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Sinai Schiffer

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Sinai Schiffer

Rabbiner, * 17. November 1852 Námesztó/Ungarn, † 25. Oktober 1923 Karlsruhe, jüd., ∞ 1886 Esther Perl Herzmann, 3 Töchter.

Die slowakisch-ungarische Familie Schiffer brachte zahlreiche Thora-Gelehrte hervor, auch sein früh verstorbener Vater war ein anerkannter Rabbiner. Der junge Sinai Schiffer besuchte verschiedene Talmudschulen, lebte auch längere Zeit bei seinem Onkel, Rabbiner Emanuel Oskar Deutsch. Mit 17 Jahren kam er an die Talmudhochschule in Pressburg (Bratislava).

1872 ging er nach Berlin und besuchte die Lehranstalt des „Sefath-Emeth-Vereins“, der seine Wurzeln in der jüdischen Aufklärung hatte. Mit ihr setzte er sich immer wieder auseinander und schöpfte daraus Elemente für die neo-orthodoxe Richtung. Mit dem Abschluss der Mittleren Reife schrieb er sich 1875 im orthodoxen Berliner Rabbinerseminar von Esriel Hildesheimer (1820-1899) ein, studierte nach dem Abitur an der dortigen Gymnasialabteilung 1877 in Berlin bis 1881 Philosophie, Pädagogik und orientalische Sprachen. Seine Promotion erfolgte 1884 in Leipzig. Nach der Rabbinatsprüfung 1881 am Berliner Seminar erhielt Schiffer seine erste Anstellung in Hannover als Stiftsrabbiner und Lehrer der Michael-Davidischen Stiftung. Nach dem plötzlichen Tod des Rabbiners der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Karlsruhe, Gedalja Goitein, wurde er 1884 dessen Nachfolger.

Er war Ausschussmitglied der 1885 vom Begründer der Neo-Orthodoxie, Samson Raphael Hirsch (1808-1888) gegründeten "Freie Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums in Deutschland", die sich ausdrücklich gegen die Zusammenarbeit mit nichtorthodoxen Juden aussprach. Zu seinem 70. Geburtstag wurde er als „Bollwerk der süddeutschen Orthodoxie“ gewürdigt. Gleichwohl entspannte sich die Konfliktsituation in Karlsruhe zwischen orthodoxer Israelitischer Religionsgesellschaft und liberaler Israelitischer Religionsgemeinschaft, nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wohlfahrt.

Am 25. Oktober 1923 überhörte Sinai Schiffer auf dem Weg zur Synagoge eine Straßenbahn, wurde angefahren und verstarb am selben Tag. Sein Grab befindet sich auf dem orthodoxen jüdischen Friedhof an der Haid-und-Neu-Straße. Aus seinem Nachlass wurde die Sinai-Schiffer-Stiftung gegründet, aus der der Israelitische Kindergartenverein hervorging. Dieser betrieb bis 1938 in den Gemeinderäumen in der Karl-Friedrich-Straße 16 einen Kindergarten, in dem auch nichtorthodoxe jüdische Kinder Aufnahme fanden.

Jürgen Schuhladen-Krämer 2014

Quellen

Unterlagen im Centrum Judaicum Berlin; Jeschurun, Alte Folge, 1884, Heft 4, S. 57 (Amtseinführung in Karlsruhe); Der Israelit, 9. September 1892 („Freie Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums in Deutschland“); Der Israelit, 23. November 1922 (Würdigung zum 70. Geburtstag), 1. November 1923 (Nachruf).

Werk

Das Buch Kohelet im Talmud und Midrasch, Diss. Univ. Leipzig, Hannover 1884; Die Pirke Aboth und ihre Verwerthung für den Religionsunterricht, Frankfurt a. M. 1895; Schuld und Sühne. Predigt anläßl. d. Geburtstagsfestes Sr. Majestät d. Kaisers Wilhelm II, gehalten in d. Synagoge d. Isr. Religionsges. am 27. Januar 1917, Karlsruhe 1917.

Literatur

Michael Brocke/Julius Carlebach (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 2, Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871 - 1945, bearb. von Katrin Nele Jansen unter Mitwirkung von Jörg H. Fehrs und Valentina Wiedner, Bd. 2, München 2009.