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Seldeneck'sche Brauerei


Seldeneck’sche Brauerei, Lithografie von C. H. Kiefer, 1886, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVf 200.

Seldeneck'sche Brauerei

Prinz Wilhelm Ludwig von Baden-Durlach, der jüngere Bruder des Markgrafen und späteren Großherzogs Karl Friedrich, errichtete 1770 auf seinem Mühlburger Freigut eine Biersiederei, deren Ausstoß zunächst nur für die Bediensteten gedacht war. Nach und nach belieferte die Brauerei auch Mühlburger Wirtschaften. 1777 wurden die Kinder Wilhelm Ludwigs aus der Verbindung zu einer Bürgerlichen in den Adelsstand erhoben, damit verbunden war die Annahme des Namens Freiherr von Seldeneck. Dieser Name ging auf die Brauerei über. Nach dem Tod des Prinzen 1788 übernahmen die Witwe und spätestens ab 1804 der Sohn Wilhelm Ludwig Freiherr von Seldeneck die Leitung der Brauerei, die bis zur Umwandlung in die Mühlburger Brauerei Aktiengesellschaft (AG) 1899 in Familienbesitz war.

Genauere Angaben über die Entwicklung der Seldeneck’schen Brauerei sind erst seit den 1860er-Jahren überliefert, als die Bierproduktion allerorts durch die zunehmende Umstellung vom Handbetrieb auf mechanische Fertigungsverfahren einen erheblichen Aufschwung erfuhr. Von 1861-1894 sollte sich der Bierausstoß von circa 8.000 Hektolitern auf circa 41.100 Hektoliter mehr als verfünffachen, was zu baulichen Erweiterungen führte. 1863 wurde nordwestlich des an der Hardtstraße gelegenen Seldeneck'schen Schlösschens (Abbruch 1965) ein großer Bier- und Eiskeller nach Plänen des Architekten Adolf Williard angelegt und 1864 eine der ersten Dampfmaschinen in einer badischen Brauerei aufgestellt. 1884 kam nach Plänen von Emil Schweickhardt ein Verwalterwohnhaus dazu. 1885/86 folgte die Vergrößerung sowohl des nordöstlich des Schlösschens errichteten Herrschaftshauses als auch des westlich vom Verwalterwohnhaus gelegenen Eiskellers. Die letzte und zugleich größte Erweiterung des Familienbetriebs erfolgte 1889 mit dem Umbau des Alten Sudhauses und dem Bau des Neuen Sudhauses I nach Plänen von Gustav Ziegler. Ziegler kombinierte sowohl bei der neuen Fassade des Alten Sudhauses als auch bei den Schauseiten des Neuen Sudhauses Formen der gotischen Kathedralarchitektur mit denen des mittelalterlichen Burgenbaus – eine Stilsynthese, die für alle noch kommenden Erweiterungen verbindlich blieb.

Nach der Konstituierung der Mühlburger Brauerei AG, vormals Freiherrlich von Seldeneck’sche Brauerei, 1899 erfolgte 1901 die Erweiterung der Kühl- und Kesselanlage und des Neuen Sudhauses I um Maschinenraum, Generatorenraum und Büro sowie 1909 der Anbau eines Kühlapparathauses und einer Flaschen- und Fassbier-Abfüllerei an das Alte Sudhaus.

Der wirtschaftliche Einbruch durch den Ersten Weltkrieg führte 1920 zum Aufkauf der Mühlburger Brauerei AG durch die Sinner AG. Während der Weimarer Zeit und des Dritten Reiches war die Konservenfabrik Fritz Brenner GmbH in den ehemaligen Brauereigebäuden untergebracht. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Fabrikgelände von Bomben getroffen und unter anderem jeweils das obere Geschoss des ehemaligen Alten Sudhauses, des Neuen Sudhauses I und der Villa durch Brand zerstört. In den folgenden Jahrzehnten wurden die heute denkmalgeschützten Fabrikbauten gewerblich oder als Lager genutzt. Seit 1984 hat der Kulturverein Tempel e. V. hier seinen Sitz.

Katja Förster 2014

Literatur

Rainer Beck/Winfried Flammann: Die Seldeneck'sche Brauerei in Mühlburg, in: Industriearchitektur in Karlsruhe. Beiträge zur Industrie- und Baugeschichte der ehemaligen badischen Haupt- und Residenzstadt bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, hrsg. von der Stadt Karlsruhe – Stadtarchiv, 2. Überarb. Aufl. 1993, S. 32-50 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 6); Barbara Guttmann: Hopfen & Malz. Die Geschichte des Brauwesens in Karlsruhe. Mit Beiträgen von Thomas Meyer und Erik Neumann, hrsg. von der Stadt Karlsruhe – Stadtarchiv, Karlsruhe 1998 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 19), Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 8. Dezember 2022).