Menü
Suche

Städtische Pfandleihe


Blick aus der Schwanenstraße auf die Pfandleihe, um 1907, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 42/173.

Städtische Pfandleihe

Nachdem Mannheim 1809 und Freiburg 1810 die ersten öffentlichen Leihhäuser im Großherzogtum Baden erhalten hatten, kam es auch in der Residenz- und Landeshauptstadt Karlsruhe am 12. Dezember 1812 zur Gründung einer Leihanstalt. Im September 1813 wurde sie in einem der fertig gestellten Hintergebäude des Rathausneubaus in der Schloßstraße (heute Karl-Friedrich-Straße) eröffnet. Eine Satzung legte das genaue Prozedere bei der Beleihung sowie die Berechnung von Darlehen, Gebühren und Zinsen fest. 1881 fusionierte die Pfandleihe mit der seit 1816 angeschlossenen "Ersparniskasse" zur Städtischen Spar- und Pfandleihkasse.

Da die Stadtverwaltung um 1900 den Raum im Rathaus dringend selbst benötigte, andererseits ein Pfandhaus ein spezielles Raumprogramm mit großem Magazin, kleineren Verwahrräumen, Versteigerungssaal, Annahmestelle und Kundenraum brauchte, entschied sich die Stadt 1904 für einen Neubau. Als Standort bot sich aus zweierlei Gründen die Schwanenstraße im Dörfle an: Zum einen hatte die Stadt dort in den 1880er-Jahren für die Erweiterung des alten Spitals die Anwesen Nr. 2-16 erworben und die baufälligen Häuser Nr. 8-16 bereits abreißen lassen; durch den 1903-1907 errichteten Neubau des Städtischen Krankenhauses in der Nordweststadt konnten die Bauplätze nun anderen öffentlichen Zwecken zugeführt werden. Zum anderen nutzte die im Dörfle und in der nahegelegenen Südstadt wohnende Bevölkerung die Pfandleihe am häufigsten.

Im Februar 1905 wurde der Leiter des Städtischen Hochbauamts, Stadtbaurat Wilhelm Strieder, mit der Planung des Städtischen Leihhauses beauftragt. Da er mangels bisher realisierter Bauten auf keinen verbindlichen Bautypus zurückgreifen konnte, orientierte er sich bei der Konzeption am zeitgenössischen Archiv- und Bibliotheksbau, bei dem ebenfalls eine räumliche Trennung von Publikumsverkehr und Magazinaufbewahrung erforderlich war. Strieder, dem ein Kostenrahmen von 120.000 Mark vorgegeben war, entwarf einen sehr funktionellen und soliden Bau in dem für sein Werk charakteristischen Neorenaissancestil. Das Leihhaus setzte sich aus zwei im rechten Winkel zueinander angeordneten Längsbauten zusammen, deren Dachfirste auf gleicher Höhe lagen. Im zweistöckigen, traufständig ausgerichteten Vordergebäude befand sich im Erdgeschoss der Kundenraum mit der Annahmestelle und im Obergeschoss der Versteigerungssaal. Im ausgebauten Dachgeschoss war die Hausmeisterwohnung untergebracht. Indem Strieder für die Geschossebenen im Vorderhaus eine Höhe von fünf Metern wählte, was den Raumeindruck der beiden Hauptsäle aufwertete, war es ihm zugleich möglich, im rückseitig angeschlossenen Magazinbau die Geschosshöhen zu halbieren und dadurch die Geschossanzahl zu verdoppeln. Den drei Ebenen im Vorderbau entsprachen sechs Etagen à 126 Quadratmeter im Magazintrakt, was eine Lagerfläche von insgesamt 756 Quadratmetern ergab. Am Außenbau des Magazins behielt Strieder allerdings die Dreigeschossigkeit bei, indem er die Fenster von je zwei übereinanderliegenden Geschossen als eine langgestreckte schmale, von rotem Haustein gerahmte Fenstereinheit behandelte.

Nach einjähriger Bauzeit nahm die städtische Pfandleihe am 13. August 1906 in der Schwanenstraße 8 (heute Markgrafenstraße 29) den Betrieb auf. Im Ersten Weltkrieg diente der Versteigerungssaal, heute Lesesaal des Stadtarchivs als Annahmestelle für "Liebesgaben" (Kriegsspenden). Die um die Jahrhundertwende begonnene rückläufige Tendenz im Pfandleihwesen setzte sich – abgesehen von einem kurzzeitigen Anstieg Ende der 1920er-Jahre infolge der Weltwirtschaftskrise – kontinuierlich fort und führte zum 31. März 1941 zur Schließung der Einrichtung. Der Magazintrakt überstand den Zweiten Weltkrieg dank seiner Eisenbetonkonstruktion nahezu unbeschädigt. Das Dachgeschoss des Vorderhauses dagegen wurde bei einem Luftangriff im Dezember 1944 durch Feuer zerstört. Nach seinem Wiederaufbau in veränderter Form durch das Städtische Hochbauamt 1949 wurde die Wohnung von der Sparkasse vermietet, ab 1962 an den Hausmeister der benachbarten Gewerbeschule. Die Schule richtete in dem ansonsten leer stehenden Gebäude aus akutem Raummangel in den 1960er-Jahren einige Werkstatträume ein, auf die sie in den folgenden Jahrzehnten nicht verzichten konnte. Nur deswegen blieb der Bau, dessen Abbruch seit 1960 im Rahmen der Altstadtsanierung quasi beschlossene Sache war, bestehen. Seit 1974 war er das einzige noch vorhandene Gebäude in der Schwanenstraße, die 1977 aufgehoben wurde. Dank eines gewandelten öffentlichen Verständnisses für historische Bausubstanz beschloss der Gemeinderat 1987 seine Erhaltung und künftige Nutzung durch das im Technischen Rathaus nur notdürftig untergebrachte Stadtarchiv, das nach Umbauarbeiten im Oktober 1990 den Betrieb aufnahm.

Katja Förster 2015

Literatur

Gerhard Kabierske: Von der Pfandleihe zum Stadtarchiv, in: Ernst Otto Bräunche/Peter Eisemann/Gerhard Kabierske/Bernhard Schmitt: Von der Pfandleihe zum Stadtarchiv, Karlsruhe 2013, S. 8-25 (= Häuser- und Baugeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 12).