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Nelly Rademacher


Nelly Rademacher um 1960, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIII 1661.

Nelly Rademacher

Schauspielerin, * 16. Juni 1897 Frankfurt a. M., † 3. Dezember 1987 Bern, ∞ 1962 oder 1963 Hermann Brand, kinderlos.

Nelly Rademacher, mit bürgerlichem Vornamen Petronella Susanna Sofie, besuchte 1913-1915 die höhere Mädchenschule in Offenbach a. M. Parallel erhielt sie Schauspielunterricht bei Thessa Klinkhammer in Frankfurt a. M., 1915 debütierte sie am Stadttheater Hildesheim. Es folgten Engagements an den Stadttheatern Nürnberg (1917/18), Basel (1918-1920), Bern (1920-1924), am Neuen Theater Frankfurt a. M. (1924-1926).

1925-1928 trat sie im Badischen Landestheater auf, wo sie ab 1929 fest engagiert war. Hier avancierte sie rasch zu den populärsten Schauspielerinnen, unter anderem als Armgard in Schillers Wilhelm Tell, als Lucy in Bert Brechts und Kurt Weills Dreigroschenoper und als Julchen in Zuckmayers Drama Der Schinderhannes. Aufgrund ihrer Beziehung zu dem jüdischen Schauspieler Hermann Brand wurde ihr Vertrag als Ensemblemitglied zum 31. August 1934 gekündigt.

Nach der Spielzeit 1933/34 verließ Rademacher Deutschland und emigrierte in die Schweiz, wohin ihr jüdischer Lebensgefährte Hermann Brand bereits 1933 geflüchtet war. Unter seiner Regie übernahm sie 1934/35 in Biel unter anderem die Rolle der Tatiana Petrowna in Jacques Devals Towarisch. Ab 1935 arbeitete Rademacher am Stadttheater Bern, wo sie bis 1972 als fest engagierte Schauspielerin und anschließend als Gast über 200 klassische und zeitgenössische Rollen verkörperte, darunter 1943 und 1950 die Amme in Shakespeares Romeo und Julia, 1951 die Linda Loman in Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden, 1955 eine der drei Hexen in Shakespeares Macbeth, 1961 die Daja in Lessings Parabel Nathan der Weise, 1961 die Madame Pernelle in Molières Tartuffe und 1964 die Frau Brigitte in Kleists Der zerbrochene Krug. Hinzu kamen Gastauftritte an anderen Bühnen in der Schweiz. Als Autorin veröffentlichte sie 1942 das Kinderbuch "August sucht die Knusperhexe".

Ab 1952 kämpfte Rademacher letztlich erfolgreich beim Landesamt für die Wiedergutmachung in Karlsruhe um eine Entschädigung für ihre 1934 erfolgte Kündigung, die sie als rassistische bzw. nationalsozialistische Verfolgung gewertet wissen wollte. 1960 erhielt sie vom Oberlandesgericht Karlsruhe eine Entschädigung zugesprochen. Außerdem erhielt sie 1961 wegen Vermögensschadens ebenfalls eine Entschädigung, deren Umwandlung in eine monatliche Rente sie durchsetzen konnte.

René Gilbert 2015

Quellen

GLA 57 b Zugang 2009-98/196.

Werk

August sucht die Knusperhexe. Eine Geschichte für Kinder, Bern 1942.

Literatur

Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern, Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich, Karlsruhe 1988, S. 70 (=Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 9), Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 29. September 2022); Schmuel Brand/Eberhard Roy Wiehn (Hrsg.): Die Tournee geht weiter. Ein jüdisches Schauspielerschicksal in Deutschland und der Schweiz 1898-1966, 1990; Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-Bibliographisches Handbuch, begründet von Wilhelm Kosch, hrsg. von Heinz Rupp, Bd. 12, Bern 1990, Spalte 505; Thomas Blubacher: Nelly Rademacher, in: Theaterlexikon der Schweiz, Bd. 3, hrsg. von Andreas Kotte, Zürich 2005, S. 1453; Josef Werner: Das Schicksal der jüdischen Künstler am Badischen Landestheater, in: Manfred Koch (Hrsg.): Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 2008-2013, Karlsruhe 2013, S. 203-207.