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Die Gesellschaft Eintracht


Gasthaus zum Prinzen Friedrich von Baden (bis 1852 zum Weißen Bären). In Richtung des Ettlinger Tores schloss sich mit gleicher Traufhöhe und eigenem Eingang das Gesellschaftsgebäude der Eintracht an, Lithographie nach 1852, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS XIVe 154.
Jahrmarktkränzchen im großen Saal der Eintracht, 1867, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS X 3435.

Die Gesellschaft Eintracht

Als die Gesellschaft Eintracht am 8. Juli 1835 gegründet wurde, war das Vereinswesen in der Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Baden noch nicht sehr ausgeprägt. 1813 hatten sich Handelsleute in der Handelsstube zusammengefunden, den Vorläufer der heutigen Industrie- und Handelskammer. 1816 war die bürgerliche Lesegesellschaft als Gegenstück zum seit Ende des 18. Jahrhunderts bestehenden Honoratiorenverein Museum gegründet worden. 1818 folgte der als Kunst- und Industrie-Verein für das Großherzogthum Baden gegründete heutige Badische Kunstverein, 1831 der Gewerbeverein als Interessenvertretung für die Handwerker und 1835 eine als Bürgerverein bezeichnete Gesellschaft.

Die Absicht der Gründer der Eintracht war es, unterschiedliche Interessensgebiete in ihrer Gesellschaft zu vereinen und damit weite Bevölkerungskreise zu erreichen und ihnen dadurch ein kulturelles Aktionsfeld zu verschaffen, das bis dahin nur der Oberschicht offen gestanden hatte. So vergrößerte sich die Mitgliederzahl von 155 Personen im Gründungsjahr 1835, als der Verein in der Hauptsache aus Beamten der Karlsruher Behörden bestand, durch die Angliederung von Lesegesellschaft und Gewerbeverein auf annähernd 800 Personen im Jahre 1839. Damals waren wegen des nun auf sie zugeschnittenen Angebots auch zahlreiche Handwerker und Kaufleute Mitglied in der Eintracht geworden.

Die Hauptaktivitäten der Gesellschaft Eintracht sollten sich aber bald auf den musischen Bereich konzentrieren. Daher wurde der Anschluss des Gewerbevereins an die Gesellschaft nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder rückgängig gemacht. Absplitterungen waren aber auch auf die besonders geförderten Aktivitäten zurückzuführen. So ging der 1842 gegründete Gesangverein Liederhalle aus der Eintracht hervor. Auch der erste Karnevalsverein von Karlsruhe, der 1843 gegründete Narrenverein von Pfannenstielhausen, soll sich zu zwei Dritteln aus Eintrachtsmitgliedern rekrutiert haben.

Tatsächlich bestand ein großer Teil der Veranstaltungen in der Eintracht damals aus Maskenbällen, Kostümkränzchen und Fastnachtsspielen, wie eine frühe, bereits 1844 erschienene Chronik der Gesellschaft berichtet. So fanden in dem 1837 erworbenen Gesellschaftsgebäude, dem ehemaligen Café Frey neben der Wirtschaft zum Weißen Bären in der Karl-Friedrich-Straße, mehrere Maskenaufzüge statt, deren Figuren in der Mehrzahl zeitgenössischen Theaterstücken entlehnt waren. Mit dem Bocksritter Kakadu, Napoleon mit seiner Garde und den Polen, Gott Bacchus zu Pferde, einem Harlekin, Tiroler Schützen und anderen Gruppen ging die Eintracht an Fastnacht 1841 sogar auf die Straße und brachte damit den ersten Karnevalsumzug in Karlsruhe zustande.

