel: Eduard Dietz (1866-1940). Richter, Rechtsanwalt und Verfassungsschöpfer, Frankfurt a. M. 2009 (= Rechtshistorische Reihe Bd. 384); Detlev Fischer: Eduard Dietz (1866-1940). Vater der badischen Landesverfassung von 1919. Ein Karlsruher Juristenleben, 2., erw. Aufl., Karlsruhe 2012 (= Schriftenreihe des Rechtshistorischen Museums Bd. 16).