Menü
Suche

De:Lexikon:ereig-0246: Unterschied zwischen den Versionen

Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
=Städteordnung 1874 (Einwohnerverfassung)=
=Städteordnung 1870/1874, Einwohnerverfassung=


Das Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden von 1870 führte noch nicht zur Einwohnergemeinde, d. h. der Gleichstellung wahlberechtigter Bürger und nicht wahlberechtigter, aber umlagepflichtiger Einwohner. Dennoch brachte das Gesetz einige wesentliche Änderungen der Gemeindeverwaltung. Der <lex id="ins-1014">Oberbürgermeister</lex> und die <lex id="ins-1095">Gemeinderäte</lex> wurden von den Bürgern direkt gewählt, die Amtsdauer aber von neun auf sechs Jahre verkürzt. Das Recht staatlicher Behörden, Beschlüsse der Gemeinde zu prüfen und zu genehmigen, wurde eingeschränkt. Der frühere <lex id="ins-1015">Bürgerausschuss</lex> wurde vergrößert und in ihm erhielt durch Änderung des Dreiklassenwahlrechts die untere Wählerklasse mehr Einfluss. Der neue (große) Bürgerausschuss übernahm die Kontrollfunktion des alten Bürgerausschusses, erreichte aber nicht mehr dessen Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit, da er grundsätzlich vom Oberbürgermeister geleitet wurde und der zu kontrollierende Gemeinderat ihm als integrierter Teil angehörte. Nur vier Jahre später wurde mit der neuen Städteordnung die Gemeindeverwaltung erneut umstrukturiert.
Am 24. Juni 1874 führte die <lex id="ins-1519">Badische Ständeversammlung</lex> mit einem Gesetz, kurz "Städteordnung" genannt, für die sieben größten badischen Städte zwingend, für die kleineren freiwillig das Prinzip der Einwohnergemeinde - im Unterschied zur früheren Bürgergemeinde - ein, verbunden mit dem Dreiklassenwahlrecht. Die <lex id="ins-1120">Stadtverordneten</lex> bildeten zusammen mit den <lex id="ins-1663">Bürgermeistern</lex> und den <lex id="ins-1095">Stadträten</lex> den <lex id="ins-1015">Bürgerausschuss</lex>. Dieser wählte den Bürgermeister und die Stadträte, die unmittelbare Wahl wurde abgeschafft. Die Städteordnung öffnete durch die generelle Möglichkeit der Bestellung besoldeter Beigeordneter den Weg zur Professionalisierung der Gemeindeverwaltung. Sie stärkte aber auch das ehrenamtliche Element durch Vorschriften zur Einrichtung von städtischen Kommissionen, in denen neben Stadträten und -verordneten auch andere Gemeindemitglieder vertreten sein konnten. Die Wahl der Stadtverordneten wurde 1910 modifiziert, aber erst ab 1919 gab es das auch für Frauen gültige, gleiche und geheime Wahlrecht.

<div style="text-align:right;">''Ernst Otto Bräunche 2012''</div>


Am 24. Juni 1874 führte der <lex id="ins-1519">Badische Landtag</lex> dann mit einem Gesetz, kurz "Städteordnung" genannt, für die sieben größten badischen Städte zwingend, für die kleineren freiwillig das Prinzip der Einwohnergemeinde - im Unterschied zur früheren Bürgergemeinde - ein, verbunden mit dem Dreiklassenwahlrecht. Die <lex id="ins-1120">Stadtverordneten</lex> bildeten zusammen mit den <lex id="ins-1663">Bürgermeistern</lex> und den <lex id="ins-1095">Stadträten</lex> den Bürgerausschuss. Dieser wählte den Bürgermeister und die Stadträte, die unmittelbare Wahl wurde wieder abgeschafft. Die Städteordnung öffnete durch die generelle Möglichkeit der Bestellung besoldeter Beigeordneter den Weg zur Professionalisierung der Gemeindeverwaltung. Sie stärkte aber auch das ehrenamtliche Element durch Vorschriften zur Einrichtung von städtischen Kommissionen, in denen neben Stadträten und -verordneten auch andere Gemeindemitglieder vertreten sein konnten. Die Wahl der Stadtverordneten wurde 1910 modifiziert, aber erst ab 1919 gab es das auch für Frauen gültige, gleiche und geheime Wahlrecht.
<div style="text-align:right;">''Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch 2015''</div>


