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De:Lexikon:ins-0406: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14. November 2018, 15:32 Uhr


Blick auf das Gebäude der Museumsgesellschaft, um 1845, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 78/34d.

Museumsgesellschaft (Lesegesellschaft)

Im Zuge der Aufklärung und des aufkommenden Zeitungswesens entstanden in Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermehrt Gesellschaftsvereine, in denen das Bildungsbürgertum der anspruchsvollen literarischen bzw. politischen Lektüre nachging und anschließend zwanglos Konversation über verschiedene Themen betrieb. In Karlsruhe gründete sich ein solcher Verein, Lesegesellschaft genannt (nicht zu verwechseln mit der 1816 gegründeten Karlsruher Lesegesellschaft), am 3. Dezember 1784 als einer der ersten Karlsruher Gesellschaftsvereine überhaupt. Die Idee hierfür hatte der badische Hofrat Dominikus Ring, als er während einer Bildungsreise durch Deutschland und die Schweiz in mehreren größeren Städten Lesezirkel kennen und schätzen lernte. Nachdem Ring nach Karlsruhe zurückgekehrt war, entstand gemäß seinen Aufzeichnungen ein Konzept für eine solche Gesellschaft.

Die ersten Treffen der Lesegesellschaft fanden in der Gastwirtschaft Zum Goldenen Löwen des Wirts Jakob Nägele statt. Es wurden zwei Räume gemietet, von denen je einer als Lese- und Unterhaltungszimmer diente. Die Vereinssatzung sah vor, dass in der Regel nur Männer, die ein Studium absolviert hatten oder auf andere Weise zu Rang und Ansehen gekommen waren, Mitglied der Lesegesellschaft werden konnten. Somit hatten faktisch fast nur Angehörige des Adels, des Militärs, des höheren Beamtentums und des Bildungsbürgertums Zugang. Der Mitgliedsbeitrag, der in der Anfangszeit einen Gulden bei Aufnahme und 30 Kreuzer pro Monat betrug, trug zusätzlich zur Abgrenzung der Lesegesellschaft vom Stadtbürgertum bei. Bereits zwei Jahre nach Gründung zählte der Verein 106, 1791 schon 192 Mitglieder, darunter zwei Frauen. Die zahlreichen Neueintritte führten rasch zu Raumproblemen, sodass Nägele das Haus am Zirkel zwischen Adler- und Kreuzstraße kaufte und dort auf zwei Stockwerken einen repräsentativen Treffpunkt mit Bibliothek, Lesezimmer und Gaststube für die Lesegesellschaft zur Verfügung stellen konnte.

Im Zuge der revolutionären Ereignisse in Frankreich kam es Ende der 1790er-Jahre zu einem Wandel im Selbstverständnis der Lesegesellschaft. Um den Verdacht auszuräumen, eine Stätte revolutionären Gedankenguts zu sein, verstand sie sich nun nicht mehr in erster Linie als Verein für den politisch-literarischen Austausch, sondern als Ort der schönen Künste.

Unter dem neuen programmatischen Namen Museum bezog die Gesellschaft 1808 ein angemietetes Gebäude an der Nordostecke des Marktplatzes, 1813 folgte die Fertigstellung des von Friedrich Weinbrenner erbauten eigenen Gesellschaftshauses in der Langen Straße (heute Kaiserstraße 90). Das dreistöckige Gebäude (heute Filiale der Deutschen Bank) umfasste einen Tanz- und Konzertsaal, Speise- und Buffeträume, ein Spielzimmer für Billard und Schach sowie sechs große Leseräume. Einige besonders Kunstinteressierte unter den mittlerweile 340 Mitgliedern gründeten 1818 den Badischen Kunstverein, der bis 1823 seinen Sitz im Museumsgebäude hatte.

In den folgenden Jahrzehnten richtete die Museumsgesellschaft, die Mitte des 19. Jahrhunderts rund 700 Mitglieder zählte, regelmäßig Feste, Bälle und Konzerte aus. Zu den bekanntesten Veranstaltungen gehörten die Konzerte des Hoftheaterorchesters, das mehrere Beethoven-Sinfonien sowie die Erste Sinfonie von Johannes Brahms am 4. November 1876 uraufführte.

Der Wandel Karlsruhes von der Hof- und Beamtenstadt zum Industrie- und Handelszentrum in Verbindung mit einer sich ändernden Gesellschaftsstruktur führte um 1900 zu einem deutlichen Rückgang an Mitgliedern und Aktivitäten der Museumsgesellschaft. Verschärft wurde diese Entwicklung durch einen Großbrand, der das Museumsgebäude 1918 zerstörte. Der Verein fand im Erdgeschoss des Prinz-Max-Palais eine neue Unterkunft. Nachdem die Mitgliederzahlen in der Weimarer Republik nach kurzer Erholung erneut gesunken waren und die Museumsgesellschaft für den Großteil der Bevölkerung nicht mehr zeitgemäß erschien, wurde sie 1940 schließlich aufgelöst.

René Gilbert 2015

Quellen

GLA 69 Museum, 206/3216a-b, 447/1-2, 447/9; StadtAK 2/R 967, 8/StS 5/9 und 77.

Literatur

Claudine Pachnicke: "Geschlossene Gesellschaft", Lesegesellschaft und Museum, in: Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons, hrsg. vom Württembergischen Landesmuseum, Stuttgart 1987, Bd. 2, S. 1035-1040; Peter Pretsch: Karlsruher Vereine. Die Museumsgesellschaft, in: Manfred Koch/Leonhard Müller (Hrsg.): Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 1988-1993, Karlsruhe 1994, S. 186-190; Christina Wagner: Von der Stadtgründung zur großherzoglich badischen Haupt- und Residenzstadt 1715-1806, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe – Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 147-151; Susanne Asche: Residenzstadt – Bürgerstadt – Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum 1806-1914, in: ebd., S. 218-221, 261.