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Friedrich Oskar Stäbel


Oskar Stäbel, um 1930, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 12/77a.

Friedrich Oskar Stäbel

Ingenieur, NS-Politiker, Reichsführer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds, Stadtrat, * 25. Mai 1901 Wintersdorf/Stadt Rastatt, † 4. Mai 1977 Karlsruhe, kath., ∞ 1933 Luitgard Clevenz, 1 Kind.

Oskar Stäbel war der Sohn des Landwirts und Handwerkers Franz Stäbel und dessen Ehefrau Anna. Als Kriegsfreiwilliger nahm Stäbel im Alter von 16 Jahren ab 1917 auf dem Balkan, in Russland, in der Champagne und Lothringen am Ersten Weltkrieg teil. Nach Kriegsende schloss sich der als Unteroffizier entlassene, immer noch minderjährige Stäbel von Februar bis Mai 1919 einem Freikorps, dem Freiwilligen Landesjägerkorps, an. 1921 verdingte sich Stäbel noch einmal als Freikorpssoldat – diesmal beim Selbstschutz Oberschlesien. Zwischen 1922 und 1924 kämpfte Stäbel mehrmals in Oberschlesien in den Reihen der Sturmabteilung Roßbach. Abgerundet wurden seine militärischen Aktivitäten noch durch einige Monate Dienst als Zeitfreiwilliger in der regulären Reichswehr. 1919 war er außerdem für den Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund aktiv geworden, den größten und einflussreichsten völkisch-antisemitischen Verband jener Zeit. Bereits zu Beginn der Weimarer Republik mit völkischen Kreisen in Kontakt und von den rechtsradikalen Freikorps geprägt, bekannte sich Stäbel 1928 durch seinen Eintritt in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) erstmals offen zum Nationalsozialismus.

Im zivilen Leben widmete sich Stäbel seit 1919 nach dem Abitur in Rastatt – immer wieder unterbrochen durch seine militärischen Aktivitäten – einem Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule (TH) Karlsruhe, das er 1926 als Diplomingenieur abschloss. Dabei war er Mitglied der pflichtschlagenden Verbindung Landsmannschaft Suevia. Anschließend arbeitete er bis 1932 als Assistent am Lehrstuhl für Apparatebau. 1931 wurde Stäbel zum Doktor der Ingenieurwissenschaften promoviert.

In der Endphase der Weimarer Republik begann Stäbels politischer Aufstieg. Schon 1929 wurde er NSDStB-Hochschulgruppenführer in Karlsruhe. Am 1. Februar 1930 trat er dann auch in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein, für die er noch im gleichen Jahr in den Karlsruher Stadtrat gewählt wurde, dem er bis 1933 angehörte. Als Führer der Karlsruher Ortsgruppe sowie in Personalunion des NSDAP-Bezirks Karlsruhe nahm er damals in der Karlsruher NSDAP eine führende Stellung ein. 1930 wurde Stäbel im NSDStB sogar Kreisführer und stand damit allen südwestdeutschen nationalsozialistischen Hochschulgruppen vor. 1932 scheint Stäbel, der auch als Gau- und Reichsredner der NSDAP agierte, dann bereits zum reichsweit anerkanntesten und führenden Hochschulpolitiker seiner Partei geworden zu sein, denn er wurde Referent für Hochschul- und studentische Fragen bei der „Obersten Leitung“ der NSDAP in München.

Aus dieser Position heraus gelang Stäbel nach der nationalsozialistischen Machtergreifung der Sprung in hohe politische Ämter. Bereits am 4. Februar 1933 wurde er zum Reichsführer des NSDStB ernannt. Im September folgte die Berufung zum Führer der Deutschen Studentenschaft (DSt), dem Dachverband aller örtlichen verfassten Studentenschaften. Damit waren die beiden wichtigsten studentenpolitischen Ämter in seiner Person vereint. Im November 1933 erhielt Stäbel dann ein Mandat im nationalsozialistisch-gleichgeschalteten Reichstag, dem er bis 1936 angehörte. 1933 trat Stäbel, seit 1931 Mitglied der SA in Karlsruhe, im Rang eines SA-Standartenführers als Referent für studentische Fragen in die Oberste SA-Führung ein. Wie viele Hochschulorte erhielt auch die TH Karlsruhe 1934 ein nach dem Reichstudentenführer benanntes Oskar-Stäbel-Haus, in dem Mitglieder des NSDStB wohnten und geschult wurden. Das nach 1945 von der TH genutzte, umgebaute Gebäude am Fasanengarten erhielt, nachdem die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften dort eingezogen war, 1992 den Namen Franz-Schnabel-Haus.

