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Justizvollzugsanstalt (ehemals Amtsgefängnis II)

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Amtsgefängnis II (heute Justizvollzugsanstalt), rechts davon das ebenfalls von Durm geplante und 1899-1902 erbaute Oberlandesgericht in der Hoffstraße 10, um 1910, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 3/VI/7b.

Justizvollzugsanstalt (ehemals Amtsgefängnis II)

Das Amtsgefängnis im Rathaus mit 38 Zellen und das Amtsgefängnis I im Hinterhof des 1877 errichteten Justizgebäudes in der Linkenheimer Straße (heute Hans-Thoma-Straße) 7 mit 29 Zellen konnten den tatsächlichen Bedarf an Gefängniszellen für die in den 1880er-Jahren durchschnittlich 80 Inhaftierten nicht decken. Außerdem befand sich das alte Amtsgefängnis baulich in einem völlig unzureichenden Zustand. Das Großherzogliche Bezirksamt verzichtete daher 1888 ausdrücklich bis auf Weiteres auf ein eigenes Gebäude zugunsten des dringend erforderlichen Gefängnisbaues, mit dessen Planung Oberbaudirektor Josef Durm 1889 betraut wurde. Raumprogramm und -konzeption des neuen Amtsgefängnisses II, das im neu erschlossenen Hardtwald-Stadtteil im Westen der Stadt (Riefstahlstraße 9) errichtet wurde, hatte der badische Justizbeamte Eugen von Jagemann ausgearbeitet, dem das 1875-1880 im St. Petersburger Stadtzentrum als Repräsentationsbau entstandene Untersuchungsgefängnis (Schpabernaia) als Vorbild diente.

Um die vornehme, von Villen und Repräsentationsbauten geprägte Gegend durch den Gefängnisbau nicht zu stören, behandelte Durm lediglich die vier zum Gefängnishof gerichteten Fassaden als solche, während die Außenfassaden des 1894-1897 errichteten Gebäudes einem renaissancistischen Palazzo gleichen. Vier Flügel werden über "Viertelrundbauten" (Durm) an den Ecken zu einer geschlossenen Rechteckanlage verbunden. Um den erhabenen Eindruck nach außen zu erreichen, ordnete Durm sämtliche 124 Gefangenenzellen in Hochparterre, erstem und zweitem Obergeschoss zum 30 x 59 Meter großen Innenhof an, der in einen südlichen Hofbereich für männliche, einen nördlichen für weibliche Gefangene und einen mittleren für die Umfahrt von Gefangenenwagen unterteilt war. Nahezu ungegliedertes Mauerwerk mit kleinen Fensteröffnungen charakterisiert die durch die Oberlichter des Kellergeschosses vierstöckig wirkenden Innenhoffassaden. Im Inneren besitzen nur das Unter- und das hoch gelegene Erdgeschoss einen breiten Korridor. Vor den Zellen der beiden Obergeschosse dagegen befindet sich jeweils eine schmale durchlaufende Eisengalerie, wodurch der Architekt bei der Gestaltung der Außenfassaden und Anordnung der Fenster völlig frei verfahren konnte. Große Biforien- und kleine Triforienfenster prägen das äußere Erscheinungsbild.

Mit 124 Einzelzellen glaubte man ausreichend Vorsorge getroffen zu haben, zumal das Amtsgefängnis I mit 41 Zellen weiterhin bestand. Allerdings stieg die Zahl von Untersuchungs- und Strafgefangenen relativ rasch an, so dass eine Doppelbelegung der Zellen im Amtsgefängnis II zur Norm wurde. Von 1925-1945 hieß die Strafanstalt Bezirksgefängnis II. Nach Kriegsende 1945 wurden in die Untersuchungsanstalt, die ab 1954/55 Männergefängnis und Untersuchungsanstalt, seit 1977 Justizvollzugsanstalt (JVA) heißt, nur noch männliche Gefangene aufgenommen. Von bis zu 400 Inhaftierten in den ersten Nachkriegsjahren sank die Zahl bis 1953 auf 170 Personen. Eine Überbelegung kennzeichnet bis heute den Anstaltsbetrieb, der durch bauliche Veränderungen auf 111 Haftplätze reduziert wurde. Der JVA sind heute mit der Jugendarrestanstalt Rastatt und dem Frauengefängnis Bühl zwei Außenstellen zugeordnet.

Katja Förster 2015

Quellen

GLA 234/13503-13520, 13554, 13827; StadtAK 1/BOA 1363, 8/PBS XV 830.

Literatur

Josef Durm: Das neue Amtsgefängniß in Karlsruhe, in: Centralblatt der Bauverwaltung, hrsg. im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, 17. Jg., Nr. 49, 4.12.1897, S. 549-552; Reiner Haehling von Lanzenauer: Das Karlsruher Gefängnis. Ein Neurenaissancebau von Josef Durm, in: Manfred Koch/Leonhard Müller (Hrsg.): Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 1998-2003, Bd. 3, Karlsruhe 2004, S. 321-323.