Rudolf Henn
Wirtschaftswissenschaftler, * 9. November 1922 Neuwied, † 18. November 1989 Heidelberg, ∞ 1. N.N., 2. Heidrun Förstner, 2 Kinder aus erster Ehe.
Rudolf Henn wuchs, da sein Vater früh verstarb, als Halbwaise auf. Nach dem Abitur am staatlichen Gymnasium in Neuwied nahm er ab 1941 am Zweiten Weltkrieg teil, zuletzt als Kompanieführer eines Panzerregiments. Nach Kriegsgefangenschaft, kurzer beruflicher Tätigkeit und einem Praktikum bei der Bezirkssparkasse Heidelberg studierte er 1947 bis 1950 Wirtschaftswissenschaften und Mathematik in Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim, wo er die Diplomprüfung ablegte und 1953 bei Walter Georg Waffenschmidt mit Auszeichnung promoviert wurde. Anschließend arbeitete Henn als wissenschaftliche Hilfskraft (ab 1955 als Assistent) bei seinem Doktorvater und erhielt einen Lehrauftrag für Statistik an der Universität Heidelberg. Nach seiner Habilitation 1956 in Mannheim für Volkswirtschaftlehre und mathematische Statistik erfolgte im selben Jahr die Umhabilitation in Heidelberg. Von 1956 bis 1958 war er Diätendozent an der Universität Heidelberg und nahm danach bis 1963 ein Extraordinariat für Ökonometrie und Operations Research an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft in St. Gallen wahr.
Nachdem Henn von 1963 bis 1965 eine ordentliche Professur für Ökonometrie und Statistik an der Universität Göttingen innegehabt hatte, wechselte er 1965 für einen Lehrauftrag an die Technische Hochschule (TH) Karlsruhe, wo er 1966 zum ordentlichen Professor für Statistik und mathematische Wirtschaftstheorie berufen wurde. Rufe auf Professuren in Kiel, Wien und Augsburg lehnte er in den folgenden Jahren ab und blieb der TH Karlsruhe treu.
In seiner wissenschaftlichen Arbeit setzte Henn wegweisende Akzente auf dem Gebiet des Operations Research in Deutschland. Zu diesem Forschungsgebiet gründete er 1963 die Fachzeitschrift "Operations Research Verfahren", organisierte die erste deutsche Tagung über Operations Research im Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach und gehörte 1979 zu den Mitbegründern der Gesellschaft für Mathematik, Ökonomie und Operations Research (heute Gesellschaft für Operations Research). Vielen gilt Henn, der zahlreiche spätere Professoren unter seinen Studenten hatte, als Vater der mathematischen Wirtschaftswissenschaften in Deutschland.
Ebenso einflussreich waren Henns Initiativen im akademischen Bereich zur Verbindung der Wirtschaftswissenschaften mit der Mathematik zur mathematischen Wirtschaftstheorie. So gelang es ihm, 1969 den neuen Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der TH Karlsruhe zu etablieren. Zudem fungierte er 1975/76 als Mitglied der Studienkommission des Landes Baden-Württemberg.
Von 1982 bis 1984 amtierte Henn als Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TH Karlsruhe. Gastprofessuren hatte er in Basel, Detroit und Saarbrücken. Henn war passionierter Sportler und übte im Laufe seines Lebens mehrere Sportarten aus, darunter Rudern, Bergsteigen, Judo und Karate. In seiner Soldatenzeit gewann er die Meisterschaft der Wehrmacht am Niederrhein im Boxen. Henn starb 1989 an einem Krebsleiden.
René Gilbert 2015
Quellen
KIT-Archiv 21011/825, 27053 (Nachlass Rudolf Henn), 28002/183; StadtAK 8/ZGS Henn, Rudolf.
Werk
Die Auswertung wirtschaftlicher Beobachtungen, Diss. Meisenheim 1955; Über dynamische Wirtschaftsmodelle, Habil.-Schr. Stuttgart 1957; Zur Theorie des Wirtschaftskreislaufs, in: Weltwirtschaftliches Archiv 82 (1959), S. 274-282; Expansionsgleichgewichte bei vollständiger Konkurrenz, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 118 (1962), S. 19-24; Verfahren des Operations Research und ihre Anwendung in der Wirtschaft, in: Operations Research Verfahren I, Meisenheim 1963, S. 9-35; Über die Struktur ökonomischer Entscheidungssituationen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 34 (1964), S. 505-515.
Literatur
Otto Opitz: Ökonomie und Mathematik: Rudolf Henn zum 65. Geburtstag, Berlin 1987; Gesellschaft für Mathematik, Ökonomie und Operations Research: Sondermitteilung anlässlich des Todes von Rudolf Henn 1/2‚ 90; Burkhard Rauhut: Rudolf Henn. Eine Bilanz, in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 95 (1993), S. 153-165.