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Marktplatz


Der Marktplatz in seiner klassizistischen Gestalt vor 1890, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIIIb 240.
Der Marktplatz in seiner ursprünglichen Funktion mit Blick zum Schloss, 1924, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIIIb 201.
Der Marktplatz mit dem fertiggestellten Kaiserkarree im Hintergrund rechts, im Vordergrund die der Rose des Straßburger Münsters nachempfundene Rosette, die der Platzumgestaltung nach dem Bau der U-Strab zum Opfer fiel, 2011, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Worch 423.
Der neugestaltete Marktplatz mit Blick gen Süden, im Vordergrund die Wasserspiele, rechts Zugänge zur unterirdischen Haltestelle, April 2022, Foto: Monika Müller-Gmelin, Presse- und Informationsamt Karlsruhe.
Blick von Westen auf den neugestalteten Marktplatz, links die Wasserspiele, vorne Zugänge zur unterirdischen Haltestelle, April 2022, Foto: Monika Müller-Gmelin, Presse- und Informationsamt Karlsruhe.

Marktplatz

Schon bald nach der Stadtgründung von Karlsruhe 1715 stand fest, dass der Marktplatz als bürgerliches Pendant zum Schlossplatz in dessen axialer Verlängerung an der südlichen Stadtperipherie entstehen sollte. Die Straße von Durlach nach Mühlburg (heute Kaiserstraße) öffnete sich an dieser Stelle nach Süden in einen querrechteckigen Platz, der im Osten vom Gymnasium illustre (1824), im Westen vom Rathaus (1728/29) und im Süden von der Konkordienkirche (1719-1722) und ihren 1831 fertig gestellten Anbauten, dem Pfarrhaus im Osten und der Volksschule im Westen, gefasst wurde. Hinter der Kirche, vom Marktplatz aus nicht einsehbar, lag der evangelisch-lutherische Friedhof.

Bei der seit den 1760er-Jahren diskutierten Stadterweiterung bildete die Vergrößerung des Marktplatzes auf Kosten der Konkordienkirche und des Friedhofs einen zentralen Punkt. Verschiedene renommierte Baumeister, darunter Philippe de La Guêpière, Pierre Michel d’Ixnard, Nicolas Alexandre Salins de Montfort und Mauritio Pedetti, legten bis 1790 Entwürfe für die Neugestaltung des Platzes vor. Um 1800 entschied sich jedoch Markgraf Karl Friedrich für den 1797 von Friedrich Weinbrenner entworfenen Generalbauplan, bei dem die Nord-Süd-Achse des fächerförmigen Stadtgrundrisses durch die Abfolge von Markt-, Rondell- und Ettlinger-Tor-Platz als so genannte Via Triumphalis im klassizistischen Stil bis zur Kriegsstraße ausgebaut werden sollte.

Innerhalb des neuen, in seiner Breite mehrfach variierenden Straßenzugs fiel dem Marktplatz die wichtigste Rolle zu. Weinbrenner unterteilte das Areal in einen nördlichen, annähernd quadratischen und einen südlichen längsrechteckigen Platzbereich, an dessen östlicher und westlicher Seite die neue Evangelische Stadtkirche und das neue Rathaus stehen sollten. Im Rückgriff auf Vitruvs klassische Trias dorisch – ionisch – korinthisch standen dem Gotteshaus, für dessen Schauseite der Architekt die Form eines römischen Tempels wählte, die korinthische Formensprache, dem gegenüberstehenden Rathaus als kommunalem Zentrum die ionische und dem die "Via Triumphalis" abschließenden Stadttor die dorische Ordnung zu. Zwischen Kirche und Rathaus wurde 1823/24 in Verlängerung zur Pyramide, die nach dem Abbruch der Konkordienkirche über der Gruft des Stadtgründers errichtet worden war, das Großherzog-Ludwig-Denkmal aufgestellt, das zugleich als Marktbrunnen diente und an die erste städtische Quellwasserleitung erinnerte.

