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Kinder- und Jugendhilfezentrum (Sybelheim, ehemals Städtisches Kinder- und Säuglingsheim)


Das von Friedrich Beichel geplante Städtische Kinder- und Säuglingsheim, Ansicht von Nordwesten, 1913, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 41/25a.

Kinder- und Jugendhilfezentrum (Sybelheim, ehemals Städtisches Kinder- und Säuglingsheim)

Die Anfänge des 1913 in der Sybelstraße eröffneten Städtischen Kinder- und Säuglingsheims liegen im Kinderpflegehaus in der Zähringerstraße 6. Dieses war 1903/04 nach Plänen von Friedrich Beichel direkt an das Städtische Armenpfründnerhaus angebaut worden, welches seit den 1870er-Jahren behelfsmäßig zur vorübergehenden Versorgung sozial verwahrloster Kinder und Jugendlicher diente, deren Zahl infolge der Industrialisierung kontinuierlich anstieg. Katastrophale Verhältnisse hatten zu dem Anbau für maximal 40 Kinder geführt, der bereits ab 1906 durchschnittlich mit über 70 Kindern belegt war und eine Kindersterberate von bis zu 10 % aufwies.

Diese jahrzehntelangen Missstände führten 1912/13 zu einem sehr geräumigen Neubau auf einem 4.000 Quadratmeter großen, an der Ecke Sybel- und Wiesenstraße (heute Stuttgarter Straße) gelegenen Grundstück. Wiederum hatte Beichel, seit 1911 Leiter des Städtischen Hochbauamts, das für 146 Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren vorgesehene Gebäude geplant. Bei dem viergeschossigen Bau mit Mittelrisalit orientierte er sich sowohl an der Architektur des ehemaligen Residenzbaumeisters Friedrich Weinbrenner (vergleiche Staatliche Münze) als auch am Jugendstil. Am 16. September 1913 nahm das Kinder- und Säuglingsheim mit sechs Schwestern des Badischen Frauenvereins und 68 Kindern aus dem Kinderpflegehaus seinen Betrieb auf.

Der Erste Weltkrieg führte bereits 1915 mit 160 Pfleglingen zur Überbelegung des Hauses und der Einrichtung einer Zweigstelle im alten Bahnhof, die bis 1918 bestand. Aufgrund konstanter Auslastung in den 1920er-Jahren wurde der Bau 1926/27 nach Plänen Beichels um 80 weitere Pflegeplätze nach Süden erweitert. Im neuen Südflügel wurde die Säuglings- und Kleinkinderstation untergebracht, die stets ausgelastet war. Seit 1915 bildete das Heim junge Frauen zu Säuglings- und Kinderpflegerinnen aus. Mit der Übernahme der Säuglingspflegerinnenschule durch die Stadt wurde die Schule staatlich anerkannt. Im Zweiten Weltkrieg wurden über 180 Zöglinge zunächst nach Prien am Chiemsee evakuiert (September 1939 bis Juli 1940) sowie ab Herbst 1943 in das Augustinusheim nach Ettlingen und das Haus Bethanien nach Langensteinbach. Seit der Rückkehr nach Karlsruhe im Mai 1946 stand dem Betrieb nur noch das Hauptgebäude zur Verfügung. Im Südflügel waren von 1945-1949 das Städtische Krankenhaus bzw. die Kinderklinik und von 1949 bis Anfang 1955 das Stadtjugendamt untergebracht.

Aufgrund einschneidender Reformen in der Heimerziehung entwickelte sich auch das Sybelheim ab Ende der 1960er-Jahre von der einstigen Massenbewahranstalt mit Saalsystem, Disziplinierung und Nivellierung der Zöglinge zu einem modernen Erziehungs- und Übergangswohnheim. Für die neuen sozialpädagogischen und therapeutischen stationären und teilstationären Angebote wurde eine aufwendige innerstrukturelle Umgestaltung des Gebäudekomplexes notwendig. Ziel der Jugendfürsorge, die 1990 durch den Begriff der Kinder- und Jugendhilfe ersetzt wurde, ist, die Kinder in ihrer leiblichen Familie zu belassen und mittelst differenzierter, an Kinder und Eltern gerichteter psychologischer, psychotherapeutischer und sozialpädagogischer Hilfestellungen, diese bei ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Individuen zu unterstützen. Zum stationären Angebot des Kinder- und Jugendhilfezentrums (KJHZ), wie das Kinderheim seit der Gründung der Heimstiftung Karlsruhe zum 1. Januar 1995 heißt, gehören heute die Inobhutnahme von Mädchen, Jungen und jungen Migranten sowie verschiedene Formen von Wohngruppen; zum teilstationären Angebot zählen die acht über das Stadtgebiet verteilten Tagesgruppen, die Augartenschule, das Iglu (Anlaufstelle für Straßenkinder) sowie die erst in jüngster Zeit eingerichteten Notschlafstellen für junge Frauen und junge Männer.

Katja Förster 2015

Literatur

Katja Förster: Heimerziehung in Karlsruhe. Von der Waisenanstalt zum Kinder- und Jugendhilfezentrum. Mit einem Beitrag von Angelika Sauer, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe und der Heimstiftung Karlsruhe durch Manfred Koch, Karlsruhe 2004 (= Häuser- und Baugeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 4); Heimstiftung Karlsruhe, Kinder- und Jugendhilfe, http://www.heimstiftung-karlsruhe.de/6-0-Kinder-und-Jugendhilfen.html (Zugriff am 18. Juni 2015).