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Sinner


Werkgelände der Firma Sinner in Grünwinkel, 1897, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS XIVf 18.

Sinner

Der Name Sinner bezeichnet ein im 19. und 20. Jahrhundert international tätiges Großunternehmen, das vornehmlich Nahrungs- und Genussmittel produzierte und heute vor allem für seine Bierherstellung bekannt ist. Als Firmengründer gilt der Chemiker Anton Sinner (1786-1861), der 1820 in Grünwinkel eine Brauerei und Essigsiederei, die zum Gut der Markgräfin Sybilla Augusta gehörten, pachtete. Nachdem Sinners Versuch, neben den bestehenden Anlagen zusätzlich eine Farbenfabrik aufzubauen, gescheitert war, beschränkte er sich auf den Betrieb der Essigsiederei und einer Bleizuckerfabrik (Blei(II)-acetat). 1845 übernahm dessen Sohn Georg Sinner (1823-1883) die Geschäftsführung und kaufte das Unternehmen vier Jahre später. Nach Aufgabe der Bleizuckerfabrik 1857 nahm Sinner die Herstellung von Stärkemittel auf. Hinzu kam in den 1860er-Jahren die Gründung einer neuen Brauerei und einer Presshefefabrik, was das Unternehmen am Ende des Jahrhunderts zum größten Arbeitgeber in der Region Karlsruhe und zum größten Spiritusproduzenten Deutschlands machte.

Nach der Übernahme der Firmenleitung durch Georg Sinners Sohn Robert (1850-1932) 1883 legte dieser mit der 1885 vollzogenen Umwandlung des Unternehmens von einer Offenen Handelsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft (Gesellschaft für Brauerei, Spiritus- und Presshefefabrikation vorm. G. Sinner AG) den Grundstein für dessen Internationalisierung. Das Gründungskapital betrug 2 Millionen Mark. Neben dem Betrieb der Großmühle in Grünwinkel, der Übernahme weiterer Fabriken, Brennereien und Raffinerien im In- und Ausland, investierte Sinner auch in eine eigene Reederei, mit der die Zufuhr von Rohstoffen auf eigenen Schiffen – neben der Eisenbahn – sichergestellt werden sollte. Die Produktion wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Back- und Puddingpulver, Vanillinzucker, Backmalz, Haferflocken, Suppenwürze und Stärke ausgeweitet. Hinzu kamen eine Obst- und Gemüsekonservendosen-Fabrik sowie eine Fabrik zur Herstellung von Protol, das zur Glycerin-Herstellung benötigt wurde. Durch die Aufkäufe der Karlsruher Brauerei Wilhelm Fels 1912, der Aktienbrauerei Altenburg in Sinzheim 1918 sowie der Mühlburger Brauerei AG 1920 wurde Sinner zu einer der größten badischen Brauereien. 1920 änderte das Unternehmen seinen Namen in Sinner AG. Um eine möglichst weitgehende unternehmerische Eigenversorgung zu gewährleisten, erfolgten 1923 die Eröffnung einer Flaschenfabrik und die Inbetriebnahme einer Druckerei.

Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile der Fabrikanlagen in Grünwinkel zerstört, sodass die Produktion erst ab 1950 – nun von Presshefe, Rohbranntwein, Bier, Mineralwasser, Limonade, Spirituosen, Backmitteln sowie Pudding-, Eis-, Creme- und Backpulver – wieder in Gang kam. Konzentrationsprozesse in der Brauindustrie führten dazu, dass die Sinner AG trotz ihrer Größe Ende 1972 von der Brauerei Moninger übernommen wurde und 1974 ihre Produktion einstellte. Allerdings erfolgte keine Auflösung der Firma, sondern ihre Umwandlung in eine Immobiliengesellschaft, die ihren Sitz im Moninger-Verwaltungsgebäude in der Zeppelinstraße hat und bis heute im Grundstücksgeschäft tätig ist.

René Gilbert 2015

Quellen

StadtAK 5/Grünwinkel B57; GLA 357/1879.

Literatur

Barbara Guttmann: Hopfen und Malz. Die Geschichte des Brauwesens in Karlsruhe, Karlsruhe 1998, S. 81-83 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 19) https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/literatur/stadtarchiv/HF_sections/content/ZZmoP4J3sb0PAe/Hopfen%20und%20Malz.pdf (Zugriff am 27. Dezember 2020); Manfred Fellhauer: Industrie, Handwerk und Gewerbe, in: Manfred Fellhauer, Manfred Koch, Gerhard Strack (Hrsg.): Grünwinkel. Gutshof, Gemeinde, Stadtteil, Karlsruhe 2009, S. 158-161; Peter Forcher: Zur Geschichte der Firma Sinner, in: ebenda, S. 168-178.