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De:Lexikon:bio-0506: Unterschied zwischen den Versionen

 
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=Hirsch, Julius=
=Hirsch, Julius=
Fußballspieler, * 7. April 1892 Achern (Baden), †1943 Auschwitz (am 8. Mai 1945 für tot erklärt), jüd., verh. 1920 Ella geb. Hauser (ev.), 2 Kinder.
Fußballspieler, * 7. April 1892 Achern/Baden, † 1943 Auschwitz (am 8. Mai 1945 für tot erklärt), jüd., 1920 Ella Hauser (ev.), 2 Kinder.


Julius H. wurde als jüngster Sohn des jüdischen K Tuchwarenkaufmanns Berthold Hirsch während eines Aufenthaltes seiner Mutter in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern geboren. Die zweijährige Kaufmannslehre schloss er nach der Mittleren Reife und dem Besuch einer Handelsschule bei der Karlsruher Lederhandlung Freud und Strauss am 1. Oktober 1908 ab, für die er bis zum 22. März 1912 arbeitete.<br>
Julius Hirsch wurde als jüngster Sohn des jüdischen Karlsruher Tuchwarenkaufmanns Berthold Hirsch während eines Aufenthaltes seiner Mutter in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern geboren. Die zweijährige Kaufmannslehre schloss er nach der Mittleren Reife und dem Besuch einer Handelsschule bei der Karlsruher Lederhandlung Freud und Strauss am 1. Oktober 1908 ab, für die er bis zum 22. März 1912 arbeitete.<br>
Noch als Schüler trat H. 1902 in den <lex id="ins-0972">Karlsruher Fußballverein (KFV)</lex> ein, 1909 spielte er in der ersten Mannschaft, an deren Deutscher Meisterschaft 1910 er maßgeblichen Anteil hatte. 1911 erfolgte die Berufung in die Nationalmannschaft. 1913 wechselte er aus beruflichen Gründen nach Fürth zur dortigen Spielvereinigung, mit der er 1914 noch einmal Deutscher Meister wurde. Der <lex id="ereig-0068">Erste Weltkrieg</lex> verhinderte weitere nationale und internationale Erfolge. So blieb es bei nur sieben Länderspielen mit vier Toren, alle beim 5:5 gegen Holland am 24. März 1912 erzielt. <br>
Noch als Schüler trat Hirsch 1902 in den <lex id="ins-0972">Karlsruher Fußballverein (KFV)</lex> ein, 1909 spielte er in der ersten Mannschaft, an deren Deutscher Meisterschaft 1910 er maßgeblichen Anteil hatte. 1911 erfolgte die Berufung in die Nationalmannschaft. 1913 wechselte er aus beruflichen Gründen nach Fürth zur dortigen Spielvereinigung, mit der er 1914 noch einmal Deutscher Meister wurde. Der <lex id="ereig-0068">Erste Weltkrieg</lex> verhinderte weitere nationale und internationale Erfolge. So blieb es bei nur sieben Länderspielen mit vier Toren, alle beim 5:5 gegen Holland am 24. März 1912 erzielt. <br>
Nach dem Kriegsdienst spielte H. wieder kurz bei der Spielvereinigung Fürth, kehrte 1919 zum KFV zurück, wo er aber an seine Vorkriegserfolge nicht mehr anknüpfen konnte. 1923 beendete er seine aktive Laufbahn und blieb für den KFV als Trainer tätig. Als H. erfuhr, dass der KFV zu den Vereinen gehörte, die am 9. April 1933 den neuen NS-Machthabern eilfertig versichert hatten, dass sie <lex id="bio-11004">Juden</lex> ausschließen würden, kam er dem Ausschluss durch seinen Austritt zuvor. Sportlich versuchte H. nun als Trainer im Ausland zu arbeiten, was ihm nur für kurze Zeit im Elsass gelang. In Karlsruhe schloss er sich dem <lex id="ins-11016">Jüdischen Turnklub 03</lex> an, mit dem er als Aktiver noch einmal eine Meisterschaft gewinnen konnte.<br>
