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Karl Leberecht Emil Nickel


Karl Nickel, 1967, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A14/136/7/9.

Karl Leberecht Emil Nickel

Informatiker, * 9. Februar 1924 Tübingen, † 1. Januar 2009 Freiburg i. Br., ∞ 1948 Gunilde Horten, 3 Kinder.

Als drittes von fünf Kindern eines Schlachthausverwalters in Tübingen geboren, besuchte Karl Nickel die Kepler-Oberschule seiner Heimatstadt. Nach dem Abitur 1942 leistete er Kriegsdienst als Zeichner, Mathematiker und Segelflugpilot im Luftwaffenkommando IX in Göttingen. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft studierte Nickel von 1945 bis 1948 Mathematik und Physik in Göttingen und Tübingen. Bereits ein Jahr später wurde er bei Hellmuth Kneser und Erich Kamke in Tübingen promoviert. Bei Letzterem arbeitete Nickel von 1948 bis 1950 als Assistent, bevor er 1950 eine Stelle am Institut für Gasdynamik an der Universität Stuttgart antrat. 1951 ging Nickel nach Argentinien, um in der dortigen Flugzeugindustrie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchzuführen.

1955 kehrte er nach Deutschland an die Technische Hochschule (TH) Darmstadt zurück. Im Folgejahr wechselte Nickel an die TH Karlsruhe, an der er sich 1958 in Angewandter Mathematik habilitierte und erste Kurse in Informatik abhielt. Gleichzeitig begann er mit dem Aufbau eines Rechenzentrums (bis 1966). Nach seiner Ernennung zum wissenschaftlichen Rat 1960 erhielt Nickel 1961 eine außerordentliche, 1962 eine ordentliche Professur für Numerische Mathematik und Großrechenanlagen. Gleichzeitig wurde ihm das Amt des Direktors des Instituts für Angewandte Mathematik übertragen. In dieser Funktion initiierte Nickel 1968 die Gründung des Instituts für Praktische Informatik an der Fakultät für Naturwissenschaften und wurde dessen erster Direktor (bis 1972). Damit hatte er maßgeblichen Anteil an der Einführung des in Deutschland damals völlig neuen Studiengangs Informatik, der in Karlsruhe zum Wintersemester 1969/70 erstmals im Vollstudium belegt werden konnte. Darüber hinaus gehörte Nickel 1972 zu den Mitbegründern des bundesweit ersten Instituts für Praktische Informatik, dessen erster Direktor er bis 1976 war.

Nachdem Nickel Berufungen an die Universitäten von Darmstadt (1963), Hamburg (1967) und Notre Dame/Indiana (1967) abgelehnt hatte, wechselte er 1976 als Ordinarius für Angewandte Mathematik an die Universität Freiburg, wo er 1989 emeritiert wurde. Im Laufe seiner akademischen Lehrtätigkeit betreute Nickel über 100 Abschlussarbeiten, mehr als zwei Dutzend Dissertationen und zahlreiche Habilitationen. Außerdem nahm Nickel mehrere Gastprofessuren wahr, darunter in den USA, China, Japan und Australien.

Nickel war begeisterter Motorsegler und entwickelte in seiner Freizeit Ultraleichtflugzeuge. Unter dem Pseudonym KLEN (Akronym seines Namens) veröffentlichte er außerdem Gedichte und Schüttelreime. Er war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 1970), Honorarprofessor an der Lianoning Universität in Shenyang/China (seit 1991) sowie Mitglied der Academy of Creative Endeavors der UdSSR (seit 1991).

René Gilbert 2015

Quellen

KIT-Archiv 27073 (Nachlass Karl Nickel), 28002/342.

Werk

Lösung eines speziellen Minimumproblems, Diss. 1949, in: Mathematische Zeitschrift 53 (1950), S. 21-52; Über spezielle Tragflügelsysteme, in: Ingenieur-Archiv 20 (1953), S. 363-376; Fehlerabschätzungen bei parabolischen Differentialgleichungen, in: Mathematische Zeitschrift 71 (1959), S. 268-282; Die numerische Berechnung der Wurzeln eines Polynoms, in: Numerische Mathematik 9 (1966), S. 80-98; Algol-Praktikum. Eine Einführung in das Programmieren, Karlsruhe 1964, 1971, 2. Aufl.; Quadraturverfahren mit Fehlerschranken, in: Computing 3 (1968), S. 47-64; Informatik – eine neue Wissenschaft, in: Fridericiana. Zeitschrift der Universität Karlsruhe 6 (1970), S. 23-38; Das Prae-Eulersche Limitierungsverfahren, in: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 63 (1983), S. 465-478; Schüttelreime selbst gemacht, Hildesheim 1987; Schüttelsprüche, Eine Anthologie, Hildesheim 1995 (als Hrsg.).

Literatur

Ulrich Kulisch: Die Anfänge des Rechenzentrums und der Informatik an der Universität Karlsruhe, in: Fridericiana. Zeitschrift der Universität Karlsruhe 59 (2002), S. 25-40; Klaus Nippert: Zur Gründung der Karlsruher Fakultät für Informatik, in: Klaus Nippert (Hrsg.): Zur Geschichte der Karlsruher Fakultät für Informatik, 2007, S. 7-70; Jürgen Garloff: Karl L. E. Nickel (1924-2009), in: Reliable Computing 14 (2010), S. 61-65.