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De:Lexikon:bio-1158: Unterschied zwischen den Versionen

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Juristin, Vorsitzende Richterin am <lex id="ins-1128">Bundesgerichtshof</lex>, * 22. Juni 1910 Bremen, † 21. September 2000 Karlsruhe, ev., ∞ 1946 Detlof Krüger, 1 Sohn.<br/ ><br/ >
Juristin, Vorsitzende Richterin am <lex id="ins-1128">Bundesgerichtshof</lex>, * 22. Juni 1910 Bremen, † 21. September 2000 Karlsruhe, ev., ∞ 1946 Detlof Krüger, 1 Sohn.<br/ ><br/ >
Gerda Nieland, zunächst in Bremen und Hamburg aufgewachsen, kam, als ihr Vater 1919 an das Reichsgericht berufen wurde, nach Leipzig. Dort legte sie 1929 das Abitur ab und studierte anschließend in Leipzig und Freiburg i. Br. Rechtswissenschaften. Mit ausgezeichnetem Ergebnis bestand sie 1933 das Referendar- und 1938 das Assessorexamen. Gleiches gilt für ihre wegweisende Dissertation zum verlagsrechtlichen Bestellvertrag. Ihr Wunsch, als Richterin tätig zu werden, scheiterte an der rigorosen <lex id="ereig-0016">NS</lex>-Praxis, Frauen den Zugang zum Richter- und Rechtsanwaltsberuf zu verweigern. Als Nichtparteimitglied und mit dem in einem ihrer Ausbildungszeugnisse enthaltenen Vermerk „Verweigert den Hitlergruß“ hätte sie wohl auch kaum den damaligen Einstellungsvoraussetzungen entsprochen. So arbeitete sie zunächst als Justitiarin in einem schlesischen Industrieunternehmen und nach <lex id="ereig-0074">Kriegsbeginn</lex> als Vertreterin von zum Wehrdienst einberufenen Rechtsanwälten. Im September 1945 bewarb sie sich in Hamburg bei der hanseatischen Justizverwaltung um eine Richterstelle. Als ihre Bewerbung dilatorisch behandelt wurde, entschloss sie sich, Rechtsanwältin zu werden. 1946 erhielt sie ihre Zulassung, im selben Jahr heiratete sie den Schauspieler und späteren Intendanten Detlof Krüger. Bald war sie eine gefragte Strafverteidigerin. Aus dem Anwaltsstand wurde sie am 4. Mai 1951 zur Bundesrichterin am Bundesgerichtshof ernannt, auch heute noch ein ganz seltener Weg.
Gerda Nieland, zunächst in Bremen und Hamburg aufgewachsen, kam, als ihr Vater 1919 an das Reichsgericht berufen wurde, nach Leipzig. Dort legte sie 1929 das Abitur ab und studierte anschließend in Leipzig und Freiburg i. Br. Rechtswissenschaften. Mit ausgezeichnetem Ergebnis bestand sie 1933 das Referendar- und 1938 das Assessorexamen. Gleiches gilt für ihre wegweisende Dissertation zum verlagsrechtlichen Bestellvertrag. Ihr Wunsch, als Richterin tätig zu werden, scheiterte an der rigorosen <lex id="ereig-0016">NS</lex>-Praxis, Frauen den Zugang zum Richter- und Rechtsanwaltsberuf zu verweigern. Als Nichtparteimitglied und mit dem in einem ihrer Ausbildungszeugnisse enthaltenen Vermerk "Verweigert den Hitlergruß" hätte sie wohl auch kaum den damaligen Einstellungsvoraussetzungen entsprochen. So arbeitete sie zunächst als Justitiarin in einem schlesischen Industrieunternehmen und nach <lex id="ereig-0074">Kriegsbeginn</lex> als Vertreterin von zum Wehrdienst einberufenen Rechtsanwälten. Im September 1945 bewarb sie sich in Hamburg bei der hanseatischen Justizverwaltung um eine Richterstelle. Als ihre Bewerbung dilatorisch behandelt wurde, entschloss sie sich, Rechtsanwältin zu werden. 1946 erhielt sie ihre Zulassung, im selben Jahr heiratete sie den Schauspieler und späteren Intendanten Detlof Krüger. Bald war sie eine gefragte Strafverteidigerin. Aus dem Anwaltsstand wurde sie am 4. Mai 1951 zur Bundesrichterin am Bundesgerichtshof ernannt, auch heute noch ein ganz seltener Weg.


