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De:Lexikon:ereig-0229: Unterschied zwischen den Versionen

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Am 16. Mai 1933 wurden sieben prominente badische und Karlsruher Sozialdemokraten in einer von den <lex id="ereig-0016">Nationalsozialisten</lex> inszenierten Schaufahrt quer durch Karlsruhe in das als Konzentrationslager genutzte Gefängnis <lex id="top-0075">Kislau</lex> transportiert: der Polizeisekretär <lex id="bio-0842">August Furrer</lex>, der Redakteur der Karlsruher <lex id="ins-0330">SPD</lex>-Zeitung <lex id="ins-1194">"Volksfreund"</lex> <lex id="bio-1232">Sally Grünebaum</lex>, der Führer der <lex id="ins-0436">Eisernen Front</lex> <lex id="bio-0041">Gustav Heller</lex>, der Reichstagsabgeordnete, ehemalige badische Staatsrat und Landtagsabgeordnete <lex id="bio-0541">Ludwig Marum</lex>, der ehemalige badische Minister, Staatspräsident und Landtagsabgeordnete <lex id="bio-0060">Adam Remmele</lex>, dessen langjähriger persönlicher Referent Hermann Stenz sowie der Führer des <lex id="ins-0786">Reichsbanners</lex> <lex id="bio-1098">Erwin Sammet</lex>. Mit dieser sorgfältig vorbereiteten und inszenierten Schaufahrt erreichte der nationalsozialistische Terror in Karlsruhe nach der nationalsozialistischen <lex id="ereig-0111">Machtübernahme</lex> 1933 einen ersten Höhepunkt, sie war ein erstes Beispiel für den nationalsozialistischen Terror durch eine perfekt organisierte öffentliche Demütigung und Zurschaustellung der politischen Gegner.<br>


Diese Form des Terrors gegen politische Gegner war 1933 noch durchaus singulär. Nur in Chemnitz war kurz nach der Reichstagswahl der SPD-Reichstagsabgeordnete Bernhard Kuhnt am 8. März auf einem von ebenfalls verhafteten SPD-Stadtverordneten gezogenen großen Handwagen von SA-Leuten flankiert durch die Straßen gezogen worden. Wesentlich spektakulärer und durch die bewusste Auswahl der sozialdemokratischen badischen Spitzenpolitiker Marum und Remmele sowie der lokalen Parteispitze deswegen auch singulär war die Aktion in der badischen Gauhauptstadt Karlsruhe. Sie wurde bewusst am Tag der Eröffnung des nach dem Ergebnis der Reichstagswahl widerrechtlich umgebildeten Landtags in Szene gesetzt. Zielgerichtet ging die Schaufahrt vom <lex id="ins-1433">Gefängnis</lex> in der <lex id="top-2315">Riefstahlstraße</lex> an markanten Stellen der Demokratie und der Staatsmacht sowie der Arbeiterbewegung vorbei, dem Ständehaus, dem badischen Landtagsgebäude, dem Staatsministerium, dem Metallarbeitergewerkschaftshaus, dem Rathaus und dem <lex id="ins-1461">Polizeipräsidium</lex> am <lex id="top-3108">Marktplatz</lex>. Deutlicher konnte man den verbliebenen nicht der NSDAP angehörenden Abgeordneten im Landtag und vor allem der Bevölkerung nicht demonstrieren, was mit denen passieren würde, die sich den neuen Machthabern widersetzten. Vor den Augen der Öffentlichkeit wurde der demokratische Rechtsstaat demontiert, die der beschämenden Aktion Ferngebliebenen konnten in der NS-Presse nachlesen, wie Repräsentanten der Demokratie widerrechtlich inhaftiert, verhöhnt und erniedrigt wurden.
==Schaufahrt vom 16. Mai 1933==

