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De:Lexikon:ereig-0095

Das Barackenlager im Camp de Gurs, um 1941, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oVI 458.

Deportation 1940

Noch vor den reichsweiten Deportationen in die Vernichtungslager im Osten wurden 6.504 Juden aus Baden und der Pfalz, darunter 945 aus Karlsruhe, am 22. Oktober 1940 in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Der Transport in das unbesetzte Frankreich erfolgte mit der Bahn. Aus Baden wurden dazu sieben Züge eingesetzt, aus der Pfalz zwei weitere.

Von der Aktion der beiden Gauleiter Josef Bürckel (Saarpfalz) und Robert Wagner (Baden), die durch das deutsch-französische Waffenstillstandsabkommen nicht gedeckt war, wurden auch die französischen Behörden überrascht. In dieser prekären Situation leiteten die französischen Behörden die Züge zum Lager Gurs weiter, das zu diesem Zeitpunkt nicht voll belegt war. Am Fuße der Pyrenäen im Département Pyrénées-Atlantiques zwischen Bayonne und Pau an der D 936 in sumpfigem Gelände gelegen, war das für 15.000 Menschen ausgelegte Camp de Gurs, etwa 40 Kilometer nördlich der spanischen Grenze und 60 Kilometer von der Atlantikküste entfernt, im Frühjahr 1939 zur Internierung der aus Spanien geflohenen Soldaten der Republikanischen Armee errichtet worden. Das Lager, das nun unter der Verwaltung der Vichy-Regierung stand, war ringsum mit Stacheldraht eingezäunt und streng bewacht. Es bestand aus 300 primitivsten, rund 144 Quadratmeter großen Baracken, in denen jeweils bis zu 60 Personen untergebracht waren. Das Essen war spärlich, es fehlte an sanitären Anlagen.

Viele der Internierten starben an Entkräftung, Epidemien oder Mangel an Medikamenten, im Lager selbst allein 136 der 210 in Frankreich verstorbenen Deportierten aus Karlsruhe. Einigen gelang noch die Flucht. Nach einem ersten Transport im März 1942 gab es ab Juni regelmäßige Transporte von Juden aus dem besetzten Teil Frankreichs in den Osten. Diese wurden nach einer Einigung mit der Vichy-Regierung im Juli auf die ausländischen Juden im unbesetzten Frankreich ausgedehnt. Am 6. August 1942 fuhr der erste Zug mit 1.000 internierten Juden aus Gurs in das Lager Drancy im besetzten Frankreich. Von dort aus wurden sie wenige Tage später in das Vernichtungslager Auschwitz weitertransportiert. Bis 1944 folgten zahlreiche weitere Transporte, schätzungsweise über 2.650 der nach Südfrankreich deportierten badischen und saarpfälzischen Juden wurden dabei in die Vernichtungslager des Ostens verschleppt. Kaum einer von ihnen überlebte. Insgesamt haben nach Schätzungen nicht einmal 30 % der über 6.500 Juden, die am 22. Oktober 1940 deportiert worden waren, die nationalsozialistische Herrschaft überlebt.

Ernst Otto Bräunche 2015

Quelle

Ernst Otto Bräunche/Jürgen Schuhladen-Krämer (Hrsg.): Briefe - Gurs - Lettres. Erinnerungen - Paul Niedermann - Mémoires. Briefe einer badisch-jüdischen Familie aus französischen Internierungslagern, Karlsruhe 2011 (= Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 11).

Literatur

Ernst Otto Bräunche/Volker Steck (Hrsg.): Geschichte und Erinnerungskultur. Die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden in das Lager Gurs, Karlsruhe 2010; Gedenkbuch für die Karlsruher Juden, http://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/gedenkbuch (Zugriff am 16. November 2015).