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De:Lexikon:ereig-0048

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Juden

Im heutigen Karlsruher Stadtgebiet lebten schon lange vor der XYZStadtgründung im Jahr 1715 Juden. 1349 zählte XYZDurlach zu den Städten, in denen Juden für die Pest verantwortlich gemacht wurden. Doch erst im 16. Jahrhundert gibt es wieder sichere Hinweise auf Durlacher Juden. Eine nennenswerte Größe erreichte die jüdische Gemeinde nach der Zerstörung der Stadt 1689. 1714 lebten hier 100 Juden, von denen die meisten aber nach der Gründung von Karlsruhe dorthin zogen. Auch in XYZGrötzingen gab es vor der Stadtgründung von Karlsruhe Juden, 1709 waren hier fünf jüdische Familien ansässig. Während es in Durlach nach 1715 keine jüdische Gemeinde mehr gab, entwickelte sich die Grötzinger Gemeinde weiter, bis 1940 gehörten ihr auch die wenigen Durlacher Juden an.

Markgraf XYZKarl Wilhelm von Baden-Durlach gestattete neben Angehörigen der christlichen Religionen auch Juden die Ansiedlung und zwar zu relativ moderaten Bedingungen, die er auch im XYZStadtprivileg von 1722 verankerte. Dies war aber wohl weniger ein Zeichen religiöser Toleranz als des wirtschaftlichen Nutzens und politisches Mittel zur Wirtschaftsförderung in seiner neuen Residenz. Seit 1718 lassen sich jüdische Einwohner in Karlsruhe nachweisen, 1735 lebten 62 Familien mit 282 Personen in Karlsruhe, was 12% der Bevölkerung entsprach.

1724 setzte der Markgraf den Hoffaktor XYZSalomon Meyer als Judenschultheiß ein, der 50 Jahre bis 1774 die Geschicke der jüdischen Gemeinde leitete. In dieser Funktion war er gemeinsam mit dem XYZRabbiner und seit 1736 drei Judenvorstehern für die niedere Gerichtsbarkeit, die Einhaltung der jüdischen Vorschriften und die Einteilung der Gemeinde in Steuerklassen zuständig. Die Existenz dieses Amtes unterstreicht die Sonderstellung des jüdischen Bevölkerungsteils im 18. Jahrhundert. Nach Meyers Tod blieb die Stelle des Judenschultheißen zehn Jahre unbesetzt, erst im Mai 1784 folgte ihm der Hoffaktor XYZHayum Levi, der bis 1804 im Amt blieb. Danach wurden die Geschäfte des Judenschultheiß von den vier Vorstehern im Wechsel weitergeführt. 1814 übernahmen Ortsälteste (bis 1833) und Synagogenratsvorsitzende diese Aufgaben.

Schon am 15. Juli 1718 hatte der Markgraf XYZNathan Uri Kahn zum Unterrabiner bestellt, der für die Leitung des Gottesdienstes, den Unterricht und die allgemeinen Verwaltungsarbeiten zuständig war. Obwohl Kahn umstritten war, blieb er bis 1750 im Amt. Ihm folgten bis 1940 16 weitere Rabbiner, sechs von Ihnen für die zweite, seit 1869 bestehende jüdische Gemeinde, die XYZIsraelitische Religionsgemeinschaft.

Wesentliche rechtliche Verbesserungen brachte 1809 das badische XYZJudenedikt. Nun hatten Juden unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis und jüdische Männer waren berechtigt, alle Berufe zu erlernen und zu ergreifen. Abgeschlossen war die rechtliche Gleichstellung 1862 mit dem Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Juden.

Damit verbunden war der Weg in die Assimilation und Akkulturation, welche die seit Jahrhunderten gewachsene eigene Tradition und Kultur langfristig auflöste und den jüdischen Glauben zu einer Konfession unter anderen machte, Juden sollten badische Staatsbürger israelitischen Glaubens werden.

Spielten die Juden zu Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst in erster Linie eine wichtige Rolle als Bankiers und Handelsmänner – XYZDavid von Eichthal, XYZSalomon Haber, XYZLöw Homburger, XYZJakob Kusel oder XYZElkan Reutlinger, später noch XYZVeit L. Homburger und XYZAbraham Strauß – kamen Ende des 19. Jahrhunderts auch Fabrikanten und Industrielle hinzu, zum Beispiel hatten die Malzfabrik XYZWimpfheimer in XYZMühlburg und die Textilfirma XYZVogel und Schnurmann jüdische Besitzer. Bedeutende XYZKaufhäuser waren das XYZWarenhaus Knopf, das Modegeschäft XYZSimon Model und das Textilhaus XYZLeipheimer & Mende in der ÞKaiserstraße.

