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Andreas Kalnbach


Andreas Kalnbach, um 1925, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS IV 243 (Ausschnitt).

Andreas Kalnbach

Schlosser, Gastwirt, SPD-Politiker, * 8. Oktober 1852 Schweinfurt, † 19. März 1928 Hamburg, ∞ 1875 Lina Beringer, 5 Kinder.

Andreas Kalnbach wuchs in Schweinfurt als Sohn eines Schuhmachers auf und erlernte dort das Schlosserhandwerk. 1873 kam er nach Karlsruhe und arbeitete bei der Großherzoglichen Eisenbahnhauptwerkstatt und bei der Herdfabrik Junker & Ruh. Früh schon hat er sich für die Ideen der Sozialdemokratie eingesetzt. Er gehörte bis 1875 dem 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein an und nach dessen Vereinigung mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1875 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, deren Anhänger in Karlsruhe 1876 einen Ortsverein gründeten. 1877 übernahm Kalnbach das Amt des Kassiers der neuen Metallarbeit-Hilfskasse in Karlsruhe. Seinen Arbeitgebern fiel er durch sozialdemokratische Agitation in den Werkstätten auf. Da er auch nach Erlass des "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" von 1878 (Sozialistengesetz) weiter politisch aktiv blieb, erhielt er mehrere Haftstrafen und verlor schließlich seinen Arbeitsplatz.

1883 entschloss er sich deshalb zur Übernahme der Gastwirtschaft Ritter in der Kronenstraße 46. Unter dem Sozialistengesetz war der Ritter ein zentraler Treffpunkt für Anhänger der Sozialdemokratie und deren Beratungen. Kalnbachs Lokal war auch Teil des Netzwerks der "Roten Feldpost", über die während der Verbotszeit der in Zürich hergestellte Sozialdemokrat verteilt wurde. Und hier tagte der Pfeifenclub Vulkan, eine der sozialdemokratischen Tarnorganisationen. Trotz argwöhnischer Überwachung und Hausdurchsuchungen fand die Polizei keine Anhaltspunkte für Verbote oder Verhaftungen. Laut einem Nachruf war Kalnbach 1878 bis 1890 Vertrauensmann für den badischen Reichstagswahlkreis 10 (Karlsruhe-Bruchsal) und danach für den Wahlkreis 13 (Bretten-Eppingen) und kandidierte mehrfach bei den Wahlen. Bei der Gründung des Karlsruher Metallarbeiterfachverband mit 120 Mitgliedern 1884 wurde Kalnbach als dessen Delegierter zum Kongress nach Gera entsandt. Er gehörte 1887 ebenfalls zu den Gründern des ersten, gleich wieder verbotenen, wie auch des zweiten sozialistischen Wahlvereins von 1889. In beiden wurde er mit Richard Volderauer zum Vorsitzenden gewählt. Tagungslokal war der Ritter, in dessen Saal am 1. Oktober 1890 etwa 700 Anhänger mit dem Zeitungsverleger der Parteizeitung Der Volksfreund Adolf Geck das Ende des Sozialistengesetzes feierten.

Die neu gewonnene Freiheit ermöglichte dem "Parteiwirt" Kalnbach ein verstärktes Engagement für Partei und Gewerkschaft. 1890 war er einer der drei erstmals in den Bürgerausschuss der Stadt gewählten Sozialdemokraten und blieb nach der Wiederwahl 1893 dessen Mitglied bis 1896. Als Delegierter nahm er an den ersten drei Parteitagen der SPD teil und 1896 führte er mit einem Freiburger Parteigenossen den Vorsitz beim zweitägigen Parteitag der badischen SPD. In den 1890er-Jahren war er zudem Bevollmächtigter des Metallarbeiter-Verbands und der Kranken- und Sterbekasse der Metallarbeiter in Karlsruhe. Auch nach 1890 galten Kalnbachs Wirtschaften, bis 1894 der Ritter und danach die Brauerei Heck in der Kaiserstraße 13, als wichtige Parteilokale in der Stadt.

Im November 1900 wechselte Kalnbach als Angestellter der Kranken- und Sterbekasse der Metallarbeiter nach Hamburg, wo er 1921 in den Ruhestand trat. Auch in seiner neuen Heimat war er für die SPD aktiv: 1919 bis 1924 als Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft sowie zahlreicher kommunaler Ausschüsse, Kommissionen und Deputationen. Außerdem leitete er viele Jahre den proletarischen Freidenkerverband in Hamburg. Im Alter von 76 Jahren verstarb Andreas Kalnbach, der vor der Jahrhundertwende zu den aktivsten Karlsruher Sozialdemokraten zählte und der in der Verbotszeit laut einem Nachruf "das rote Banner mutig vorangetragen hat".

Manfred Koch 2022

Quellen

Der Volksfreund 1890, 1925, 1927, 1928, https://digital.blb-karlsruhe.de/6357964 (Zugriff am 4. August 2022); https://www.shmh.de/journal-die-erste-hamburgische-buergerschaft-von-1919/ (Zugriff am 10. März 2023).

Literatur

Wolfgang Glaeser: Unser die Zukunft. Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Karlsruhe, Heilbronn 1991; Susanne Asche: Residenzstadt – Bürgerstadt – Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum 1806-1914, in: Karlsruhe. Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 343-353, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 4. August 2022); Manfred Koch (Hrsg.): Im Mittelpunkt der Mensch. Parlamentsreden Karlsruher SPD-Abgeordneter, Karlsruhe 2001, S. 16-19; Manfred Koch/Peter Möllman: Andreas Kalnbach, in: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge, Nr. 136 vom 16. September 2022.