==Quelle==
Infosystem Ständehaus, Erinnerungsstätte Ständehaus.
==Literatur==
==Literatur==
Ernst Otto Bräunche: Oberbürgermeister und Bürgermeister, in: 200 Jahre kommunale Selbstverwaltung - Erfolgsgeschichte und Zukunftsmodell. Festschrift zur Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg am 23. Oktober 2008 in Baden-Baden, Stuttgart 2008, S. 68-77; Ulrich P. Ecker: Für „eine lebhafte Teilnahme der Bürger am Gemeindewesen“ - Die Geschichte der kommunalen Vertretungsorgane 1808 bis 1919, in: 200 Jahre kommunale Selbstverwaltung - Erfolgsgeschichte und Zukunftsmodell. Festschrift zur Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg am 23. Oktober 2008 in Baden-Baden, Stuttgart 2008, S. 52-59.
Ernst Otto Bräunche: Oberbürgermeister und Bürgermeister, in: 200 Jahre kommunale Selbstverwaltung - Erfolgsgeschichte und Zukunftsmodell. Festschrift zur Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg am 23. Oktober 2008 in Baden-Baden, Stuttgart 2008, S. 68-77; Ulrich P. Ecker: Für "eine lebhafte Teilnahme der Bürger am Gemeindewesen" - Die Geschichte der kommunalen Vertretungsorgane 1808 bis 1919, in: 200 Jahre kommunale Selbstverwaltung - Erfolgsgeschichte und Zukunftsmodell. Festschrift zur Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg am 23. Oktober 2008 in Baden-Baden, Stuttgart 2008, S. 52-59.

Version vom 8. Dezember 2015, 14:28 Uhr

Städteordnung 1870/1874, Einwohnerverfassung

Das Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden von 1870 führte noch nicht zur Einwohnergemeinde, d. h. der Gleichstellung wahlberechtigter Bürger und nicht wahlberechtigter, aber umlagepflichtiger Einwohner. Dennoch brachte das Gesetz einige wesentliche Änderungen der Gemeindeverwaltung. Der Oberbürgermeister und die Gemeinderäte wurden von den Bürgern direkt gewählt, die Amtsdauer aber von neun auf sechs Jahre verkürzt. Das Recht staatlicher Behörden, Beschlüsse der Gemeinde zu prüfen und zu genehmigen, wurde eingeschränkt. Der frühere Bürgerausschuss wurde vergrößert und in ihm erhielt durch Änderung des Dreiklassenwahlrechts die untere Wählerklasse mehr Einfluss. Der neue (große) Bürgerausschuss übernahm die Kontrollfunktion des alten Bürgerausschusses, erreichte aber nicht mehr dessen Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit, da er grundsätzlich vom Oberbürgermeister geleitet wurde und der zu kontrollierende Gemeinderat ihm als integrierter Teil angehörte. Nur vier Jahre später wurde mit der neuen Städteordnung die Gemeindeverwaltung erneut umstrukturiert.

Am 24. Juni 1874 führte der Badische Landtag dann mit einem Gesetz, kurz "Städteordnung" genannt, für die sieben größten badischen Städte zwingend, für die kleineren freiwillig das Prinzip der Einwohnergemeinde - im Unterschied zur früheren Bürgergemeinde - ein, verbunden mit dem Dreiklassenwahlrecht. Die Stadtverordneten bildeten zusammen mit den Bürgermeistern und den Stadträten den Bürgerausschuss. Dieser wählte den Bürgermeister und die Stadträte, die unmittelbare Wahl wurde wieder abgeschafft. Die Städteordnung öffnete durch die generelle Möglichkeit der Bestellung besoldeter Beigeordneter den Weg zur Professionalisierung der Gemeindeverwaltung. Sie stärkte aber auch das ehrenamtliche Element durch Vorschriften zur Einrichtung von städtischen Kommissionen, in denen neben Stadträten und -verordneten auch andere Gemeindemitglieder vertreten sein konnten. Die Wahl der Stadtverordneten wurde 1910 modifiziert, aber erst ab 1919 gab es das auch für Frauen gültige, gleiche und geheime Wahlrecht.

Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch 2015

Quelle

Infosystem Ständehaus, Erinnerungsstätte Ständehaus.

Literatur

Ernst Otto Bräunche: Oberbürgermeister und Bürgermeister, in: 200 Jahre kommunale Selbstverwaltung - Erfolgsgeschichte und Zukunftsmodell. Festschrift zur Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg am 23. Oktober 2008 in Baden-Baden, Stuttgart 2008, S. 68-77; Ulrich P. Ecker: Für "eine lebhafte Teilnahme der Bürger am Gemeindewesen" - Die Geschichte der kommunalen Vertretungsorgane 1808 bis 1919, in: 200 Jahre kommunale Selbstverwaltung - Erfolgsgeschichte und Zukunftsmodell. Festschrift zur Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg am 23. Oktober 2008 in Baden-Baden, Stuttgart 2008, S. 52-59.