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Residenz-Anzeiger


Residenz-Anzeiger

In Karlsruhe erschien vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 eine Vielzahl von Zeitungen, zu denen der Residenz-Anzeiger gehörte, der am 5. Oktober 1918 (Nr. 41, 9. Jg., 5.-11. Oktober 1918) erstmals erschien. Er geht auf das 1909 von dem Redakteur Georg Vix gegründete Karlsruher Fremdenblatt. Konzert- und Theater-Zeitung zurück, das regelmäßig den Spielplan des Großherzoglichen Hoftheaters vorstellte, ausführlich über aktuelle Aufführungen des Hauses berichtete und auch die Veranstaltungen der beiden Residenztheater in der Waldstraße und im Grünen Hof in Durlach berücksichtigte. Georg Vix, selbst Sänger und von 1900 bis 1905 Leiter für den Anzeigenteil der Badischen Landeszeitung, finanzierte das Blatt vor allem über Inserate und Reklamen.

Als Vix 1912 von Karlsruhe wegzog, übernahm Buchdruckereibesitzer Christian Faaß Redaktion, Druck und Verlag des Fremdenblatts, das erstmals im Karlsruher Adressbuch von 1912 (Stand: Mitte Oktober 1911) angeführt ist. Mit der Wochenausgabe Nr. 29, 8. Jg., 14.-20. Juli 1917 begann die Umwandlung der in einer wöchentlichen Hauptausgabe und einer täglichen Nebenausgabe erscheinenden Konzert- und Theaterzeitung in eine lokale Tageszeitung mit Kulturteil. Etwa zur selben Zeit setzten auch die regelmäßigen Beiträge des Theaterkritikers Adam Röder alias „Monti“ und des Mundartautors Fritz Römhildt alias „Dr. Diftler aus Rüppurr“ ein, verantwortlich für die Gesamtredaktion zeichnete weiterhin der Herausgeber und Verleger Christian Faaß.

Die erweiterte Berichterstattung über „Stadt, Land und Reich“ (Nr. 31, 8. Jg., 28. Juli-3. August 1917) bescherte dem Verlag in den nächsten zwölf Monaten eine deutliche Auflagensteigerung sowohl im Einzelverkauf als auch mit rund 2.000 neuen Abonnenten im Festbezug. Zum Quartalswechsel Anfang Oktober 1918 benannte Faaß die Zeitung, die nach seinen eigenen Worten in der letzten Nummer des Fremdenblatts (Nr. 40, 9. Jg., 28. September-4. Oktober 1918) über alle für die Stadt wichtigen Belange informiere und sich daher nicht mehr an die „Fremden“, sondern an die „Einheimischen“ richte, in Residenz-Anzeiger um. Der bisherige Name rückte – um „Unabhängiges Organ für kommunale Angelegenheiten, Gewerbe, Handel und Industrie“ ergänzt – in die Untertitelzeile, wurde Mitte der 1920er-Jahre gestrichen und kehrte Anfang 1929 in verkürzter Form als Konzert- und Theaterzeitung zurück.

Mit der Namensänderung ging auch eine redaktionelle Änderung einher: Der nationalliberale Julius Beeser, seit 1896 als Redakteur und Schriftleiter bei verschiedenen Zeitungen tätig, zeichnete künftig für die Redaktion und den weiteren Ausbau der Tageszeitung verantwortlich. Zu Beginn der 1920er-Jahre übernahm Kurt Faaß, der Sohn des Verlegers, die Leitung des Anzeigenteils. Anfang Juli 1923 kam mit Hermann Karl Ritter, einem Privatlehrer für Sprachen, noch ein weiterer Mitarbeiter dazu. Während Chefredakteur Beeser für Politik und Feuilleton zuständig war, übernahm Ritter Handel, Gewerbe, Lokales, Badische Chronik, Vermischtes und Letzte Nachrichten und Kurt Faaß außer den Anzeigen noch den Sport. Ein „schwerer Konflikt mit dem Verleger“ (Volksfreund vom 18. März 1929) führte im März 1924 zum sofortigen Ausscheiden von Beeser, Ritter und dem freien Mitarbeiter Röder.

