Menü
Suche

Tia Weil (Jedidja Weil)


Tia Weil, Foto aus: Berthold Rosenthal: Heimatgeschichte der badischen Juden, Bühl/Baden 1927, nach S. 224.

Tia (Jedidja) Weil

Rabbiner, * 2. Oktober 1721 Prag, † 10. Oktober 1805 Karlsruhe, jüd., ∞ 1. 1744 Gitel Eger († 1787), 2. Schönche Oppenheim († 1797), 3. Frade Schwabach geb. Mai († 1801), Kinder.

Tia Weil stammte aus einer alten Rabbinerdynastie. Er besuchte die Talmudhochschule seines Vaters Netanel (Nathanael) Weil (der ältere) in Prag. 1744 heiratete er die aus vornehmer Prager Familie stammende Tochter des Gemeindevorstehers, Gitel Eger. Sie teilten das Schicksal der Vertreibung der Juden aus Böhmen durch ein Edikt der Kaiserin Maria Theresia vom Dezember 1744 in der Folge des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740-1748) und begaben sich nach Metz, wo Weil bei Jonathan Eibenschütz (1690-1764) seine Talmudstudien fortsetzte. Nach der Erlaubnis zur Rückkehr der Juden gingen er und seine Frau nach Prag zurück. Weil führte die Talmudschule seines Vaters fort und seine Ehefrau betrieb einen Leinenwarenhandel. Da sich sein Wunsch, eine bedeutende Rabbinatsstelle zu erhalten, nicht erfüllte, nahm er 1754 schließlich eine kleinere Stelle im böhmischen Wotitz (Votice) an. 1758 war Weil jedoch wieder in Prag und bemühte sich vergeblich um die vakanten Rabbinerstellen in Bamberg und Mannheim.

Nach dem Tod seines Vaters erhielt er 1769 die Zusage, dessen Nachfolger als Rabbiner in Karlsruhe zu werden. Nach einem Trauerjahr trat er hier die Stelle als Rabbiner und als Oberlandesrabbiner für beide Markgrafschaften Baden bzw. ab 1772 für die vereinigte Markgrafschaft im Mai 1770 an. Einsprüche des Karlsruher Vorsängers Hirschel, der die Stelle selbst einnehmen wollte, und der Landjudenschaft Baden-Baden wegen des Konflikts um den Ort der Beerdigung des Vaters waren nicht erfolgreich. In Karlsruhe konnte er schließlich, nachdem das vorher untersagt war, eine Talmudschule unterhalten, die zu einem wichtigen süddeutschen Zentrum wurde.

Gegenüber der im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Wirkung entfaltenden jüdischen Aufklärung - Haskala - vertrat Weil die traditionelle Orthodoxie. 1795/96 wandte er sich, verbunden mit dem Ruf nach behördlicher Unterstützung, gegen die Sittenverderbnis der Judenjugend, die sich maskiert an der Fasnacht beteilige, tanze und sich der Wollust hingebe. Juden sei aber nach der Zerstörung des Tempels jede Lustbarkeit verboten. Darüber hinaus sagte er der Modeerscheinung des Zopftragens den Kampf an. Dem Wunsch von Weil, seinen Sohn Abraham zu seinem Nachfolger zu bestimmen, wurde nicht entsprochen. Nach Vakanz von 1805-1809 nahm Ascher Löw die Stelle ein.

Jürgen Schuhladen-Krämer 2013

Quellen

Nl Jewish National and University Library, Jerusalem; GLA 357/333 [Anstellungsvertrag], 74/3760 [Konflikte mit Landjudenschaft].

Werk

Marbe la-sapper, Karlsruhe 1790; Seder selichot mi-kol ha-schana ke minhag Elsass, Karlsruhe 1798.

Literatur

Leopold Löwenstein: Nathanael Weil, Oberlandrabbiner in Karlsruhe und seine Familie, Frankfurt a. M. 1898 (mit Quellenanhang) (= Beiträge zur Geschichte der Juden in Deutschland Bd. II); Berthold Rosenthal: Aus den Jugendjahren der jüdischen Gemeinde Karlsruhe, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums Nr. 4, 1927, S. 207-220; Carsten Wilke/Michael Brocke (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 1. Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781−1871, bearb. von Carsten Wilke, Bd. 2, München 2004; Birgit Klein: R. Jedidja genannt Tia Weil (1721−1805) – Herausragender Rabbiner und Gelehrter Badens im Übergang zur Moderne, in: Jüdisches Leben in Baden 1809 bis 2009. 200 Jahre Oberrat der Israeliten Badens, Festschrift hrsg. von dem Oberrat der Israeliten Badens, Ostfildern 2009, S. 45-55.