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Karlsruher Lesegesellschaft


Karlsruher Lesegesellschaft

Die Karlsruher Lesegesellschaft war ein kurzlebiger gesellschaftlicher Verein, in dem mittelständische Gewerbetreibende, Kaufleute und wohlhabende Handwerker der Zeitungslektüre nachgingen und zu Gesprächen zusammenkamen. Sie wurde 1816 von 27 Bürgern gegründet und verstand sich als Gegenstück zur Museumsgesellschaft, der älteren Lesegesellschaft, in welcher vor allem Adlige, Offiziere und höhere Beamte vertreten waren.

Neben der Sozialstruktur unterschied sich die Karlsruher Lesegesellschaft von der Museumsgesellschaft hauptsächlich darin, dass sie sich nicht als elitärer Kreis verstand, sondern jeder selbstständigen Person mit gutem Ansehen ungeachtet ihrer Herkunft die Aufnahme in den Verein grundsätzlich ermöglichte. Dies schloss auch Frauen mit ein. Ein weiterer Unterschied bestand hinsichtlich des Vereinsziels, welches laut Satzung für die Karlsruher Lesegesellschaft vorrangig in entspannter Unterhaltung ohne Rücksicht auf Etikette und steifes Zeremoniell bestand.

Die Zusammenkünfte der Karlsruher Lesegesellschaft fanden in den Räumen des Badischen Hofs im Vorderen Zirkel Nr. 5 statt. Trotz der potenziell höheren Anzahl an Beitrittskandidaten konnte die Karlsruher Lesegesellschaft, anders als die Museumsgesellschaft, in der Folgezeit keine neuen Vereinsmitglieder gewinnen, im Gegenteil. 1835 spaltete sich von ihr die Gesellschaft Eintracht ab, die neben geselligem Beisammensein auch ein Ort fundierter Bildungsvermittlung sein wollte. Nicht zuletzt aufgrund dieses Vorgangs nahm das Interesse des Stadtbürgertums an einem Fortbestehen der Karlsruher Lesegesellschaft im Vormärz spürbar ab. Als die Missernten von 1845 und der Zusammenbruch der Karlsruher Bankhäuser Haber und Kusel 1848 in der vorrevolutionären Zeit dafür sorgten, dass Handwerker, Gewerbetreibende und Kaufleute sich verstärkt auf das eigene Auskommen konzentrierten und ihre gesellschaftlichen Kontakte einschränkten, lösten die noch wenigen verbliebenen Mitglieder die Karlsruher Lesegesellschaft schließlich auf.

René Gilbert 2015

Quelle

GLA 357/3016.

Literatur

Friedrich von Weech: Karlsruhe, Geschichte der Stadt und ihrer Verwaltung Bd. 1, Karlsruhe 1895, S. 523 f.; Dieter Hein: Kunst und bürgerlicher Aufbruch. Das Karlsruher Vereinswesen und der Kunstverein im frühen 19. Jahrhundert, in: Bilder im Zirkel. 150 Jahre Badischer Kunstverein Karlsruhe, hrsg. von Jutta Dresch und Wilfried Rößling im Auftrag des Badischen Kunstvereins, Karlsruhe 1993, S. 25-36; Christina Wagner: Von der Stadtgründung zur großherzoglich badischen Haupt- und Residenzstadt 1715-1806, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe – Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 148, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 2. September 2022); Susanne Asche: Residenzstadt – Bürgerstadt – Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum 1806-1914, in: ebd., S. 220 f.