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Heinrich Martin (Heinz) Kappes


Heinz Kappes, 1930, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 12/75b.

Heinrich Martin (Heinz) Kappes

Pfarrer, Stadtrat, NS-Gegner, * 30. November 1893 Fahrenbach/Neckar-Odenwald-Kreis, † 1. Mai 1988 Stuttgart, ev., ∞ 1. 1922 Else Kern, 4 Kinder, 2. 1949 Diederika Liesveld.

Aufgewachsen in einem deutschnationalen Pfarrhaus studierte Kappes ab 1911 in Tübingen und Berlin Theologie und Orientalistik. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs unterbrach er das Studium für den Dienst als Kriegsfreiwilliger, wurde Leutnant und erlitt eine schwere Kopfverletzung. Als überzeugter Pazifist kehrte er aus dem Weltkrieg heim und schloss 1919/20 in Heidelberg das Studium ab. In Mannheim wurde er Vikar in einer Arbeitervorstadt, trat 1922 dem Bund der Religiösen Sozialisten bei und wechselte im August 1922 als Vikar nach Karlsruhe. Im Mai 1923 erhielt er die Leitung des Jugend- und Wohlfahrtsdienstes (Jugendpfarrer).

Ein Jahrzehnt lang entfaltete Kappes trotz der Nachwirkungen seiner Kopfverletzung eine außerordentlich vielfältige Aktivität. So erneuerte er als Jugendpfarrer die Fürsorgetätigkeit und schuf die Naherholung für bedürftige Kinder im "Waldheim" (1925). Seine 1. Mai- und Friedensgottesdienste in der Stadtkirche Karlsruhe mit ihrer Kapitalismuskritik trugen ihm den Ruf des "roten Kappes" ein. 1924 trat er der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei, wurde 1926-1930 in den Bürgerausschuss gewählt und war 1930-1933 Stadtrat. Zudem stellte sich der rhetorisch begabte Pfarrer als Parteiredner zur Verfügung, der seit 1930 bei Reden zwischen Aachen und Konstanz deutlich Position gegen die Nazis bezog.

Nach deren Machtübernahme versetzte ihn die Landeskirche, mit der er als religiös-sozialistisches Mitglied der Landessynode anhaltende Auseinandersetzungen führte, zunächst in die abgelegene Gemeinde Büchelbronn, kurz darauf wegen seiner anhaltenden Kritik an den Nazis zwangsweise in den Ruhestand. Danach wurde er des Landes verwiesen. Nach Zwischenaufenthalt bei Tübingen emigrierte die Familie 1935 nach Palästina. Dort gelang es Kappes mit Hilfe der Quäker 1940 eine Anstellung bei der British Food Control zu erhalten. Zudem engagierte er sich in der Aussöhnungsarbeit zwischen Juden und Palästinensern.

1948 kehrte Heinz Kappes nach Deutschland zurück, erhielt von der badischen Landeskirche eine Anstellung als Religionslehrer in Karlsruhe bis 1952 und wurde dann Leiter des Evangelischen Gemeindedienstes bis zur Pensionierung 1959. Darüber hinaus engagierte er sich vielfach unter anderem bei der Gründung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Karlsruhe, der Bildung der Anonymen Alkoholiker in Deutschland, die er bei einer Reise in die USA kennengelernt hatte, und im Vorstand des Vereins Jugendhilfe Karlsruhe.

Nach seiner Pensionierung reiste Kappes mit seiner Frau zweimal nach Indien in den Ashram von Sri Aurobindo, der mit seinem integralen Yoga auf die ganzheitliche Bildung des Menschen zielte. Zusammen mit seiner Frau übersetzte er dann etwa 2.000 Seiten der Schriften Aurobindos aus dem Englischen und hielt dazu Vorträge. Nach dem Tod seiner Frau 1977 übersiedelte er 1981 nach Stuttgart. Seit 2000 verleiht der Rotary Club Karlsruhe den Heinz-Kappes-Preis für ehrenamtliches Engagement.

Manfred Koch 2014

Quelle

Landeskirchenarchiv Karlsruhe PA 6223-6225 (Personalakte Kappes).

Literatur

Friedrich-Martin Balzer/Gert Wendelborn: Wir sind keine stummen Hunde. Heinz Kappes (1893-1988), Christ und Sozialist in der Weimarer Republik, Bonn 1994; Roland Löffler: Exil ohne Patronage. Der religiöse Sozialist Heinz Kappes in Jerusalem, in: Andrew Chandler/Katarzyna Stoklosa/Jutta Vincent (Hrsg.): Exile and Patronage, Münster 2006; Manfred Koch: Heinrich Martin (Heinz) Kappes (1893-1988), in: Johannes Ehmann (Hrsg.): Lebensbilder aus der evangelischen Kirche in Baden, Bd. II: Kirchenpolitische Richtungen, Ubstadt-Weiher 2010, S. 535-554; Gerhard Schwinge: Kappes, Martin Heinrich (Heinz): Evangelischer Pfarrer, Religiöser Sozialist, Mystiker, in: Baden-Württembergische Biographien, Bd. 5, 2013, S. 211-213.