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Evangelische Stadtkirche Karlsruhe


Evangelische Stadtkirche Karlsruhe

Die Stadterweiterung nach Süden, die unter Friedrich Weinbrenner zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Verlängerung und dem Ausbau der Schloßstraße (heute Karl-Friedrich-Straße) zur Via Triumphalis Gestalt annahm, machte den Abbruch der ersten, 1719 bis 1722 erbauten evangelisch-lutherischen Stadtkirche, auch Konkordienkirche genannt, nötig. Weinbrenners erster Entwurf von 1791 sah noch einen Zentralbau nach Vorbild des römischen Pantheons vor, seine endgültige Konzeption von 1802 dagegen zeigt einen Längsbau mit einer römischen Tempelfront korinthischer Ordnung. Um der Kirche eine ähnliche Gewichtung wie dem gegenüberliegenden Rathaus zu geben, ordnete er rechts und links Lyzeumsbauten an, die über Arkaden mit ihr verbunden sind. Widerstände von kirchlicher und städtischer Seite verzögerten den Baubeginn bis 1807.

Am 8. Juni 1807 fand die Grundsteinlegung und am 2. Juni 1816 (Pfingstsonntag) die feierliche Konsekration der Kirche statt, der seit 1806 auch die Funktion einer Bischofskirche für das Großherzogtum Baden zukam. Als Orgel wurde die 1752 geschaffene Silbermann-Orgel aus der Stiftskirche Villingen übernommen, auch vier der fünf Glocken stammten von dort, die fünfte, rund 120 Zentner schwere Glocke dagegen aus dem Kloster St. Blasien.

In der Evangelischen Stadtkirche verbinden sich christlicher Kirchen- und römischer Tempelbau. Die zum Marktplatz gerichtete Schauseite zeigt eine hohe Vorhalle (Portikus), deren sechs korinthische Säulen ein mit Girlandenfries geschmücktes Gebälk tragen. Darauf ruht der Dreiecksgiebel (Tympanon), dessen geplantes Relief mit der Darstellung Christi Himmelfahrt aus Kostengründen nicht ausgeführt wurde. Das Innere des Sakralbaus entsprach einer Emporenbasilika. Zwölf schlanke Säulen mit vergoldeten korinthischen Kapitellen unterteilten den Raum in eine dreischiffige Halle. An ihren Längsseiten waren jeweils zwei Emporengeschosse angebracht. Im Westen befand sich die Orgelbühne und im Osten lag der Chor, welcher in den von einem Glockenturm bekrönten Querriegel hineinreichte. Da ein Kirchturm mit einer Tempelfront nicht zu vereinbaren war, hatte ihn der Architekt in größtmöglicher Entfernung zum Marktplatz an der Rückseite des Gebäudes angeordnet.

Die von Weinbrenner vorgesehenen Malereien – Christi Himmelfahrt im Chor, die vier Evangelisten an der Wand beim Altar sowie 28 biblische Darstellungen an den Emporenbrüstungen wurden bis auf die vierzehn Darstellungen an den oberen Emporen zwischen 1818 und 1836 durch Feodor Iwanowitsch, Ferdinand Johann Koopmann und den Mannheimer Galerieinspektor Zoll angefertigt. Die den Altar flankierenden Standbilder Fides und Caritas schuf der Bildhauer Landolin Ohnmacht. Unter dem Mittelschiff erstreckt sich eine 27 Meter lange und neun Meter breite Krypta, die der großherzoglichen Familie ab 1830 als Gruft diente.

Bei Luftangriffen am 27. Mai und 27. September 1944 wurde die Stadtkirche größtenteils zerstört. Die in der Gruft beigesetzten großherzoglichen Familienmitglieder wurden 1946 in die 1889 bis 1896 erbaute Grabkapelle im Hardtwald umgebettet. Der Wiederaufbau der Kirche erfolgte von 1953 bis 1958 nach Plänen von Horst Linde (1912-2016, in den 1950er-Jahren Leiter der staatlichen Bauverwaltung in Freiburg), einem ehemaligen Schüler von Otto Ernst Schweizer. Da man den klassizistischen Stadtkern erhalten wollte, wurde der Außenbau, wie beim gegenüberliegenden Rathaus, in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt, der Innenraum dagegen neu und zeitgemäß gestaltet. Zugunsten einer besseren Belichtung wurde auf die Emporen an den Längsseiten verzichtet. Durch die Verwendung von zwölf äußerst schlanken Betonsäulen entsteht der Eindruck einer Halle. Nach Abschluss der Bauarbeiten 1958 wurden die Gebeine Friedrich Weinbrenners vom Alten Friedhof an der Kapellenstraße in die Krypta der Stadtkirche überführt. Die ehemalige Reformierte Kirche (heute Kleine Kirche) nach Plänen von Wilhelm Jeremias Müller und die Evangelische Stadtkirche dienen heute der evangelischen Alt- und Mittelstadtgemeinde als Kirchen.

Katja Förster 2020

Literatur

Arthur Valdenaire: Friedrich Weinbrenner. Sein Leben und seine Bauten, 4. Aufl., Karlsruhe 1985, S. 267-275; Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenner und die Evangelische Stadtkirche in Karlsruhe, in: Badische Heimat, Jg. 96, 2016, S. 225-237 https://regionalia.blb-karlsruhe.de/solrsearch/index/search/searchtype/collection/id/20106/start/0/rows/10/author_facetfq/Leiber%2C+Gottfried (Zugriff am 23. Oktober 2023); ders.: Friedrich Weinbrenners städtebauliches Schaffen für Karlsruhe, Teil II. Der Stadtausbau und die Erweiterungsplanungen 1801-1826, hrsg. von Wulf Schirmer, Institut für Baugeschichte der Universität Karlsruhe, Mainz 2002 (= Friedrich Weinbrenner und die Weinbrenner-Schule Bd. 2); Die Stadtkirche, https://www.stadtkirche-karlsruhe.de/html/stadtkirche795.html (Zugriff am 13. Juli 2020). Jürgen Krüger: Kirchen in Karlsruhe und die Synagoge, hrsg. von Günter Frank u. a., Ubstadt-Weiher 2015, S. 55-59.