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Kleine Kirche


Kleine Kirche, Kaiserstraße, Ansicht von Norden, um 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVc 198.

Kleine Kirche

Von 1719-1722 entstand am heutigen Standort nach Plänen von Baron von Welling die erste reformierte Kirche. 1749 erstattete Pfarrer Ernst Ludwig Stückelberger Anzeige über die Baufälligkeit des einfachen rechteckigen Holzgebäudes mit nach Süden angeschlossener Sakristei und bat gemeinsam mit weiteren Gemeindevorstehern um Genehmigung eines Neubaus. Baumeister Johann Heinrich Arnold fertigte noch im selben Jahr einen Entwurf im barocken Stil an, dessen Ausführung Markgraf Karl Friedrich zwar 1755 bewilligte, aber fehlende Mittel verhinderten.

Nach dem Bau des Brunnenhauses (1760-1762) in der Lammstraße von 1760-1762, dem spiegelbildlichen Pendant zur reformierten Kirche, verlangte der Hof von Bauinspektor Wilhelm Jeremias Müller eine Anpassung des Arnoldschen Fassadenaufrisses an das Brunnenhaus. Müller kam der Aufforderung nach, es verging allerdings nochmals ein Jahrzehnt, bevor im September 1773 mit den Bauarbeiten der neuen Kirche begonnen wurde. Der 1776 fertig gestellte Bau stellt mit seinen klaren, klassisch geprägten Formen und der zurückhaltenden Verwendung des bauplastischen Schmucks eines der wenigen erhaltenen Beispiele für den Louis-seize Stil in Karlsruhe dar, als dessen Hauptvertreter Müller gilt.

Im Gegensatz zum Brunnenhaus zeigt die Reformierte Kirche nur einen, zentral in die Hauptfassade eingebauten Kirchturm mit einem von einem Fürstenhut bekrönten Turmhelm. Das Untergeschoss des Turmes, der risalitartig aus der Fassade heraustritt, nimmt den Haupteingang und eine kleine Vorhalle auf, von der aus man rechts und links zu den Emporen-Aufgängen sowie geradeaus in den eigentlichen Kirchenraum gelangt. Letzterer beeindruckt durch seine vornehme Einfachheit. Hochrechteckige, farblos verglaste und in tiefen Gewänden liegende Fenster werden von Pilastern korinthischer Ordnung flankiert. Die dem Eingang gegenüberliegende Südwand öffnet sich in der Mitte triumphbogenartig zu einem kleinen Altarraum mit Kanzel und Orgel. Dahinter schließt die Sakristei an. Die Schauseite der Kirche, die vollständig in Quadermauerwerk (Grötzinger Sandstein) ausgeführt wurde, zeigt die gleiche Ausgewogenheit in der vertikalen und horizontalen Gliederung, wobei hier Rund- und Segmentbogen vermittelnd eingesetzt sind. Der übrige Außenbau ist äußerst primitiv ausgeführt: Die in Bruchstein hochgezogenen Wände werden nur an den Gebäudeecken und entlang der Fensteröffnungen mit Hausteinen gefasst. 1807 bekam die Kirche das erste Geläut. Seit der 1821 in Baden vollzogenen Vereinigung des lutherischen und reformierten Glaubensbekenntnisses zur Evangelischen Landeskirche diente die Kirche vorübergehend bis zur Verlegung der Militärgottesdienste in die Stadtkirche im Jahr 1833 als Garnisonskirche. Erst 1866 ging sie nach der Klärung der Eigentumsrechte wieder an die evangelische Gemeinde über.

1944 wurden Turmhelm und Dach zerstört und Teile des Turms und Kirchenraums beschädigt. Der Wiederaufbau erfolgte 1946-1949 mit geringfügigen Veränderungen. 1950 erhielt die Kirche eine neue Orgel, 1952 das dritte Geläut, 1995/96 eine umfassende Innenrenovierung. Der kleine Bau ist heute ein beliebter religiöser und kultureller Veranstaltungsort. Regelmäßig finden darin Konzerte von Studierenden der Hochschule für Musik statt.

Katja Förster 2014

Literatur

Paul Bialek: Wilhelm Jeremias Müller. Der Baumeister des Louis XVI. in Karlsruhe, Diss. TH, Karlsruhe 1955; Dieter Splinter: Die Kleine Kirche, http://www.stadtkirche-karlsruhe.de/de/kleinekirche (Zugriff am 3. April 2014); Jürgen Krüger: Kirchen in Karlsruhe und die Synagoge, hrsg. Günter Frank u. a., Ubstadt-Weiher 2015, S. 65-67.