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Friedrich Wilhelm Kiefer

Version vom 20. Juni 2022, 13:49 Uhr von Stadtarchiv3 (Diskussion | Beiträge)
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Friedrich Wilhelm Kiefer

Theologe, * 3. Januar 1893 Karlsruhe, † 9. Oktober 1955 Ladenburg/Rhein-Neckar-Kreis, ev., verh. 1918 Martha Gräff, 3 Kinder.

Als Sohn eines Karlsruher Metzgermeisters studierte Friedrich Wilhelm Kiefer nach dem Abitur von 1911 bis 1914 evangelische Theologie in Tübingen, Halle und Heidelberg. Nachdem er von 1915 bis 1918 Kriegsdienst geleistet hatte, trat Kiefer 1918 eine Stelle als Vikar in Gernsbach an. 1919 wurde er Pfarrer in Schatthausen (Wiesloch). Nach einer Station als Seelsorger im Städtischen Krankenhaus Mannheim (ab 1925) kam Kiefer, der im Mai 1932 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) eingetreten war, im Oktober 1933 zur Trinitatisgemeinde in Mannheim und wurde gleichzeitig Vorsitzender des Mannheimer Kirchengemeinderats. Seine Predigten waren von diesem Zeitpunkt an deutlich vom Dualismus Kirche – Volk geprägt, wobei für Kiefer der Satz "Der Einzelne ist nichts, das Volk ist alles" zum Leitgedanken wurde.

1936 übernahm Kiefer die Leitung des Gaus Baden der Deutschen Christen, einer antisemitischen Bewegung innerhalb des deutschen Protestantismus. Der Evangelische Oberkirchenrat distanzierte sich allerdings erst 1937 von Kiefer und veranlasste dessen Amtsenthebung als Vorsitzender des Kirchengemeinderats nur, nachdem ihm vom Mannheimer Kirchengemeinderat das Vertrauen entzogen worden war und eine nachfolgende Untersuchung Unregelmäßigkeiten in der Finanzverwaltung der Gesamtkirchengemeinde aufgedeckt hatte. Obgleich Kiefer in den folgenden Jahren immer wieder sowohl mit dem Evangelischen Oberkirchenrat als auch mit den Gemeindemitgliedern wegen radikalen Auftretens und antisemitischer Äußerungen erhebliche Differenzen hatte, behielt er seine Pfarrstelle bis zum 22. September 1945, als er formell suspendiert und anschließend von der US-Militärregierung 13 Monate in einem Internierungslager inhaftiert wurde. Damit ist Kiefer der einzige badische Pfarrer, der aufgrund seines Verhaltens im Dritten Reich nachweislich sein Amt verlor. 1947 erfolgte auch seine Entlassung aus dem badischen Pfarrdienst, wobei Kiefers Familie eine Unterstützung von monatlich 380 RM erhielt.

Im September 1947 wurde Kiefer von der Spruchkammer Weinheim zunächst als Minderbelasteter eingestuft und mit einer dreijährigen Bewährungsfrist belegt. Dieses Urteil wurde im Oktober 1948 auf eine sechsmonatige Bewährungsstrafe gemildert und im August 1949 von der Spruchkammer Nordbaden durch seine Einstufung als Mitläufer weiter abgesenkt. Unterdessen hatte Kiefer sich darum bemüht, in den württembergischen Kirchendienst aufgenommen zu werden. Eine von ihm dort vorgelegte Verpflichtungserklärung wurde zunächst für unzureichend befunden. Erst nachdem Kiefer in einer zusätzlichen Erklärung vom März 1948 wesentliche Versäumnisse in seinen Predigten und Fehltritte in seinem kirchlichen Handeln eingeräumt hatte, wurde er wieder eingestellt. So arbeitete er ab 1948 als Krankenhausseelsorger in Stuttgart und hatte eine Vertretungsstelle im Pfarramt Stuttgart-Berg inne. 1950 übernahm Kiefer das Vikariat in Heidenheim und erhielt 1951 ebendort wieder eine Pfarrstelle.

René Gilbert 2017

Literatur

Hermann Rückleben: Friedrich Kiefer, in: Baden-Württembergische Biographien, Bd. I, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1994, S. 175 f., https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/1012413047/Kiefer+Friedrich+Wilhelm (Zugriff am 10. Mai 2022).