Das großzügige dreistöckige Gesellschaftsgebäude mit Nebengebäuden auf seinem weitläufigen Grundstück, das sich bis zur Lammstraße erstreckte, eignete sich hervorragend für Bälle und Festveranstaltungen, aber auch für eher zurückgezogene Zerstreuung. So enthielt das Anwesen unter anderem mehrere Zimmer für Billard und andere Spiele, ein großes Konversationszimmer mit Büfett, ein Lesezimmer mit Bibliothek, einen Speisesaal, einen Musiksaal, den großen Tanzsaal und Wohnungen für Diener und Wirtsleute. Entlang des Wirtsgartens hinter den Gebäuden war eine Kegelbahn errichtet worden. Dieses attraktive Angebot sollte natürlich zu der rasanten Mitgliederentwicklung in den Anfangsjahren des Vereins beitragen. In der Zeit nach der Revolution von 1848/49 waren die Mitgliederzahlen dann wieder leicht rückläufig, was sicherlich auch mit der misstrauischen Beobachtung aller Vereinsaktivitäten durch die Staatsorgane in der Phase der Restauration zusammenhing.

Die Räumlichkeiten der Eintracht nutzten nun aber auch andere Vereine wie die studentische Verbindung Alemannia oder die dem Humor verpflichteten Gesellschaften Bärenzwinger und Schlaraffia. Auch der Gesangverein Liederhalle blieb bis 1885, als er sich schon längst selbstständig gemacht hatte, in den Räumen der Eintracht.

Gesellschaftlich nahm die Eintracht bis in die Gründerzeit den zweiten Rang hinter dem Museum ein. So gehörte es für die mittlere Beamtenschaft nach wie vor zum guten Ton, Mitglied dieser Vereinigung zu werden. Neben kurzweiligen Unterhaltungen wurden recht aufwendige Bälle zu Jubiläen der großherzoglichen Familie veranstaltet. Zur silbernen Hochzeit des Großherzogpaars 1881 etwa wurde in lebenden Bildern die Geschichte des Fürstenhauses aufgeführt (Gründung von Karlsruhe, Aufhebung der Leibeigenschaft, Großherzog Leopold). Dazu sprachen Hofschauspieler die Prologe.

Die Hinwendung zur höfischen Gesellschaft veränderte im Verlauf des 19. Jahrhunderts langsam die Mitgliederstruktur des Vereins, so dass er - ähnlich wie das Museum - mehr und mehr zu einer Gesellschaft für die bürgerlichen Honoratioren wurde und seinen Anspruch auf die breite Vertretung des Mittelstandes aufgab. So schwankte die Mitgliederzahl des Vereins zwischen 1870 und 1925 immer nur um etwas mehr oder weniger als 300 Personen, eine Stagnation, die sich auf die Bedeutung der Gesellschaft angesichts des enormen Wachstums der Stadtbevölkerung und der damit verbundenen Auffächerung des Vereinswesens nach unterschiedlichen Interessengruppierungen und Gesellschaftsschichten in dieser Zeitspanne negativ auswirken musste.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie in der Revolution von 1918/19 wurden nur noch selten aufwendige Bälle gefeiert. Die letzten Jahre des Bestehens der Vereinigung waren nun im Wesentlichen durch gediegene wissenschaftliche Vorträge und einige anspruchsvolle Konzerte geprägt. Durch den Mitgliederschwund sollte die Gesellschaft Eintracht in der Zeit des Nationalsozialismus dann das gleiche Schicksal ereilen wie das Museum. Am 29. November 1937 wurde die Gesellschaft aufgelöst. Im Zweiten Weltkrieg fielen sowohl die Vereinsgebäude als auch das benachbarte Gasthaus Luftangriffen zum Opfer. Heute erstreckt sich auf diesem Gelände das Einkaufscenter Ettlinger Tor.

Peter Pretsch 2021

Literatur

Benedikt Schwarz: Chronik der Gesellschaft Eintracht 1835-1925, Karlsruhe 1925; Peter Pretsch: Karlsruher Vereine: Die Gesellschaft Eintracht, in: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 1993-1998, Bd. 2, Karlsruhe 1998, S. 55-58, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 16. September 2022); Peter Pretsch: "Geöffnetes Narren-Turney". Geschichte der Karlsruher Fastnacht im Spiegel gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen, Karlsruhe 1995 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 16).