Für die Wohn- und Geschäftshäuser, die den Marktplatz an den übrigen Seiten als "Platzwände" (Everke) umfassen sollten, hatte Weinbrenner zwei unterschiedliche Fassadensysteme entworfen. Die Häuser, die nördlich von Kirche und Rathaus anstelle des Gymnasiums und des alten Rathauses entstanden, wurden zum Marktplatz hin nach dem größeren Marktplatzmodell ausgeführt. Sie waren viergeschossig und enthielten im Erdgeschoss Läden oder Geschäftszimmer, im darüber liegenden Zwischengeschoss Vorratsräume und im oberen Voll- und abschließenden Halbgeschoss Wohnungen. An der Nord- und Südseite des Marktplatzes, also entlang der Langen Straße (heute Kaiserstraße) und der Lyzeumsstraße (heute Hebelstraße), waren Fassaden nach dem kleineren, dreigeschossigen Marktplatzmodell vorgesehen, bestehend aus zwei Voll- und einem abschließenden Halbgeschoss. Die Häuser an der Lyzeumsstraße – das östliche mit der Tabakfabrik Griesbach und das westliche mit dem späteren Gasthaus Zum Kaiserhof – wurden, wie eine Zeichnung um 1835 belegt, in dieser Weise auch ausgeführt. An der Nordseite des Marktplatzes aber übernahm nur das nordwestliche, 1818 errichtete Gebäude mit dem Gasthaus Zum Schwarzen Bären, das um 1830 Zum Englischen Hof umbenannt wurde, die vorgeschriebene Dreigeschossigkeit. Das gegenüberliegende Wohn- und Geschäftshaus dagegen, das erst zwölf Jahre nach Weinbrenners Tod 1838 erbaut wurde, entstand nach dem größeren Modell.

Bis ins ausgehende 19. Jahrhundert konnte der Marktplatz seine homogene Erscheinung bewahren. Dann aber führte der überdimensionierte neobarocke Bau des Großherzoglichen Bezirksamts (1896-1899; heute Polizeirevier Karlsruhe-Marktpatz) an der Stelle der ehemaligen Griesbachschen Tabakfabrik nach Plänen von Josef Durm zu einer auffälligen Dissonanz im Platz- und Straßenbild.

Bis auf das einstige Wohn- und Geschäftshaus von Jakob Kusel an der Ecke Marktplatz und westliche Zähringerstraße und das ehemalige Bezirksamt wurden die Gebäude am Marktplatz beim Luftangriff vom 27. September 1944 weitgehend zerstört. Bereits 1946 entschied die Stadt, den klassizistischen Stadtkern in seinem äußeren Erscheinungsbild wiederaufzubauen, das Raumprogramm der Gebäude aber den neuen, zeitgemäßen Bedürfnissen anzupassen. Abgesehen von den Neubauten im Stil der 1950er-Jahre entlang der Kaiserstraße rekonstruierte man das historische Gebäudeensemble mit wenigen Abweichungen.

Das von Erich Schelling entworfene Volksbankgebäude in der Kaiserstraße 74 musste 2010/11 einem Neubau, dem so genannten Kaiserkarree, weichen, der an Weinbrenners kleineres Marktplatzmodell erinnern soll. Noch heute umsäumen Ladengeschäfte, Restaurants, Cafés und Hotels den Marktplatz. Ebenso dient das innerstädtische Areal noch immer als Marktplatz und Versammlungsort für verschiedene Anlässe. Als Verkehrsknotenpunkt wurde der Platz, der seit Anfang der 1970er-Jahre autofrei und seit Dezember 2021 im Rahmen der Kombilösung auch straßenbahnfrei ist, mehrfach umgestaltet.

Im Zuge der letzten Neugestaltung, feierlich begangen am 10. Oktober 2020, wurde der Marktplatz mit einem Belag aus hellem, mit der Zeit nachdunkelndem Granit aus Portugal gepflastert. Als Ausgleich für die aufheizende Wirkung des komplett versiegelten Bodens und für das fehlende Grün - die unterirdische Infrastruktur sowie die Wahrung der klassizistischen Platzgestaltung machen eine Pflanzung von Bäumen problematisch - wurden zur Verbesserung des Mikroklimas an der Nordseite ebenerdige Wasserspiele mit 31 Fontänen installiert, deren zerstäubender Wasserdunst die um die Pyramide stehende Luft etwas herunterkühlen soll.

Im Januar 2022 verabschiedete der Gemeinderat ein Farb- und Materialkonzept für den Marktplatz als Leitfaden für eine mögliche Weiterentwicklung des auf hellockrigen und rötlichbräunlichen Farbtönen basierenden Farbprofils.

Katja Förster 2022

Literatur

Arthur Valdenaire: Friedrich Weinbrenner. Sein Leben und seine Bauten, Karlsruhe 1919, S. 83-98; Gerhard Everke: Marktplatz, in: Stadtplätze in Karlsruhe, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Manfred Koch, Karlsruhe 2003, S. 56-67 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 26).