Nach dem Kriegsdienst spielte Hirsch wieder kurz bei der Spielvereinigung Fürth, kehrte 1919 zum KFV zurück, wo er aber an seine Vorkriegserfolge nicht mehr anknüpfen konnte. 1923 beendete er seine aktive Laufbahn und blieb für den KFV als Trainer tätig. Als Hirsch erfuhr, dass der KFV zu den Vereinen gehörte, die am 9. April 1933 den neuen NS-Machthabern eilfertig versichert hatten, dass sie <lex id="bio-11004">Juden</lex> ausschließen würden, kam er dem Ausschluss durch seinen Austritt zuvor. Sportlich versuchte Hirsch nun als Trainer im Ausland zu arbeiten, was ihm nur für kurze Zeit im Elsass gelang. In Karlsruhe schloss er sich dem <lex id="ins-11016">Jüdischen Turnklub 03</lex> an, mit dem er als Aktiver noch einmal eine Meisterschaft gewinnen konnte.<br>
H. arbeitete nach dem Krieg in der Firma des Vaters, der Deutschen Signalflaggenfabrik, die er 1931 nach dessen Tode zusammen mit seinem Bruder Max übernahm. Die auf den Vertrieb von Sportartikeln spezialisierte Firma meldete im Februar 1933 vermutlich als Folge der Weltwirtschaftkrise Konkurs an. Beruflich hielt H. sich als Textilvertreter, dann als Hilfsbuchhalter bei den Zellstoff- und Papierfabriken Ettlingen und Maxau bis zu deren <lex id="ereig-0264">"Arisierung</lex> im Jahr 1938 über Wasser. Wohl nicht zuletzt wegen der ungeheuren seelischen Belastung erkrankte Hirsch Ende 1938 und wurde in einer psychiatrischen Klinik in Bar-Le Duc in Lothringen behandelt. Um seine christliche Frau Ella und zwei Kinder zu schützen, ließ er sich 1942 scheiden. Von der Deportation der Karlsruhe Juden im Oktober 1940 nach <lex id="top-11005">Gurs</lex> in Südfrankreich blieb H. dank seiner „Mischehe“ noch verschont, doch am 1. März 1943 wurde H. mit elf anderen Karlsruher Juden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Möglichkeit, mit einem versiegelten Postwagen in die Schweiz zu fliehen, hatte er zuvor nicht genutzt, wohl in Unterschätzung der ihm drohenden Gefahr.<br>
Hirsch arbeitete nach dem Krieg in der Firma des Vaters, der Deutschen Signalflaggenfabrik, die er 1931 nach dessen Tode zusammen mit seinem Bruder Max übernahm. Die auf den Vertrieb von Sportartikeln spezialisierte Firma meldete im Februar 1933 vermutlich als Folge der Weltwirtschaftkrise Konkurs an. Beruflich hielt Hirsch sich als Textilvertreter, dann als Hilfsbuchhalter bei den Zellstoff- und Papierfabriken Ettlingen und Maxau bis zu deren <lex id="ereig-0264">"Arisierung</lex> im Jahr 1938 über Wasser. Wohl nicht zuletzt wegen der ungeheuren seelischen Belastung erkrankte Hirsch Ende 1938 und wurde in einer psychiatrischen Klinik in Bar-Le Duc in Lothringen behandelt. Um seine christliche Frau Ella und zwei Kinder zu schützen, ließ er sich 1942 scheiden. Von der Deportation der Karlsruhe Juden im Oktober 1940 nach <lex id="top-11005">Gurs</lex> in Südfrankreich blieb Hirsch dank seiner „Mischehe“ noch verschont, doch am 1. März 1943 wurde Hirsch mit elf anderen Karlsruher Juden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Möglichkeit, mit einem versiegelten Postwagen in die Schweiz zu fliehen, hatte er zuvor nicht genutzt, wohl in Unterschätzung der ihm drohenden Gefahr.<br>
Der DFB stiftete 2005 den Julius-Hirsch-Preis, mit dem er an einen von nur zwei jüdischen deutschen Nationalspielern erinnert. <div style="text-align:right;">''br''</div>
Der DFB stiftete 2005 den Julius-Hirsch-Preis, mit dem er an einen von nur zwei jüdischen deutschen Nationalspielern erinnert. <div style="text-align:right;">''br 2012''</div>



Version vom 10. November 2014, 15:36 Uhr

Datei:Bio-0506 Hirsch Julius 8 SpoA 1300 wm.jpg
StadtAK 8/SpoA 1300
rechts Julius Hirsch
(1921).

