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Christoph Reinhold Voll

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Christoph Reinhold Voll

Bildhauer, Grafiker, Aquarellist, * 25. April 1897 München, † 16. Juni 1939 Karlsruhe (bestattet in Oksby/Dänemark), ev., ∞ 1922 Erna Emilie (genannt Musse) Sörensen-Krake, 1 Tochter.

Nachdem Christoph Volls Vater, ein Bildhauer, im Jahr seiner Geburt verstorben war, steckte ihn die Mutter nach ihrer Wiederverheiratung in das von katholischen Nonnen streng geführte Waisenhaus Kloster Kötzting. 1911-1915 absolvierte er eine Lehre bei einem Dresdner Bildhauer. Als Kriegsfreiwilliger kämpfte er von Juni 1915 bis Kriegsende 1918 an der West- und Ostfront. 1919-1923 studierte Voll Bildhauerei für ein Semester an der Dresdner Kunstgewerbeschule und dann an der dortigen Akademie. Selmar Werner wurde sein wichtigster Lehrer. Auch wenn Voll das klassische Schönheitsideal an sich negierte, wurden Kompositionsregeln wie der statuarische Aufbau einer Figur und die Ausrichtung nach einer Seite (Schauseite) unter Berücksichtigung der Fernwirkung für sein weiteres Kunstschaffen wichtig.

Bereits während des Studiums stellte Voll Arbeiten in den renommierten Dresdner Galerien Arnold und Richter aus und wurde dadurch rasch überregional bekannt. Im Herbst 1924 wurde er Lehrer für Bildhauerei an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken, im Jahr darauf zum Professor ernannt. Im Herbst 1928 wechselte er als Nachfolger des 1927 nach nur drei Jahren aus dem Lehrbetrieb wieder ausgeschiedenen Kurt Edzard an die Badische Landeskunstschule in Karlsruhe. Hier fand er vor allem in Lilli Fischel, Kurt Martin und Otto Haupt Förderer seines künstlerischen und schulischen Wirkens. Fischel erwarb für die Kunsthalle Werke Volls und führte 1931 eine vom Badischen Kunstverein organisierte Einzelausstellung durch; Martin setzte sich vor allem mit publizistischen Beiträgen für das Kunstschaffen des Bildhauers ein; und Haupt, seit 1934 Direktor der Landeskunstschule, engagierte sich für Volls Weiterbeschäftigung an der Schule, der infolge andauernder Anfeindungen durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund 1935 seines Lehramts enthoben und zum 31. Oktober 1937 aus dem Schuldienst entlassen wurde.

Zur Aufarbeitung der traumatischen Kindheitserfahrungen und Kriegserlebnisse bediente sich Voll 1919-1923 der spontanen skizzenhaften Niederschrift, so dass in dieser frühen Schaffensperiode neben die Plastik auch Grafiken und Aquarelle traten. Seit 1924 konzentrierte er sich ausschließlich auf die Bildhauerei, deren einziges Sujet die menschliche Figur bildete. Zunächst thematisierte er den elenden und geschundenen Menschen, den Arbeiter, Blinden und Leidenden, den er – auf wenige Charakteristika reduziert und direkt aus dem Holzblock gehauen – zu einem Sinnbild stilisierte. In dieser als expressiver oder bitterer Realismus bezeichneten Phase erhalten die Figuren aus der realistischen oder abstrakten Übersteigerung und Deformation ihre suggestive Kraft.

Ab 1927 gab Voll den Realismus für eine klassizistisch geprägte Figurenauffassung auf. Statuarisch, blockhaft-voluminös mit geglätteter Oberfläche und entindividualisierter Physiognomie wirken die Figuren aus Gips, Granit oder Diabas monumental und zeitlos und waren dadurch auch für die nationalsozialistische Ideologie instrumentalisierbar. Durch sein als "entartet" diffamiertes Frühwerk und das nationalsozialistisch interpretierbare Spätwerk geriet er im Dritten Reich kulturpolitisch zwischen die Fronten. Der "Jüngling" (1933; Diabas) und "Eva mit Schlange" (1931-1934; Schwarzer Grant) im Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe sowie die "Große Badende" (um 1930; Roter Marmor) im Botanischen Garten stehen exemplarisch für sein spätes Schaffen, der "Blinde Mann mit Kind" (um 1926; Holz) in der Staatlichen Kunsthalle für den expressiven Realismus.

Katja Förster 2016

Literatur

Gert Reising und Wilfried Rößling: Christoph Voll (München 1897 – Karlsruhe 1939). Ein Bildhauer zwischen Revolte und Reaktion, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Baden-Württemberg, Jg. 22, 1985, S. 112-149; Dietrich Schubert: Holzbildwerke von Christoph Voll, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 2006, 173-188, http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2127/1/Schubert_Holzbildwerke_von_Christoph_Voll_2006.pdf (Zugriff am 12. April 2016); Clemens Ottnad: Voll, Christoph Reinhold, Bildhauer, Grafiker und Maler, in: Badische Biographien NF Bd. VI, hrsg. von Fred L. Sepaintner, Stuttgart 2011, S. 418-421.