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Litfaßsäule


Litfaßsäule Ecke Rüppurrer Straße/ Schützenstraße, nach 1894, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIIIb 265.
Übergabe der Jugendstillitfaßsäule mit Transformatorenstation vor den Stadtwerken Karlsruhe, Daxlander Straße 72, links Bürgermeister Kurt Gauly, rechts in der Mitte der Leiter der Stadtwerke Jürgen Ulmer, September 1982, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A44/65/3/12.

Litfaßsäule

Bis heute finden sich in Karlsruhe Litfaßsäulen mit einer Jugendstilhaube, die unter Kunsthistorikern als eine der besten Lösungen ihrer Zeit gilt. Europaweit ist diese Litfaßsäile auch die Einzige, die echte Jugendstilformen aufgegriffen hat. Ob der Entwurf für die signifikante Haube aber - wie lange angenommen - von dem Architekten Friedrich Ratzel (1869-1907) stammt, ist nicht nachgewiesen. Vermutlich stammt sie von Fridolin Dietsche.

Erste Plakatsäulen waren schon 1855 in Berlin aufgestellt worden. Die nach ihrem Erfinder Litfaßsäulen benannten Straßenmöbel sollten der verbreiteten Unsitte Einhalt gebieten, Bekanntmachungen und Anschläge aller Art nach Belieben an Straßenecken, Wänden oder Bäumen anzubringen. In Karlsruhe beantragten im Jahr 1870 drei Bewerber, Plakatständer aufstellen zu dürfen, ebenfalls mit dem Hinweis, dass dies die Verunstaltung von Häusern mit öffentliche Anschlägen von Kundmachungen und Privatanzeigen beende.

Es sollte aber noch neun Jahre dauern, bis sich die Stadt entschloss, dieses Problem zu lösen, allerdings noch nicht durch die Aufstellung von Plakatsäulen. Vielmehr erhielt Friedrich Gutsch Friedrich Gutsch, Mundartdichter und Besitzer der „Karlsruher Nachrichten“, die Erlaubnis, Plakattafeln an öffentlichen und privaten Häusern anzubringen. Auch in Durlach hatte Gutsch in diesem Jahr die Genehmigung erhalten, am Rathaus und am ehemaligen Pädagogiumsgebäude Plakattafeln anzubringen. Gutsch gründete das Karlsruher Plakat-Institut, das in den ersten Jahren nach Angaben des Besitzers noch keinen Gewinn erzielte. Erst mit dem weiteren Anwachsen der Stadt besserte sich die Lage, so dass Gutsch 1887 darum bat, zusätzlich einige Plakatsäulen aufstellen zu dürfen. Die Anfrage blieb aber zunächst ebenso unbeantwortet wie die Anfragen anderer Anbieter.

Zwei Jahre später berichtete die Badische Landeszeitung, dass der Stadtrat sich endlich mit der Aufstellung von Plakatsäulen befasst habe. Angesichts des Mangels an Anschlagflächen begrüßte man diese Entscheidung und kritisierte Friedrich Gutsch wegen seiner hohen Preise und des von ihm indirekt ausgeübten Zwangs, Plakate bei ihm drucken zu lassen – bei nicht in dessen Druckerei hergestellten Plakate erhöhte sich der Preis nämlich um 20 Prozent. Diese Praxis gab letztlich den Ausschlag, dass fünf Jahre später nicht Gutsch, sondern die Firma Haasenstein & Vogler den Zuschlag gegen Gutsch und zwei andere Karlsruher Angebote bekam.

Die 1855 gegründete Firma Haasenstein & Vogler, die zu den größten europäischen Annoncenexpeditionen zählte, hatte seit 1879 eine Filiale in Karlsruhe. Sie verpflichtete sich 1894 gegenüber der Stadt, binnen kurzer Zeit 30 Plakatsäulen, darunter vier auf dem Markplatz und sieben weitere auf der Kaiserstraße, aufzustellen. Den Auftrag zur Produktion der Säulen erhielt die Karlsruher Firma Dyckerhoff & Widmann, die diesen im Dezember des Jahres abgeschlossen hatte. Die Hauben waren allerdings noch nicht mit einem Zierschmuck, sondern mit einer Schuppendeckung versehen. Die Jugendstilhaube erhielten die ersten Säulen vermutlich erst nach der Jahrhundertwende.

Die Karlsruher Litfaßsäulen verbargen bis weit in Nachkriegszeit auch zu einem großen Teil Transformatorenstationen des 1901 begründeten städtischen Elektrizitätswerkes und folgten damit dem Berliner Vorbild Litfaß, dessen Säulen auch als Brunnenumhüllung oder als versteckte Pissoirs dienten. 2022 stehen noch zwölf Plakatsäulen mit der Karlsruher Haube im Stadtgebiet, eine davon bei den Stadtwerken an der Daxlander Straße mit einem Transformator im Inneren, der allerdings nicht mehr in Betrieb ist.


Litfaßsäulen 2022

Ahaweg 6/Majolika, Innenstadt-West

Bismarck-, Ecke Fichtestraße, Innenstadt-West

Daxlander Straße 72, Mühlburg, einzige komplett erhaltene Säule

Fasanenplatz, Innenstadt-Ost

Friedrichsplatz, Innenstadt-West

Griesbachstraße 10a, Grünwinkel

Gutenbergplatz, Weststadt

Hans-Thoma-Straße 2, Innenstadt-West

Humboldtstraße, Oststadt

Jollystraße an der Hirschbrücke, Südweststadt

Am Schloss Gottesaue 11 (vor dem Schloss), Oststadt

Werderstraße, Südstadt.


Ernst Otto Bräunche 2012/2022

Quellen

StadtAK 1/H-Reg 2357 und 2358; Datenbank der Kulturdenkmale. Blechhauben Litfaßsäulen, https://web1.karlsruhe.de/db/kulturdenkmale/detail.php?id=01928 (Zugriff am 5. Februar 2016).

Literatur

Ernst Otto Bräunche, Die ersten Plakatsäulen in Karlsruhe, in: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge Bd. 5 2008-2013, hrsg. von Manfred Koch, Karlsruhe 2013, S. 282-284.