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Hirsch, Julius

Fußballspieler, * 7. April 1892 Achern/Baden, † 1943 Auschwitz (am 8. Mai 1945 für tot erklärt), jüd., ∞ 1920 Ella Hauser (ev.), 2 Kinder.

Julius Hirsch wurde als jüngster Sohn des jüdischen Karlsruher Tuchwarenkaufmanns Berthold Hirsch während eines Aufenthaltes seiner Mutter in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern geboren. Die zweijährige Kaufmannslehre schloss er nach der Mittleren Reife und dem Besuch einer Handelsschule bei der Karlsruher Lederhandlung Freud und Strauss am 1. Oktober 1908 ab, für die er bis zum 22. März 1912 arbeitete.
Noch als Schüler trat Hirsch 1902 in den Karlsruher Fußballverein (KFV) ein, 1909 spielte er in der ersten Mannschaft, an deren Deutscher Meisterschaft 1910 er maßgeblichen Anteil hatte. 1911 erfolgte die Berufung in die Nationalmannschaft. 1913 wechselte er aus beruflichen Gründen nach Fürth zur dortigen Spielvereinigung, mit der er 1914 noch einmal Deutscher Meister wurde. Der Erste Weltkrieg verhinderte weitere nationale und internationale Erfolge. So blieb es bei nur sieben Länderspielen mit vier Toren, alle beim 5:5 gegen Holland am 24. März 1912 erzielt.
Nach dem Kriegsdienst spielte Hirsch wieder kurz bei der Spielvereinigung Fürth, kehrte 1919 zum KFV zurück, wo er aber an seine Vorkriegserfolge nicht mehr anknüpfen konnte. 1923 beendete er seine aktive Laufbahn und blieb für den KFV als Trainer tätig. Als Hirsch erfuhr, dass der KFV zu den Vereinen gehörte, die am 9. April 1933 den neuen NS-Machthabern eilfertig versichert hatten, dass sie Juden ausschließen würden, kam er dem Ausschluss durch seinen Austritt zuvor. Sportlich versuchte Hirsch nun als Trainer im Ausland zu arbeiten, was ihm nur für kurze Zeit im Elsass gelang. In Karlsruhe schloss er sich dem Jüdischen Turnklub 03 an, mit dem er als Aktiver noch einmal eine Meisterschaft gewinnen konnte.
Hirsch arbeitete nach dem Krieg in der Firma des Vaters, der Deutschen Signalflaggenfabrik, die er 1931 nach dessen Tode zusammen mit seinem Bruder Max übernahm. Die auf den Vertrieb von Sportartikeln spezialisierte Firma meldete im Februar 1933 vermutlich als Folge der Weltwirtschaftkrise Konkurs an. Beruflich hielt Hirsch sich als Textilvertreter, dann als Hilfsbuchhalter bei den Zellstoff- und Papierfabriken Ettlingen und Maxau bis zu deren "Arisierung im Jahr 1938 über Wasser. Wohl nicht zuletzt wegen der ungeheuren seelischen Belastung erkrankte Hirsch Ende 1938 und wurde in einer psychiatrischen Klinik in Bar-Le Duc in Lothringen behandelt. Um seine christliche Frau Ella und zwei Kinder zu schützen, ließ er sich 1942 scheiden. Von der Deportation der Karlsruhe Juden im Oktober 1940 nach Gurs in Südfrankreich blieb Hirsch dank seiner „Mischehe“ noch verschont, doch am 1. März 1943 wurde Hirsch mit elf anderen Karlsruher Juden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Möglichkeit, mit einem versiegelten Postwagen in die Schweiz zu fliehen, hatte er zuvor nicht genutzt, wohl in Unterschätzung der ihm drohenden Gefahr.

Der DFB stiftete 2005 den Julius-Hirsch-Preis, mit dem er an einen von nur zwei jüdischen deutschen Nationalspielern erinnert.

br 2012


Literatur

Ludger Syré: Julius Hirsch, in: Badische Biographien, NF, Bd. V, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 2005, S. 124-126; Gereon Tönnihsen: Julius Hirsch. Ein deutscher Fußballnationalspieler jüdischer Herkunft aus Karlsruhe, Karlsruhe 2008 ( = Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe, Band 10).