Im Bundesgerichtshof wurde sie dem I. Zivilsenat zugewiesen, der in erster Linie für den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht zuständig ist. Auf diesen Rechtsgebieten bestand im Hinblick auf die Entwicklung neuer Tonträger und anderer Vervielfältigungsgeräte ein hoher Rechtsfortbildungsbedarf, zahlreiche, wegweisende Entscheidungen stammen aus ihrer Feder als Berichterstatterin. Viele dieser rechtschöpferisch aufgestellten Rechtssätze wurden später vom Bundesgesetzgeber in Gesetzesnovellen aufgenommen und damit legislativ anerkannt. Am 16. Februar 1965 wurde Gerda Krüger-Nieland angesichts ihrer herausragenden Fähigkeiten und Leistungen der Vorsitz im I. Zivilsenat übertragen. Sie war damit die erste Frau im Bundesgerichtshof, der diese verantwortungsvolle und einflussreiche Aufgabe anvertraut wurde. Über 13 Jahre versah sie dieses Amt mit natürlicher Autorität und hoher Sachkompetenz bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand am 1. Juli 1978.
Im Bundesgerichtshof wurde sie dem I. Zivilsenat zugewiesen, der in erster Linie für den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht zuständig ist. Auf diesen Rechtsgebieten bestand im Hinblick auf die Entwicklung neuer Tonträger und anderer Vervielfältigungsgeräte ein hoher Rechtsfortbildungsbedarf, zahlreiche, wegweisende Entscheidungen stammen aus ihrer Feder als Berichterstatterin. Viele dieser rechtschöpferisch aufgestellten Rechtssätze wurden später vom Bundesgesetzgeber in Gesetzesnovellen aufgenommen und damit legislativ anerkannt. Am 16. Februar 1965 wurde Gerda Krüger-Nieland angesichts ihrer herausragenden Fähigkeiten und Leistungen der Vorsitz im I. Zivilsenat übertragen. Sie war damit die erste Frau im Bundesgerichtshof, der diese verantwortungsvolle und einflussreiche Aufgabe anvertraut wurde. Über 13 Jahre versah sie dieses Amt mit natürlicher Autorität und hoher Sachkompetenz bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand am 1. Juli 1978.


Daneben engagierte sie sich erfolgreich in zahlreichen Verbänden, so in der Association Littéraire et Artistique Internationale und in der ständigen Deputation des Deutschen Juristentags. Im Kuratorium des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum in München wirkte sie als langjähriges Mitglied. Ihre zahlreichen Veröffentlichungen zu den von ihr maßgeblich beeinflussten Rechtsgebieten haben große Anerkennung in der Rechtswissenschaft gefunden. Auch nach Eintritt in den Ruhestand wohnte sie in Karlsruhe. 2009 wurde im <lex id="top-2016">Neureuter</lex> „Juristenviertel“ eine <lex id="top-0914">Straße</lex> nach ihr benannt.
Daneben engagierte sie sich erfolgreich in zahlreichen Verbänden, so in der Association Littéraire et Artistique Internationale und in der ständigen Deputation des Deutschen Juristentags. Im Kuratorium des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum in München wirkte sie als langjähriges Mitglied. Ihre zahlreichen Veröffentlichungen zu den von ihr maßgeblich beeinflussten Rechtsgebieten haben große Anerkennung in der Rechtswissenschaft gefunden. Auch nach Eintritt in den Ruhestand wohnte sie in Karlsruhe. 2009 wurde im <lex id="top-2016">Neureuter</lex> "Juristenviertel" eine <lex id="top-0914">Straße</lex> nach ihr benannt.


<div style="text-align:right;">''Detlev Fischer 2021''</div>
<div style="text-align:right;">''Detlev Fischer 2021''</div>

Aktuelle Version vom 10. März 2023, 12:50 Uhr


Gerda Krüger-Nieland

Juristin, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof, * 22. Juni 1910 Bremen, † 21. September 2000 Karlsruhe, ev., ∞ 1946 Detlof Krüger, 1 Sohn.

