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Colosseum


Gruß vom Colosseum, Postkarte um 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVe 585.
Bau des Parkhauses in der Waldstraße auf dem ehemaligen Gelände des Colosseum, Februar 1960, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A7/3/5/4.

Colosseum

Ehemals Waldstraße 16-18.

Nachdem Karl Schrempp 1887 seinen Brauereibetrieb von der Waldstraße 16-18 in die neu erbaute Brauerei-Anlage in der Karlstraße 63-65 verlegt und 1889 sein Unternehmen in die Aktiengesellschaft Karlsruher Brauerei-Gesellschaft vormals Karl Schrempp umgewandelt hatte, ließ er die alten Brauerei- und Wirtschaftsgebäude in der Waldstraße abreißen und an ihrer Stelle 1890 ein Doppelhaus nach Plänen von Hermann Walder errichten. Die beiden dreigeschossigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit durchgehendem Mansardendach im Stil der italienischen Renaissance wiesen an ihrer Rückseite zwei langgestreckte Seitenflügel mit weiteren Nutz- und Wohnflächen auf. Über das Erdgeschoss beider Häuser erstreckten sich drei große Wirtschaftsräume – ein allgemeines Wirts-Lokal mit Büfett, ein Wirtschafts-Nebenzimmer und ein Gesellschafts-Lokal – sowie ein Ladengeschäft und das Kontor.

Nach Fertigstellung des Neubaus plante Schrempp als geschäftsführender Vorstand bereits um den Jahreswechsel 1890/91 die Errichtung eines zweigeschossigen Saalbaus mit zwei übereinanderliegenden Gesellschaftssälen und quadratischem Anbau für Funktionsräume, der in Verlängerung des rechten Seitenflügels entstehen sollte. Letztendlich wurde der Saalbau, der als Bindeglied zwischen dem eigentlichen Wirtschaftsgebäude und der künftigen Concerthalle, dem Colosseum, fungierte, nur eingeschossig mit Mansardendach ausgeführt. Schon im Februar 1891 reichte Schrempp die Pläne für den dreischiffigen Hallenbau ein, den, wie auch den Saalbau, Walder entworfen hatte. Mit 33 Metern Länge und 24 Metern Breite verfügte das Colosseum über eine Grundfläche von rund 800 Quadratmetern. Der Zuschauerraum vor der erhöhten Bühne wies zwei unterschiedliche Bodenniveaus auf: Während die Plätze in den Seitenschiffen und im hinteren Drittel der Halle ebenerdig angeordnet waren, führten wenige Stufen in das mittig gelegene Parkett hinunter. Im vordersten Parkettbereich, direkt bei der Bühne, nahm das Orchester seinen Platz ein. Anfang August 1891 war der Rohbau, zum Jahresende auch die aufwendige Innenausstattung der Halle fertig gestellt.

Am 1. Januar 1892 fand die Eröffnung des Karlsruher Colosseum (Theater Varieté) statt, in dem es fortan jeden Abend eine Vorstellung "von nur Künstlern 1. Ranges" zu sehen gab. Das Programm war äußerst gemischt und reichte von Luft- und Bodenakrobatik, Drahtseilkünstlern, Rollschuhläufern, Jongleuren und Kunstschützen über Kärntner Alpensängern, Jodlern, Kunstpfeiffern bis hin zu Komikern, Humoristen, Musikern und Sängern verschiedener Sparten. Seit 1910/11 gastierten auch regelmäßig ein oberbayerisches Bauerntheater und ein Frankfurter Intime Theater im Colosseum.

Bereits im März 1892 beantragte Karl Schrempp, dem seit 1880 auch das benachbarte Anwesen Waldstraße 20 gehörte, im hinteren unbebauten Teil der Hausnummern 18-20 einen Musikpavillon mit großem Biergarten errichten zu dürfen. Bei schönem Wetter fanden hier vor allem sonntags Konzertaufführungen statt. Das Colosseum-Theater, das als "einziges Groß-Varieté Badens" warb und schon bald auch Zuschauer aus der weiteren Umgebung anzog, unterhielt zeitweilig neben einem Direktor und einem Kapellmeister auch einen künstlerischen Leiter.

1908 kam es erstmals zu Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen, die vor allem die Einrichtung einer neuen Wirtschaftsküche im zweiten Obergeschoss mit elektrisch betriebenen Lasten- und Speisenaufzügen und einer über der Mansarde des Saalbaus angebrachten Transportgalerie, die mit einem mechanischen Transportband die Speisen zum Büfett des Colosseums transportierte, die dann von dort aus durch Kellnerinnen und Kellner unter den Gästen verteilt wurden, umfassten. Außerdem wurde der Zuschauerraum neu betischt und bestuhlt. 1920 und 1936 kam es zu weiteren Umbaumaßnahmen und Erneuerungen des Mobiliars.

Seit Beginn der 1920er Jahre fanden im Colosseum auch immer wieder Boxkämpfe statt, zunächst nach Art des auch auf der Karlsruher Messe veranstalteten Rummelboxen, dann nach der Gründung erster Boxvereine auch Wettkämpfe.

Nach Johann Raimond, Gustav Kiefer und Eugen Kistner wurde Paul Kraneis, langjähriger Leiter des Frankfurter Schumanntheaters, 1936 neuer Direktor des Colosseum-Theaters. Bis zum Herbst 1944 hielt er den Spielbetrieb mit täglich einer Abend- und am Wochenende einer Nachmittags- und Abendvorstellung aufrecht, die alle 14 Tage ein neues Varieté-Programm präsentierten. Beim schwersten Luftangriff auf Karlsruhe am 27. September 1944 wurden etliche Häuser in der Waldstraße, darunter auch die Anwesen der Brauerei Schrempp-Printz AG zerstört, der seit Mitte der 1920er-Jahre auch das Anwesen Waldstraße 14 gehörte. Gegen Ende der 1950er-Jahre verkaufte die Brauerei-Gesellschaft die Grundstücke Waldstraße 14-18 an die Stadt. Bis zum August 1960 entstand auf dem innerstädtischen Areal ein mehrgeschossiges Parkhaus mit Appartementwohnungen auf dem Dach, das noch heute unter dem Namen Parkhaus Passagehof besteht.

Katja Förster 2021

Quellen

StadtAK 1/BOA 2838; Anzeigen in Karlsruher Tageszeitungen zwischen 1892 und 1944 (Digitalisierte Zeitungen in der Badischen Landesbibliothek, https://digital.blb-karlsruhe.de/zeitungen/topic/view/2965491 (Zugriff am 9. Dezember 2021); Karlsruher Adressbücher 1887 ff., https://digital.blb-karlsruhe.de/Drucke/topic/view/485648 (Zugriff am 9. Dezember 2021).

Literatur

Manfred Koch: Freizeitvergnügen in Karlsruhe. Die Varietétheater Colosseum und Apollo, in: Blick in die Geschichte Nr. 127 vom 26. Juni 2020, https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick127/variete.de (Zugriff am 9. Dezember 2021); Tatjana de Heer: Varieté, Varieté. Die Geschichte des deutschen Varieté am Beispiel der Karlsruher Varietétheater von 1892-1933. Magisterarbeit am Institut für Theaterwissenschaft der Universität München, 1991 (StadtAK 8/StS 25/1).