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Zeitungsmeldungen zufolge - auch in der noch nicht völlig gleichgeschalteten Presse – und durch Fotos belegt säumten tausende Schaulustige den Straßenrand. Der gesamte Auto- und Straßenbahnverkehr kam während der Durchfahrt der Polizeiwagen zum Erliegen. Widerstand oder offener Protest gegen diese unwürdige Behandlung erhob sich kaum, die wenigen Protestierenden wurden sofort verhaftet.<br>
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[[Datei:Ereig-0229____Schaufahrt 8_Alben5_s31_b_wm.jpg|200px|thumb|left|Schaufahrt durch die Kaiser-straße zwischen Hirsch- und Douglasstraße am 16. Mai 1933, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 5/31b.]]
Nach und nach kamen die <lex id="ereig-0137">"Schutzhäftlinge"</lex> unter der Bedingung, sich nie mehr politisch zu betätigen und sich in festgelegten Abständen bei der <lex id="ins-1480">Gestapo</lex> zu melden, wieder frei, zuletzt am 9. März 1934 Remmele und Stenz. Nur Ludwig Marum verweigerte diese Zusage und wurde in der Nacht vom 28. auf den 29. März im Schlaf von SA-Leuten erdrosselt. Anstifter war Gauleiter und Reichsstatthalter <lex id="bio-0064">Robert Wagner</lex>, der in der nationalsozialistischen Presse diesen Mord als Selbstmord darstellen ließ.
Am 16. Mai 1933 wurden sieben prominente Karlsruher Sozialdemokraten in einer von den Nationalsozialisten inszenierten Schaufahrt quer durch Karlsruhe in das als Konzentrationslager genutzte Gefängnis <lex id="top-10062">Kislau</lex> transportiert: der Polizeisekretär <lex id="bio-10138">August Furrer</lex>, der Redakteur der Karlsruher <lex id="ins-0330">SPD</lex>-Zeitung <lex id="ins-10202">"Volksfreund"</lex> <lex id="bio-10139">Sally Grünebaum</lex>, der Führer der <lex id="ins-0436">Eisernen Front</lex> <lex id="bio-0041">Gustav Heller</lex>, der Reichstagsabgeordnete, ehemalige badische Staatsrat und Landtagsabgeordnete <lex id="bio-0541">Ludwig Marum</lex>, der ehemalige badische Minister, Staatspräsident und Landtagsabgeordnete <lex id="bio-0060">Adam Remmele</lex>, dessen langjähriger persönlicher Referent Hermann Stenz sowie der Führer des <lex id="ins-0786">Reichsbanners</lex> <lex id="bio-10044">Erwin Sammet</lex>. Mit dieser Schaufahrt erreichte der nationalsozialistische Terror in Karlsruhe nach der nationalsozialistischen <lex id="ereig-0223">Machtübernahme</lex> 1933 einen ersten Höhepunkt.<br>

Die Schaufahrt führte vom <lex id="top-1421">Gefängnis</lex> in der <lex id="top-2315">Riefstahlstraße</lex> zum damaligen <lex id="top-2198">Polizeipräsidium</lex> am <lex id="top-1858">Marktplatz</lex>. Die Straßen waren dicht gesäumt von Schaulustigen. Die wenigen Protestierenden wurden sofort verhaftet.<br> Nach und nach kamen die <lex id="ereig-10137">"Schutzhäftlinge"</lex> unter der Bedingung, sich nie mehr politisch zu betätigen und sich in festgelegten Abständen bei der <lex id="ins-10110">Gestapo</lex> zu melden, wieder frei, zuletzt am 9. März 1934 Remmele und Stenz. Nur Ludwig Marum verweigerte diese Zusage und wurde in der Nacht vom 28. auf den 29. März im Schlaf von SA-Leuten erdrosselt. Anstifter war Gauleiter und Reichsstatthalter <lex id="bio-0064">Robert Wagner</lex>, der in der nationalsozialistischen Presse diesen Mord als Selbstmord darstellen ließ.
<div style="text-align:right;">''Ernst Otto Bräunche 2012''</div>
<div style="text-align:right;">''Ernst Otto Bräunche 2012/16''</div>
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==Literatur==
==Literatur==
Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptsstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur 1914-1945, in: Susanne Asche, Ernst Otto Bräunche, Manfred Koch, Heinz Schmitt, Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 358-502, S. 461 f; Günter Wimmer: Adam Remmeles Bericht über die „Schaufahrt“ und das KZ Kislau, in: Blick in die Geschichte, hrsg. von Manfred Koch, Bd. 4 2003-2008, Karlsruhe 2009, S. 204-208.
Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptsstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur 1914-1945, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 358-502, S. 461 f; Günter Wimmer: Adam Remmeles Bericht über die "Schaufahrt" und das KZ Kislau, in: Blick in die Geschichte, hrsg. von Manfred Koch, Bd. 4 2003-2008, Karlsruhe 2009, S. 204-208; Monika Pohl: Von Karlsruhe nach Kislau: die Schaufahrt ins Konzentrationslager am 16.5.1933, in: Baden-württembergische Erinnerungsorte, hrsg. von Reinhold Weber, Peter Steinbach, Hans-Georg Wehling, Stuttgart, 2012, S. 442 - 451.

Version vom 14. November 2018, 15:13 Uhr


Schaufahrt durch die Kaiserstraße zwischen Hirsch- und Douglasstraße am 16. Mai 1933, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 5/31b.