Gerda Nieland, zunächst in Bremen und Hamburg aufgewachsen, kam, als ihr Vater 1919 an das Reichsgericht berufen wurde, nach Leipzig. Dort legte sie 1929 das Abitur ab und studierte anschließend in Leipzig und Freiburg i. Br. Rechtswissenschaften. Mit ausgezeichnetem Ergebnis bestand sie 1933 das Referendar- und 1938 das Assessorexamen. Gleiches gilt für ihre wegweisende Dissertation zum verlagsrechtlichen Bestellvertrag. Ihr Wunsch, als Richterin tätig zu werden, scheiterte an der rigorosen NS-Praxis, Frauen den Zugang zum Richter- und Rechtsanwaltsberuf zu verweigern. Als Nichtparteimitglied und mit dem in einem ihrer Ausbildungszeugnisse enthaltenen Vermerk "Verweigert den Hitlergruß" hätte sie wohl auch kaum den damaligen Einstellungsvoraussetzungen entsprochen. So arbeitete sie zunächst als Justitiarin in einem schlesischen Industrieunternehmen und nach Kriegsbeginn als Vertreterin von zum Wehrdienst einberufenen Rechtsanwälten. Im September 1945 bewarb sie sich in Hamburg bei der hanseatischen Justizverwaltung um eine Richterstelle. Als ihre Bewerbung dilatorisch behandelt wurde, entschloss sie sich, Rechtsanwältin zu werden. 1946 erhielt sie ihre Zulassung, im selben Jahr heiratete sie den Schauspieler und späteren Intendanten Detlof Krüger. Bald war sie eine gefragte Strafverteidigerin. Aus dem Anwaltsstand wurde sie am 4. Mai 1951 zur Bundesrichterin am Bundesgerichtshof ernannt, auch heute noch ein ganz seltener Weg.

Im Bundesgerichtshof wurde sie dem I. Zivilsenat zugewiesen, der in erster Linie für den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht zuständig ist. Auf diesen Rechtsgebieten bestand im Hinblick auf die Entwicklung neuer Tonträger und anderer Vervielfältigungsgeräte ein hoher Rechtsfortbildungsbedarf, zahlreiche, wegweisende Entscheidungen stammen aus ihrer Feder als Berichterstatterin. Viele dieser rechtschöpferisch aufgestellten Rechtssätze wurden später vom Bundesgesetzgeber in Gesetzesnovellen aufgenommen und damit legislativ anerkannt. Am 16. Februar 1965 wurde Gerda Krüger-Nieland angesichts ihrer herausragenden Fähigkeiten und Leistungen der Vorsitz im I. Zivilsenat übertragen. Sie war damit die erste Frau im Bundesgerichtshof, der diese verantwortungsvolle und einflussreiche Aufgabe anvertraut wurde. Über 13 Jahre versah sie dieses Amt mit natürlicher Autorität und hoher Sachkompetenz bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand am 1. Juli 1978.

Daneben engagierte sie sich erfolgreich in zahlreichen Verbänden, so in der Association Littéraire et Artistique Internationale und in der ständigen Deputation des Deutschen Juristentags. Im Kuratorium des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum in München wirkte sie als langjähriges Mitglied. Ihre zahlreichen Veröffentlichungen zu den von ihr maßgeblich beeinflussten Rechtsgebieten haben große Anerkennung in der Rechtswissenschaft gefunden. Auch nach Eintritt in den Ruhestand wohnte sie in Karlsruhe. 2009 wurde im Neureuter "Juristenviertel" eine Straße nach ihr benannt.

Detlev Fischer 2021

Literatur

Walter Oppenhoff: Dr. Gerda Krüger-Nieland zum 70. Geburtstag am 22.6.1980, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Bd. 82, 1980, S. 511; Willi Erdmann: Gerda Krüger-Nieland, Neue Juristische Wochenschrift 2002, S. 206-207; Joachim Bornkamm/Rolf Danckwerts: Eine große Richterpersönlichkeit: Gerda Krüger-Nieland 1910-2000, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Bd. 112, 2010, S. 761-767; Detlev Fischer: Gerda Krüger-Nieland, in: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge Nr. 125 vom 6. Dezember 2019, S. 1, https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/stadtarchiv/blick-in-die-geschichte/ausgaben/blick-125/gerda-krueger-nieland (Zugriff am 10. März 2023).