Auch in der Kommunalpolitik fassten Juden Fuß, erstes Mitglied im XYZBürgerausschuss war 1842 XYZAdolf Bielefeld, erster Stadtrat XYZVeit Ettlinger 1848. Im badischen XYZLandtag vertraten Karlsruhe XYZRudolf Kusel, 1861 der erste jüdische badische Landtagsabgeordnete, XYZJakob Gutmann, XYZRobert Goldschmit, XYZLudwig Frank, XYZLudwig Marum, XYZLeo Kullman und XYZLeopold Neumann. 1862 wurde XYZMoritz Ellstätter badischer Finanzminister und damit erster Jude in einem Ministeramt in Deutschland.

Auch im kulturellen Leben spielten nun Juden eine zunehmend wichtigere Rolle, darunter die Dichter ÞLudwig Robert und XYZAlfred Mombert, der Sänger XYZHermann Rosenberger, die Sängerinnen XYZBianca Bianchi und XYZSabine Heinefetter, der Schauspieler XYZLudwig Dessoir, die Dirigenten XYZHermann Levi und XYZOtto Dessof, der Pianist XYZHeinrich Ordenstein, Gründer des XYZBadischen Konservatoriums, die Pianistin XYZAlice Krieger und die Architekten XYZRobert Curjel und XYZLudwig Levy.

In der Frühzeit des zunächst bürgerlichen Karlsruher XYZFußballs spielten der Fußballpionier XYZWalther Bensemann und die beiden einzigen deutschen Fußballnationalspieler jüdischen Glaubens XYZGottfried Fuchs und XYZJulius Hirsch eine wichtige Rolle.

Der relative Anteil der jüdischen Bevölkerung nahm danach kontinuierlich ab, stellten sie 1801 noch etwas über 6 % Bevölkerung, so lag ihr Anteil 1831 nur noch bei 4,7 %, obwohl ihre absolute Zahl von 535 auf 1.035 Menschen gestiegen war. 1852 war die Zahl auf 1.073, im Jahr 1900 auf über 2.500 angewachsen. 1933 waren es 3.119 Juden, die sich nun einer bis dahin - trotz durchaus zuvor schon vorhandener antijüdischer Ressentiments - nur sehr schwer vorstellbaren antisemitischen Terrorpolitik der neuen XYZnationalsozialistischen Machthaber ausgesetzt sahen. Bis 1939 flohen knapp zwei Drittel der jüdischen Einwohner. Am XYZ22. Oktober 1940 wurden die in der Stadt verbliebenen fast alle in das südfranzösische Lager XYZGurs verschleppt und die meisten von ihnen später in den Vernichtungslagern im Osten ermordet. Insgesamt wurden über 1.000 Karlsruher Jüdinnen und Juden von den Nazis ermordet.

Die erste, noch nicht wieder organisierte jüdische Nachkriegsgemeinde zählte gerade einmal 39 Mitglieder, die aus den Konzentrationslagern zurückkamen, oder aber versteckt worden waren und so überlebt hatten. Nach dem XYZKrieg wuchs die jüdische Gemeinde, die 1971 eine neue XYZSynagoge an der XYZKnielinger Allee erhielt, vor allem durch Zuwanderung aus dem Osten und auch durch vereinzelte Rückwanderung aus anderen Ländern. 2013 hatte die Gemeinde 960 Mitglieder.

Jüdischer Bevölkerungsanteil 1733-2013
1733 282 12,0% der Bevölkerung
1799 529 ca. 7,2%
1852 1.073 4,4%
1900 2.576 2,6%
1933 3.119 2,0%
1939 1.375 0,7%
1946 63 0,04%
1960 173 ca. 0,1%
1983 350 ca. 0,1%
2013 960 0,3%

Ernst Otto Bräunche 2015

Literatur

Literatur: Juden in Karlsruhe, hrsg. von Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt, Karlsruhe 1988 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 8); Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern. Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich, 2. überarb. und erweit. Aufl., Karlsruhe 1990 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 9); Gedenkbuch für die Karlsruher Juden, http://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/gedenkbuch (Zugriff am 16. November 2015).