Schaufahrt vom 16. Mai 1933

Am 16. Mai 1933 wurden sieben prominente badische und Karlsruher Sozialdemokraten in einer von den Nationalsozialisten inszenierten Schaufahrt quer durch Karlsruhe in das als Konzentrationslager genutzte Gefängnis Kislau transportiert: der Polizeisekretär August Furrer, der Redakteur der Karlsruher SPD-Zeitung "Volksfreund" Sally Grünebaum, der Führer der Eisernen Front Gustav Heller, der Reichstagsabgeordnete, ehemalige badische Staatsrat und Landtagsabgeordnete Ludwig Marum, der ehemalige badische Minister, Staatspräsident und Landtagsabgeordnete Adam Remmele, dessen langjähriger persönlicher Referent Hermann Stenz sowie der Führer des Reichsbanners Erwin Sammet. Mit dieser sorgfältig vorbereiteten und inszenierten Schaufahrt erreichte der nationalsozialistische Terror in Karlsruhe nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 einen ersten Höhepunkt, sie war ein erstes Beispiel für den nationalsozialistischen Terror durch eine perfekt organisierte öffentliche Demütigung und Zurschaustellung der politischen Gegner.

Diese Form des Terrors gegen politische Gegner war 1933 noch durchaus singulär. Nur in Chemnitz war kurz nach der Reichstagswahl der SPD-Reichstagsabgeordnete Bernhard Kuhnt am 8. März auf einem von ebenfalls verhafteten SPD-Stadtverordneten gezogenen großen Handwagen von SA-Leuten flankiert durch die Straßen gezogen worden. Wesentlich spektakulärer und durch die bewusste Auswahl der sozialdemokratischen badischen Spitzenpolitiker Marum und Remmele sowie der lokalen Parteispitze deswegen auch singulär war die Aktion in der badischen Gauhauptstadt Karlsruhe. Sie wurde bewusst am Tag der Eröffnung des nach dem Ergebnis der Reichstagswahl widerrechtlich umgebildeten Landtags in Szene gesetzt. Zielgerichtet ging die Schaufahrt vom Gefängnis in der Riefstahlstraße an markanten Stellen der Demokratie und der Staatsmacht sowie der Arbeiterbewegung vorbei, dem Ständehaus, dem badischen Landtagsgebäude, dem Staatsministerium, dem Metallarbeitergewerkschaftshaus, dem Rathaus und dem Polizeipräsidium am Marktplatz. Deutlicher konnte man den verbliebenen nicht der NSDAP angehörenden Abgeordneten im Landtag und vor allem der Bevölkerung nicht demonstrieren, was mit denen passieren würde, die sich den neuen Machthabern widersetzten. Vor den Augen der Öffentlichkeit wurde der demokratische Rechtsstaat demontiert, die der beschämenden Aktion Ferngebliebenen konnten in der NS-Presse nachlesen, wie Repräsentanten der Demokratie widerrechtlich inhaftiert, verhöhnt und erniedrigt wurden.

Zeitungsmeldungen zufolge - auch in der noch nicht völlig gleichgeschalteten Presse – und durch Fotos belegt säumten tausende Schaulustige den Straßenrand. Der gesamte Auto- und Straßenbahnverkehr kam während der Durchfahrt der Polizeiwagen zum Erliegen. Widerstand oder offener Protest gegen diese unwürdige Behandlung erhob sich kaum, die wenigen Protestierenden wurden sofort verhaftet.

Nach und nach kamen die "Schutzhäftlinge" unter der Bedingung, sich nie mehr politisch zu betätigen und sich in festgelegten Abständen bei der Gestapo zu melden, wieder frei, zuletzt am 9. März 1934 Remmele und Stenz. Nur Ludwig Marum verweigerte diese Zusage und wurde in der Nacht vom 28. auf den 29. März im Schlaf von SA-Leuten erdrosselt. Anstifter war Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner, der in der nationalsozialistischen Presse diesen Mord als Selbstmord darstellen ließ.

Ernst Otto Bräunche 2012/16

Literatur

Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptsstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur 1914-1945, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 358-502, S. 461 f; Günter Wimmer: Adam Remmeles Bericht über die "Schaufahrt" und das KZ Kislau, in: Blick in die Geschichte, hrsg. von Manfred Koch, Bd. 4 2003-2008, Karlsruhe 2009, S. 204-208; Monika Pohl: Von Karlsruhe nach Kislau: die Schaufahrt ins Konzentrationslager am 16.5.1933, in: Baden-württembergische Erinnerungsorte, hrsg. von Reinhold Weber, Peter Steinbach, Hans-Georg Wehling, Stuttgart, 2012, S. 442 - 451.