Bis zur Wiedereinstellung Beesers im März 1929 waren verschiedene Redakteure beim Residenz-Anzeiger tätig: Franz Mohr (1923-1928), Fritz Neck (1923-1926), Dr. phil. Albert Fuhr (1926/27), Hans Schwarzer (1927-1929) und Gustav Hilger (1928/29). Anzeigen und Sport blieben bis 1930 in Faaß’ Zuständigkeitsbereich, dann fungierte er nur noch als Herausgeber und Verleger der Zeitung, die samt Druckerei nach dem Tod seines Vaters im Oktober 1926 an ihn übergegangen war.

Mit Beeser, der 1929 zum zweiten Mal Hauptschriftleiter des Residenz-Anzeigers wurde und für Politik und Volkswirtschaft verantwortlich war, kehrte eine gewisse Beständigkeit in das Unternehmen ein. Mit ihm war auch Adam Röder als freier Mitarbeiter für Theater, Kunst und Kulturpolitik an das Blatt zurückgekommen. Lokales, Badische Chronik, Sport und Vermischtes übernahm schon bald Otto Schmieder, der 1932 durch Ludwig Arnet abgelöst wurde. Nachfolger des zum Jahresende 1937 ausscheidenden 72-jährigen Beesers wurde Carl Fürst, der spätestens seit 1936 über Politik, Kulturpolitik und Wirtschaft im Anzeiger berichtete.

Die nationalistische Ausrichtung des Blattes und seine provokante, gelegentlich geradezu hetzerische Sprache rückte es in die Nähe des seit November 1927 erscheinenden NSDAP-Gauorgans Der Führer. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Ende Januar 1933 vergrößerte der Residenz-Anzeiger sein bisheriges Verbreitungsgebiet Mittelbaden noch um die Hardt und die Vorderpfalz. Die Beilagen, die seit 1924 regelmäßig erschienen, wurden in den 1930er-Jahren zunehmend Spiegel der nationalsozialistischen Ideologie. 1935 lauteten sie: Unterhaltung / Der Sonntag / Frau und Kind / Unsere Hitlerjugend / Natur und Technik / Reisen und Wandern und 1938: Der deutsche Soldat / Unser Arbeitsdienst / Unsere Hitlerjugend / Frau und Kind / Natur und Technik / Reisen und Wandern.

Während der Volksfreund am 18. März 1933, die Karlsruher Zeitung am 30. Dezember 1933, die Badische Zeitung am 18. Januar 1934, der Badische Beobachter am 31. Dezember 1935 und das Karlsruher Tagblatt am 30. April 1937 ihren Betrieb einstellen mussten, konnte der Residenz-Anzeiger und Rhein-Bote – so firmierte die Zeitung seit Anfang 1935 infolge der Fusion mit der seit 1922 oder 1923 im selben Verlag erscheinenden Tageszeitung Rheinbote – dank der regimetreuen Ausrichtung noch bis 1940 in Mittelbaden und der Vorderpfalz erscheinen. Im Karlsruher Adressbuch von 1940 (Stand: Ende Januar 1940) ist er ein letztes Mal belegt. Kriegswirtschaftliche Maßnahmen sollen in diesem Jahr zur Einstellung der Zeitung geführt haben.

Katja Förster 2021

Quellen

Karlsruher Fremdenblatt. Konzert- und Theaterzeitung (Nr. 5, 7. Jg., 29. Januar-4. Februar 1916 bis Nr. 40, 9. Jg., 28. September-4. Oktober 1918); Residenz-Anzeiger (Nr. 41, 9. Jg., 5.-11. Oktober 1918 bis Nr. 303, 26. Jg., 31. Dezember 1935), StadtAK 8/Ze 10; Sperling Zeitschriften- und Zeitungs-Adressbuch. Handbuch der deutschen Presse, Bd. 61, 1939, S. 394.; Carl Schneider: Handbuch der deutschen Tagespresse. Institut für Zeitungswissenschaft, Berlin 1937, S. 6; Verfasser- und Sachverzeichnis der „Deutschen Presse“ 1938, Bd. 28, S. 41 (Personalien / Julius Beeser); Karlsruher Adressbücher 1912 ff., https://digital.blb-karlsruhe.de/Drucke/topic/view/485648 (Zugriff am 1. August 2021).

Literatur

Konrad Dussel: Pressebilder in der Weimarer Republik: Entgrenzung der Information, Münster 2012 (= Kommunikationsgeschichte Bd. 29).