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Otto Levis


Otto Levis

Jurist, Senatspräsident beim Oberlandesgericht Karlsruhe, * 7. April 1872 Karlsruhe, † 7. Mai 1941 Toulouse, jüd., ∞ 1914 Klara Heinsheimer, 1 Tochter, 1 Sohn.

Kindheit und Jugend verbrachte Otto Seligmann Levis, als Sohn jüdischer Eltern geboren, in der badischen Landeshauptstadt. Nach dem Abitur nahm er das Studium an der Universität Heidelberg auf. Neben Rechtswissenschaften belegte Levis auch Mathematik. Diese ungewöhnliche, zugleich aber auch, was Logik und innere Geschlossenheit angeht, sich gegenseitig ergänzende Fächerkombination behielt er in den zwei ersten Studienjahren bei. Sein Studienweg führte ihn von Heidelberg über Genf und Berlin schließlich nach Straßburg. Nach Abschluss des juristischen Vorbereitungsdienstes trat er 1898 in den badischen Justizdienst ein. Ein Jahr später wechselte er an das Amtsgericht Pforzheim, an dem er vorwiegend Vormundschaftsverfahren bearbeitete. Bereits im Februar 1905 wurde Levis dort zum Oberamtsrichter ernannt. Beide Kinder wurden bei Schuleintritt evangelisch getauft.

Seit 1919 gehörte Otto Levis dem Oberlandesgericht Karlsruhe als Richter an. Dort wurde er 1927 zum Senatspräsidenten berufen. Im Jahre 1929 erstellte er im Auftrag des badischen Justizministeriums ein eindrucksvolles Gutachten über die Lage der Justiz mit zahlreichen und weitreichenden Reformvorschlägen, das ihn als unabhängigen Denker auswies. Der katastrophale Zustand der damaligen Rechtspflege, der überwiegend auf krassen Personalmangel und steigende Geschäftszahlen zurückzuführen war, wurde hierbei von Levis vorbehaltlos aufgezeigt. Als Abhilfemaßnahme schlug er – unter Zusammenfassung der Amts- und Landgerichte als Bezirksgerichte – einen dreistufigen Justizaufbau vor, der in erster Instanz – um die Entscheidungsfreudigkeit zu stärken – überwiegend mit Einzelrichtern besetzt werden sollte. Ein Dreierkollegium sollte nur auf Antrag einer Partei, bei hohen Streitwerten oder wenn die Sache das öffentliche Interesse berührt, entscheiden. Als ranghöchster Richter jüdischer Abstammung wurde Levis kurz nach der NS-Machtübernahme in Baden aus dem Oberlandesgericht verdrängt. Nach den modifizierten Regelungen des NS-Beamtenrechts konnte er als sogenannter Alt-Beamter nicht sofort aus dem Staatsdienst entlassen, sondern nur in eine rangniedere Position umgesetzt werden. Die vom Justizministerium angebotene Stelle als Amtsgerichtsrat muss Levis als tiefe Kränkung empfunden haben. Konsequent lehnte er eine Versetzung ab und stellte den Antrag auf vorzeitige Zurruhesetzung.

Der auch wissenschaftlich hochqualifizierte Richter, der sich zuletzt mit Fragen des Internationalen Privatrechts beschäftigte, blieb weiterhin in seiner Geburts- und Heimatstadt Karlsruhe. Am 22. Oktober 1940 wurde er mit vielen anderen südwestdeutschen Bürgern jüdischer Abstammung in das südfranzösische Internierungslager Gurs verschleppt. Von dort wurde er am 17. März 1941 ins Lager Récébédou verbracht, wo er aufgrund der unmenschlichen Lagerbedingungen erkrankte und alsbald im Krankenhaus in Toulouse verstarb.

Detlev Fischer 2021

Werk

Die Entmündigung Geisteskranker. Das Entmündigungs-Beschlussverfahren gegen Geisteskranke und Geistesschwache, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche und der Zivilprozessordnung, Tübingen 1901.

Literatur

Christof Schiller: Dr. Otto Levis, in: Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, Berlin 1997, S. 313-321; Detlev Fischer: Rechtshistorische Rundgänge durch Karlsruhe, Residenz des Rechts, Karlsruhe 3. Aufl. 2017, S. 107-109 (= Schriftenreihe des Rechtshistorischen Museums Bd. 10).