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Heinrich Wetzlar


Heinrich Wetzlar

Jurist, Landgerichtspräsident, * 30. Mai 1868 Mannheim, † 1943 KZ Theresienstadt, jüd., ∞ Therese Joseph, 2 Söhne.

In seiner Heimatstadt Mannheim legte Wetzlar, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, im Juli 1886 das Abitur ab, um anschließend an den Universitäten Heidelberg und Berlin Rechtswissenschaften zu studieren. Nach der Zweiten Staatsprüfung trat Heinrich Wetzlar 1894 in den badischen Justizdienst ein, in dem er bis 1933 tätig blieb. Von November 1894 an war er drei Jahre lang als „Amtsanwalt und Gehilfe“ bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe beschäftigt. Im November 1897 wurde ihm seine erste Planstelle als Amtsrichter im Landgerichtsbezirk Konstanz übertragen. Von dort kehrte er über das Amtsgericht Rastatt schließlich zur Jahrhundertwende wieder in die badische Haupt- und Residenzstadt zurück. 1903 folgte die Ernennung zum Oberamtsrichter am Amtsgericht und 1908 die Versetzung an das Landgericht. Seine berufliche Laufbahn wurde durch den mehrfach vollzogenen Wechsel zwischen Zivil- und Strafjustiz geprägt. Auch hierin wird die Vielseitigkeit seines Könnens deutlich. 1917 wurde er an das Oberlandesgericht Karlsruhe berufen und war dort in einem Zivilsenat tätig. Zu Weihnachten 1925 kehrte Wetzlar als Landgerichtsdirektor an das hiesige Landgericht zurück und übernahm den Vorsitz sowohl in einer Strafkammer als auch in einer Zivilkammer.

Mit seiner mehr als 25jährigen Tätigkeit als Vorsitzender des Karlsruher Bezirksvereins für Jugendschutz und Gefangenenfürsorge hat er sich zusammen mit seiner Ehefrau Therese, die mit ihm die ehrenamtliche Arbeit versah, bleibende Verdienste in der Straffälligen-Hilfe erworben. So wurde unter seiner tatkräftigen Mithilfe bereits im Sommer 1914 in einem Wohnhaus in der Karlsruher Werderstraße ein Heim eröffnet, das Platz für zehn bis zwölf jugendliche Straftäter bot. Durch die von ihm nach Kriegsende betriebene Umgestaltung des früheren Jagdschlosses Stutensee bei Blankenloch in ein Erziehungsheim für straffällig gewordene männliche Jugendliche konnte er seine modernen Vorstellungen einer erfolgreichen Erziehungsarbeit fortentwickeln. Auch in seiner Einstellung zum Strafmaß für Eigentums- und Personendelikte war er seiner Zeit weit voraus. So brachte er bei der Urteilsbegründung regelmäßig zum Ausdruck, dass jeder Vermögensschaden reparabel sei, dies aber für die Verletzung des Körpers oder gar des Lebens und auch der Persönlichkeit nicht gelten könne und dieser Unterschied sich namentlich im Strafmaß auswirken müsse.

Im Dezember 1929 wurde Heinrich Wetzlar in Würdigung seiner vielseitigen Verdienste zum Landgerichtspräsidenten in Mannheim ernannt. Kurz vor Ablauf seiner regulären Dienstzeit wurde er unter dem Druck randalierender SA-Leute Ende März 1933 beurlaubt und zum 1. August 1933 aus rassistischen Gründen vorzeitig pensioniert. Im Juni 1939 siedelte sein Sohn, Richard Wetzlar, in die Niederlande über. Kurz nach Kriegsausbruch ließ er seine Eltern nachkommen. Von dort wurden die hochbetagten Eheleute Wetzlar im März 1943 in das KZ Theresienstadt verschleppt, wo beide wenige Monate später verstarben.

Detlev Fischer 2021

Literatur

Gedenkblätter an den Herrn Landgerichtspräsidenten Dr. Heinrich und seine Gattin Therese geb. Joseph, 1962; Karl Otto Watzinger: Badische Biographien NF, Bd. III, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1990, S. 289 ff., https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/12956611X/Wetzlar+Heinrich (Zugriff am 17. April 2021); Badischer Landesverband für soziale Rechtspflege (Hrsg.): Ein Gedenken an Dr. Heinrich und Therese Wetzlar, Ansprachen und Vorträge, Karlsruhe 2004; Detlev Fischer: Heinrich Wetzlar (1868-1943). Ein vielseitiger Karlsruher Richter, in: Karlsruher Juristenportraits aus der Vorzeit der Residenz des Rechts, Karlsruhe 2004, S. 51-57 (= Schriftenreihe des Rechtshistorischen Museums Bd. 10).