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Erbgroßherzogliches Palais

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Erbgroßherzogliches Palais, Nordfassade mit Vorplatz, um 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVa 121.

Erbgroßherzogliches Palais

Mit der Heirat von Erbgroßherzog Friedrich II. von Baden mit Prinzessin Hilda von Nassau am 20. September 1885 wurde die Errichtung einer standesgemäßen Wohnung für das zukünftige Großherzogpaar notwendig. Zunächst dachte man an einen Umbau des ehemaligen Palais der Markgräfin Christiane Louise, das nach Plänen Friedrich Weinbrenners von 1817-1822 erbaut, und bereits von Prinzregent Friedrich I. sowie von dessen verwitweter Mutter Großherzogin Sophie bewohnt worden war. Da der 1887 vorgelegte Entwurf von Jacob Hemberger, Leiter des Hofbauamts, weder konzeptionell noch finanziell tragbar war, wurde noch im selben Jahr Baudirektor Josef Durm mit der Planung beauftragt.

Die Aufgabe gestaltete sich sehr schwierig, weil einerseits Großherzog Friedrich I. eine "einfache", dem erbgroßherzoglichen Etat angemessene Wohnung wünschte und das Finanzministerium aufgrund des Apanagegesetzes von 1839 auf allergrößte Sparsamkeit bedacht war, andererseits aber der Erbgroßherzog als zukünftiger Landesfürst auf einen gewissen repräsentativen Anspruch nicht verzichten wollte. Zwischen 1888 und 1890 legte Durm vier Entwürfe vor. Der letzte davon, der sich – auf Wunsch des Erbgroßherzogs – beim Außenbau an den barocken Schlossanlagen zu Beginn des 18. Jahrhunderts und im Inneren am Rokoko orientierte, gelangte zwischen 1892 und 1897 an der Stelle des ehemaligen markgräflichen Palais zur Ausführung.

Die Hauptfassade des zweieinhalb Geschosse hohen, von einem Park umgebenen Erbgroßherzoglichen Palais war entsprechend des Verlaufs der Herren- und der Ritterstraße nach Nordosten gerichtet. Ein dreiachsiger Mittelrisalit mit hohem Eingangsportal tritt weit vor die Fassade und nahm mit der kolossalen Säulenordnung, den löwenköpfigen Kartuschen, Füllhörnern und Voluten sowie dem voluminösen Giebelfeld mit Putti, allegorischen Figuren und dem großherzoglich-badischen Wappen den meisten bauplastischen Schmuck auf. Hinter dem Mittelrisalit ragte die quadratische Umwandung des Galatreppenhauses auf, das mit einer von der badischen Königskrone bekrönten Glaskuppel abgeschlossen wurde. Die nach Südwesten gerichtete, von der Kriegsstraße her sichtbare Fassade mit einem fünfachsigen Mittelrisalit wies insgesamt kleinteiligeren barockisierenden Bauschmuck auf.

Da der Erbgroßherzog im März 1897 als kommandierender General nach Koblenz versetzt wurde, bezog das Paar erst im Frühjahr 1903 das Palais, in dem es bis zur Abdankung von Großherzog Friedrich II. am 22. November 1918 wohnte. Danach wurde der Bau von verschiedenen Behörden als Dienstsitz genutzt. Bei einem Luftangriff am 27. September 1944 wurde die Kuppel zerstört; das Mansardgeschoss brannte vollständig aus. Nach dem Wiederaufbau (vereinfachte Glaskuppel, Mansardgeschoss als Vollgeschoss) wurde das Erbgroßherzogliche Palais 1950 dem Bundesgerichtshof zur Nutzung überlassen. 1999-2000 wurden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen sowie 2010/11 eine energetische Sanierung des Dachgeschosses mit gleichzeitiger Zurückführung in seine historische Form durchgeführt.

Katja Förster 2012

Literatur

Ulrike Grammbitter: Josef Durm 1837-1919. Eine Einführung in das architektonische Werk, [Diss. Univ. Heidelberg, 1982], München 1984, S. 154-174; Katja Förster: Josef Durm, Karlsruhe 2012, S. 61-63 (= Karlsruher Köpfe. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 1); Gründerzeit – Adolf Loos. Jahrhundertwende: Rückblick und Ausblick im Spiegel der Wiener Architektur. Unter Einbeziehung der Gründerzeitarchitektur Josef Durms. Ausstellungskatalog Städtische Galerie im Prinz-Max-Palais Karlsruhe, Karlsruhe 1987, S. 252-255; Josef Durm: Das erbgrossherzogliche Palais in Karlsruhe, in: Süddeutsche Bauzeitung, 14. Jg., Nr. 34, München, 20. August 1904, S. 265-167; Der Bundesgerichtshof, hrsg. durch den Bundesgerichtshof. Karlsruhe 2012.