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Dampfmolkerei Karlsruhe, Wilhelm Pfeiffer


Inserat im Karlsruher Tagblatt vom 1. Januar 1887, S. 8, mit der Ankündigung des Betriebsbeginns des neuen Molkereibetriebs von Wilhelm Pfeiffer, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Ze 2.
Das Gebäude von Wilhelm Pfeiffers Dampfmolkerei, Riss von 1887, Stadtarchiv Karlsruhe 1/BOA 84 [S. 35].

Dampfmolkerei Karlsruhe, Wilhelm Pfeiffer

Eine auf eine breite Nachfrage ausgerichtete Milchwirtschaft begann erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein regelrechter Aufschwung ist nach 1875 zu verzeichnen. Zuvor gab es Milch- und Milchprodukterzeugung fast ausschließlich für Selbstversorger. Auch von Stadtbewohnern wurden deshalb Kühe oder Ziegen gehalten. Milch oder Butter gehörten bei den einfachen Schichten in der Stadt vor 1870 aber kaum zum Speiseplan. Weist das Karlsruher Adressbuch 1873 erstmals zwei Milchhandlungen aus, so sind es 1880 zehn und 1885 über zwanzig. Milchprodukte wie Butter, Käse, Quark wurden von auswärtigen Molkereien bezogen.

Von August bis September 1886 richtete die Stadt Karlsruhe mit Unterstützung des Ministeriums des Inneren und des Landwirtschaftlichen Vereins unter anderem in der Landesgewerbehalle eine große Ausstellung für Handwerkstechnik, Hauswirtschaft und Molkerei aus. Dabei wurde eine komplette Molkerei-Einrichtung ausgestellt und betrieben, was großen Anklang fand.

Zum Ausstellungsende erwarb der Karlsruher Kaufmann Wilhelm Pfeiffer die komplette Molkereiausstattung und betrieb sie zusammen mit dem Milchausschank mit Zustimmung des Stadtrats weiter an Ort und Stelle bis zu einem geplanten Neubau. Den ging Pfeiffer zügig beim Beiertheimer Wäldchen an und ließ vom Architekten Friedrich Benzinger unter der späteren Adresse Beiertheimer Allee 21 ein großzügiges Gebäude zum Wohnen samt Nebengebäuden für seine neue Dampfmolkerei erbauen. Die Dampfmolkerei Karlsruhe, Wilhelm Pfeiffer war äußerst modern mit Geschäftsraum, Maschinen-, Produktions- und Kühlräumen. Ein Stall für zwölf trockengefütterte Kühe schloss sich an, deren Milch er "täglich zwei Mal direkt von der Kuh" zum Verkauf anpries. Für die Hausanlieferung warb er mit "in verschlossenen Patent-Flaschen". Mit einer großen Anzeigenoffensive in den Karlsruher Zeitungen über das ganze Jahr 1887 versuchte er sein Geschäft zu etablieren und zu erweitern. Noch war er praktisch konkurrenzlos, in der Stadt gab es nur eine weitere, deutlich kleinere Molkerei. Der Verkauf fand auch in seinem alten Ladengeschäft in der Kreuzstraße 10 und der Filiale Schirmerstraße 5 statt. Außerdem brachten seit Jahresanfang drei Verkaufswägen die Produkte direkt zu den Kunden und in den Straßenverkauf.

Im Juni 1887 nahm Pfeiffer die Belieferung von Schulen mit Milch in der Zehn-Uhr-Pause auf, beginnend mit der Höheren Töchterschule in der Sophienstraße, später folgten die Töchterschulen in der Kreuz- und Gartenstraße. Belieferer für das Städtische Krankenhaus war er bereits seit Ende 1886. Dem Zeitgeist entsprechend bewarb er sein Geschäft auch als Milchkuranstalt. Dennoch gerieten Pfeiffers Molkerei und das Handelsgeschäft 1893 in Konkurs, zu diesem Zeitpunkt gab es bereits neun Molkereien und Milchkuranstalten in Karlsruhe. Firma und Haus wurden meistbietend versteigert. Den Molkereibetrieb führte Wilhelm Witt dort nur für ein Jahr fort und verlagerte dann den Betrieb in die Gerwigstraße. Das Anwesen in der Beiertheimer Allee erwarb der Ettlinger Architekt Martin Daub und baute es zu einem größeren Wohnhaus um.

Wilhelm Pfeiffer war am 2. Februar 1847 in Steinbach bei Baden-Baden geboren. 1874 hatte er die 18-jährige Karlsruher Kaufmannstochter Lina Weissbrod geheiratet und das schwiegerväterliche Geschäft unter dem Firmennamen Wilhelm Pfeiffer (F. X. Weissbrod’s Nachfolger) weitergeführt. Pfeiffer scheint im Ladengeschäft in der Kreuzstraße zunächst verkauft oder vermakelt zu haben, was möglich war, von Ruhrkohle bis zu Backzutaten. Sein Konkurs führte 1894 zu einer dreitägigen Gefängnisstrafe. Nach Abschluss des Konkursverfahrens 1895 verliert sich die Spur von ihm und seiner Familie in Karlsruhe.

Milch und Molkereiprodukte betrafen sowohl die hygienische wie die soziale Frage, was auch in Karlsruhe zur genossenschaftlichen Organisierung und zur Bildung der Milchzentrale beitrug.

Jürgen Schuhladen-Krämer 2022

Quellen

StadtAK 1/BOA 84; Adressbücher Stadt Karlsruhe 1873 bis 1894, https://digital.blb-karlsruhe.de/topic/view/485648; Karlsruher Zeitungen passim, u. a. Karlsruher Tagblatt vom 11. Juni 1874, 26. September 1886, 1. Januar 1887, 4. Januar 1894, 29. April 1894, https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/periodical/titleinfo/2411037 (Zugriff jeweils am 7. September 2022).