Die anfänglich vielversprechende politische Karriere Stäbels als gut vernetzter und politisch einflussreicher Multifunktionär der NS-Bewegung fand im Sommer 1934 ein abruptes Ende. Unmittelbar nach dem sogenannten Röhm-Putsch Ende Juni/Anfang Juli 1934 wurde Stäbel seiner Ämter als Führer des NS-Studentenbundes und der Deutschen Studentenschaft enthoben. Immerhin wurde er im November 1934 zunächst zum stellvertretenden Rektor des gleichgeschalteten Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) ernannt und stieg 1936 zu dessen Rektor auf, der er bis 1945 blieb. Gleichzeitig war Stäbel von 1934 an Reichsschulungsobmann im Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik (NSBDT).

Im Oktober 1945 wurde Stäbel von der amerikanischen Besatzungsmacht in Automatic Arrest genommen. Bis Dezember 1947 war er im Internierungslager Ludwigsburg festgesetzt, danach fand er eine Anstellung als „technical consultant“ bei den United States Naval Forces Germany, einer amerikanischen Dienststelle in Berlin. Im November 1949 stufte die Zentralspruchkammer Nordbaden Stäbel in die Gruppe IV der „Mitläufer“ ein und machte damit den Weg für seine Reintegration in die Gesellschaft frei. Stäbel arbeitete daraufhin für die Vorgängerorganisation des Bundesnachrichtendienstes (BND) – die Organisation Gehlen (OG) und war dort bis 1952 als Leiter der Filiale Berlin eingesetzt, die vorwiegend wissenschaftlich-technische Spionage gegen die DDR betrieb. Wann er aus dem Dienst der OG ausschied und ob er auch in den BND übernommen wurde, ist unklar. Schon ab 1951 ist Oskar Stäbel in den Karlsruher Adressbüchern verzeichnet als technisch wissenschaftlicher Berater in der Kalliwodastraße 4, wo seine Frau seit 1945 wohnte.

Katharina V. Rauschenberger 2020

Quellen

GLA 465 h/27464 Spruchkammerakte Oskar Stäbel; Oskar Stäbel: Kriegstagebuch 1917-1918, https://www.europeana.eu/de/item/2020601/https___1914_1918_europeana_eu_contributions_6445?utm_source=old-website&utm_medium=button (Zugriff am 8. Dezember 2020); Reichstags-Handbuch, IX. Wahlperiode, 1933, S. 335.

Werk

Beiträge zur Kenntnis von Pflanzenölen und Mineralölen (Diss. TH Karlsruhe 1931), Stuttgart 1933.

Literatur

Hans-Wolfgang Strätz: Die studentische „Aktion wider den undeutschen Geist“ im Frühjahr 1933, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 16 (1968), S. 347–372; Karl-Heinz Ludwig: Technik und Ingenieure im Dritten Reich, 1979, S. 130; Helmut Wagner: „Schöne Grüße aus Pullach“ – Operationen des BND gegen die DDR, 2001; Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, Bd. 6, Heidelberg 2004, S. 164; Joachim Lilla (Hg.): Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933-1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924, Düsseldorf 2004, S. 637; Katharina Müller: Dr.-Ing. Oskar Stäbel. Die Rehabilitierung eines NS-Funktionärs, in: Wolfang Proske (Hg.): Täter, Helfer, Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg, Bd. 8, Gerstetten 2018, S. 371-383; Katharina V. Rauschenberger: Stäbel, Friedrich Oskar, Maschinenbauingenieur, NS-Funktionär, in: Baden-Württembergische Biographien, Bd. VIII [in Vorbereitung].