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Waisenhaus in der Stösserstraße

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Eröffnung des Waisenhauses, im Vordergrund das Großherzogliche Fürstenpaar Friedrich I. und Luise, 1899, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS XIVa 517.

Waisenhaus in der Stösserstraße

Das erste Karlsruher Waisenhaus war 1848/49 nach Plänen von Hofbaumeister Karl Küntzle vor dem Karlstor errichtet worden. Der baufällige Zustand des Hauses und der Umstand, dass die soziale Einrichtung inzwischen von vornehmen Villen umgeben war, deren Besitzer diese als störend empfanden, veranlasste den Verwaltungsrat der Waisenhausstiftung, das Anwesen zu veräußern und dafür einen Neubau in Mühlburg zu errichten. Architekt Emil Schweickhardt konzipierte das für 84 Kinder vorgesehene Gebäude in der Stösserstraße 17 als zweigeschossigen Längstrakt mit repräsentativer Schauseite im Stil der deutschen Renaissance, während die von der Straße abgewandte Seite nach rein funktionellen Gesichtspunkten als Dreiflügelanlage konzipiert war. Bei der Eröffnung des Waisenhauses am 18. Oktober 1899 waren Großherzog Friedrich I., seine Gattin Luise von Preußen und weitere Mitglieder der badischen Fürstenfamilie, die seit der Gründung des Lokalwaisenfonds 1832 reges Interesse an der wohltätigen Einrichtung zeigte, anwesend.

Aufnahmebücher oder Rechenschaftsberichte des Hausverwalters sind nicht erhalten. Die Kinder besuchten die Schulen in Mühlburg. Die Knaben blieben bis zur Schulentlassung in der Einrichtung, die Mädchen noch zwei weitere Jahre, in denen sie hauswirtschaftliche und zum Teil auch erzieherische Aufgaben übernahmen.

Da die gesellschaftliche Entwicklung im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einer deutlichen Abnahme von Voll- und Halbwaisen und einer starken Zunahme von „Sozialwaisen“ führte, hatte der Verwaltungsrat nach 1900 zunehmend größere Schwierigkeiten mit der Belegung des Hauses. Die Übernahme von Zöglingen aus dem völlig überfüllten Städtischen Kinderheim in der Sybelstraße während des Ersten Weltkriegs wirkte nur vorübergehend der Problematik entgegen. Seit 1922 war die Waisenhausstiftung auf die Zuweisung von Kindern durch das städtische Fürsorgeamt angewiesen, welches aber eine rasche Rückführung des Kindes in die Familie oder dessen Weitervermittlung an eine Pflegestelle verfolgte.

Als Ende der 1920er-Jahre die Zuweisung von Kindern ausblieb, stellte die Stiftung zum 31. März 1931 den Heimbetrieb ein und vermietete das Gebäude zunächst für Schulzwecke an die Stadt, bevor sie dann das Anwesen Stösserstraße 17 zum Jahresende 1940 an die benachbarte Firma Kondimawerk Engelhardt & Heiden zur Erweiterung der Betriebsanlage verkaufte. Bis heute nutzt das auf die Herstellung von Halbfabrikaten für das Konditoreigewerbe und die Süßwarenindustrie spezialisierte Unternehmen KONDIMA Engelhardt GmbH & Co. KG das denkmalgeschützte Gebäude. 1958 wurde die Waisenhausstiftung, die dem Kinderheim seit 1937 regelmäßig größere Zuwendungen aus Zinserträgen zukommenließ, aufgelöst und ihr Vermögen zweckgerichtet den Vereinigten Stiftungen der Stadt Karlsruhe übertragen.

Katja Förster 2020

Quelle

Datenbank der Kulturdenkmale, https://web1.karlsruhe.de/db/kulturdenkmale/detail.php?id=01999 (Zugriff am 20. Dezmber 2020).

Literatur

Katja Förster: Heimerziehung in Karlsruhe. Von der Waisenanstalt zum Kinder- und Jugendhilfezentrum. Mit einem Beitrag von Angelika Sauer, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe und der Heimstiftung Karlsruhe durch Manfred Koch, Karlsruhe 2004 (= Häuser- und Baugeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 4).