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De:Lexikon:ort-0087

Blick in nördliche Richtung auf den Stadtteil Oberreut, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 391/420.

Oberreut

Oberreut ist ein im Süden von Karlsruhe gelegener Stadtteil. Er befindet sich zwischen der Heidenstückersiedlung (Grünwinkel) und Bulach und ist – ebenso wie die Waldstadt – in die Stadtviertel Waldlage und Feldlage gegliedert. Seine Entstehung geht auf die Sanierung der Karlsruher Altstadt in den 1960er-Jahren zurück, als die Stadtverwaltung in Oberreut und anderen Stadtteilen ein Ersatzwohnungsprogramm für die Bewohner der Altstadt auflegte. Die Idee zur Erschließung von Oberreut als neuem Wohngebiet wurde bereits im Generalbebauungsplan von 1926 in Betracht gezogen, wobei das Gelände damals noch auf Bulacher Gemarkung lag. Wegen der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkriegs kam es nach der Eingemeindung Bulachs allerdings zu keiner Umsetzung der Erschließungspläne.

Die Geschichte des Stadtteils begann im Sommer 1964, als die Volkswohnung GmbH im Bauabschnitt Waldlage (Rudolf-Breitscheid-Straße) die ersten Sozialwohnungen in vier- bis achtgeschossigen Zeilenhäusern fertig stellte. Für die Bewohner ergaben sich in der Anfangszeit jedoch mehrere Probleme, da die Zufahrtsstraßen und Gehwege unzureichend ausgebaut waren und bei Regen regelmäßig unter Wasser standen bzw. verschlammt waren. Hinzu kamen die weiten Einkaufswege in die Heidenstückersiedlung oder nach Bulach. In den folgenden Jahrzehnten wurde Oberreut durch die Genehmigung der Bebauungspläne für die Feldlage 1 (1969), die Feldlage 2 (1978) und die Feldlage 3 (1991) sukzessive nach Osten erweitert.

Im September 1965 nahm die Grund- und Hauptschule (seit 1999 Anne-Frank-Schule, seit Schuljahr 2014/15 Schulbetrieb als Gemeinschaftsschule) als erste Oberreuter Bildungseinrichtung in einem Schulpavillon den Unterrichtsbetrieb auf, nachdem die schulpflichtigen Kinder des Stadtteils bis dahin mit dem Bus nach Bulach zur Schule gebracht worden waren. 1978 folgte die Eröffnung der am Schwimmschulweg gelegenen Sophie-Scholl-Realschule (unter diesem Namen seit 1987). 1983 bezog die Engelbert-Bohn-Schule (kaufmännische Berufsschule) dort ebenfalls Unterrichtsräume. Mit der Einweihung der Friedrich-Schlick-Schule als Fachschule für Glas-, Fenster- und Fassadenbau hat Oberreut seit 1992 zusätzlich eine Berufsausbildungsstätte.

1986 erhielt der Stadtteil, der bis dahin mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur durch eine Buslinie erreichbar war, einen Straßenbahnanschluss. Dieser wurde 1994 bis zum Badeniaplatz fortgeführt, nachdem im selben Jahr die Deutsche Bausparkasse Badenia AG dort ihren neu errichteten Hauptsitz eröffnet hatte.

Das Kirchenwesen in Oberreut stellte von Beginn an eine Besonderheit insofern dar, als beide christlichen Konfessionen seit 1967 zunächst in einer gemeinsamen Notkirche ihre Gottesdienste abhalten mussten, bevor es Ende 1988 zur Errichtung des Ökumenischen Gemeindezentrums Oberreut kam, in dem seither sowohl katholische Messen (Gemeinde St. Thomas Morus) als auch evangelische Gottesdienste (Evangelische Versöhnungsgemeinde) gefeiert werden, freilich in verschiedenen Sälen. Des Weiteren befindet sich in Oberreut ein Gotteshaus der Neuapostolischen Kirche. Seit 1999 besitzt Oberreut zudem einen eigenen Stadtteilfriedhof mit Aussegnungshalle (seit 2001).

An das Ökumenische Gemeindezentrum grenzt das unter Trägerschaft des Stadtjugendausschusses stehende Jugend- und Gemeinschaftszentrum Weiße Rose an, das 1983 fertig gestellt wurde und eine generationenübergreifende Einrichtung für Kinder, Jugendliche und Senioren ist. Der Name Weiße Rose erinnert dabei an die NS-Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl. Nach Gegnern und Verfolgten des Nationalsozialismus sind auch ein Großteil der Oberreuter Straßen und Plätze benannt, wie beispielsweise der Julius-Leber-Platz, der im Zentrum von Oberreut seit 1993 als Marktplatz dient.

2011 erhielt der unter chronischer Unterversorgung leidende östliche Teil Oberreuts (Feldlage 2 und 3) ein Nahversorgungszentrum mit Pflegeheim und Stiftswohnungen am Badeniaplatz. Allerdings erreichte 2013 mit der Schließung des letzten verbliebenen Lebensmittelgeschäfts in der Waldlage die stetige Ausdünnung des Versorgungsangebots mit Dingen des täglichen Bedarfs einen negativen Höhepunkt. 2015 gibt es drei Lebensmittelmärkte in Oberreut.

Mit einer Fläche von 242 Hektar gehört Oberreut zu den kleineren Karlsruher Stadtvierteln. Von den 9.575 Einwohnern (Stand: Ende 2013) besitzen 37,8% einen Migrationshintergrund, was nach den Stadtteilen Innenstadt-Ost und Oststadt den dritthöchsten Wert aller Karlsruher Stadtteile darstellt. Den mit Abstand höchsten Wert von 23,4% erreichen die im Stadtteil lebenden Deutschen mit erkennbarem Migrationshintergrund.

René Gilbert 2015

Quellen

StadtAK 1/BOA 4633-4637; 1/H-Reg 8914; 1/SPA 213, 279-281.

Literatur

Bürgerverein Oberreut (Hrsg.): 40 Jahre Oberreut 1964-2004, Karlsruhe 2004; CDU-Oberreut (Hrsg.): Oberreut – ein Stadtteil stellt sich vor, Karlsruhe 2004; Bürgerverein Oberreut (Hrsg.): 50 Jahre Oberreut 1964-2014, Karlsruhe 2014; Stadt Karlsruhe – Amt für Stadtentwicklung (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 2014.