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De:Lexikon:ereig-0111

Fackelzug durch die Kaiserstraße anlässlich der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 5/9.

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Gleichschaltung

Die nationalsozialistische Gleichschaltungspolitik setzte sofort nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 ein. Es begann ein Prozess, der einerseits durch Gesetze und Erlasse legalisiert wurde, andererseits aber Gewalt und Terror als Mittel der Machteroberung und -stabilisierung einsetzte. Noch am 30. Januar 1933 ließ Hitler den Reichstag auflösen und Neuwahlen für den 5. März festsetzen. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) trat nun unter dem Schutz der Reichsregierung auch in Karlsruhe noch aggressiver und provozierender als bisher auf, Zeitungsverbote behinderten den Wahlkampf der demokratischen Parteien ganz erheblich, sodass von einem regulären Wahlkampf nicht mehr die Rede sein konnte. Die infolge des Reichstagsbrandes am 27. Februar 1933 erlassene "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" ermöglichte weitere Maßnahmen vor allem gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und nach der Reichstagswahl auch gegen die anderen Parteien. Bei der Wahl am 5. März verfehlte die NSDAP in Karlsruhe trotz der massiven Propaganda und der rigorosen Behinderung des gegnerischen Wahlkampfes die angestrebte 50 %-Marke mit 45 % deutlich. Als der badische Gauleiter Robert Wagner am 9. März die Regierungsgewalt als von der Reichsregierung eingesetzter Reichskommisar übernahm, blieb der badischen Regierung auf dessen massiven Druck am 11. März nur der Rücktritt. Zunehmend wurden (seit März) Vertreter der linken Parteien und Organisationen, aber auch vereinzelt des Zentrums in "Schutzhaft" genommen, letztere in ihren Häusern, Sozialdemokraten und Kommunisten im Gefängnis bzw. im Konzentrationslager Kislau bei Bruchsal. Die Führungsspitze der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) wurde am 16. Mai in einer reichsweit einmaligen Schaufahrt durch Karlsruhe und Durlach nach Kislau transportiert.

Der 1. Mai wurde nun als "Fest der nationalen Geschlossenheit" zu einem "Feiertag der deutschen Arbeit“ hochstilisiert. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, zahlreiche Gewerkschaftsfunktionäre kamen in Haft. Landtag, Bürgerausschuss und Stadtrat wurden nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5. März ohne Neuwahlen umgebildet. Der badische Landtag besiegelte wie zuvor schon der Deutsche Reichstag am 9. Juni im Ständehaus durch seine Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz selbst seine endgültige Ausschaltung gegen die Stimmen der fünf verbliebenen Sozialdemokraten, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht in "Schutzhaft" befanden. Gesetze konnten nun von der Regierung ohne Zustimmung des Landtags erlassen werden. Am 30. Januar 1934 beseitigte das "Gesetz über den Neuaufbau des Reichs" die Länderparlamente endgültig.

Die SPD war am 22. Juni 1933 verboten worden, manche Parteimitglieder und -anhänger versuchten auch in Karlsruhe in der Illegalität Widerstand zu organisieren. Die bürgerlichen Parteien lösten sich in den folgenden Wochen selbst auf, sodass das "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ die Monopolstellung der NSDAP am 14. Juli 1933 nur noch festschreiben musste.

Auch die Stadtverwaltung war bald gleichgeschaltet. Der demokratisch gewählte Oberbürgermeister Julius Finter und seine Bürgermeister bekamen zunächst Kommissare an die Seite gestellt. Endgültig abgelöst wurden sie am 8. Mai. Oberbürgermeister wurde der vormalige Führer der NSDAP-Fraktion im Stadtrat Adolf Friedrich Jäger. Schon im ersten Jahr ihrer Herrschaft entließen die Nationalsozialisten aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" insgesamt 124 Personen aus dem städtischen Dienst, ein "nichtarischer" Beamter wurde in den Ruhestand versetzt. Gleichgeschaltet wurden auch Vereine und Institutionen. Am 3. April 1933 lösten die Nationalsozialisten alle so genannten marxistischen Turn-, Sport- und Kulturvereine auf und beschlagnahmten deren Vermögen. Weitere Vereine lösten sich nach dem Verbot der Parteien im Juni 1933 selbst auf. Später als in anderen Städten, in denen am 10. Mai 1933 eine Bücherverbrennung stattgefunden hatte, brannten in Karlsruhe erst am 17. Juni die unter das "Schund- und Schmutzgesetz" fallenden Bücher "nichtarischer" und "marxistischer" Autoren. Innerhalb eines Jahres waren die Gegner des NS-Regimes weitgehend ausgeschaltet und alle öffentlichen und gesellschaftlich relevanten Bereiche gleichgeschaltet.

Ernst Otto Bräunche 2012

Literatur

Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur 1914-1945, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 358-502, S. 455-502.