Menü
Suche

Ulrich Bernays


Ulrich Bernays, um 1940, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIII 991.

Ulrich Bernays

Altphilologe, Lehrer, NS-Verfolgter, * 15. August 1881 München, † 23. Dezember 1948 Karlsruhe, ev., ∞ 1914 Elisabeth Schatz, 1 Tochter.

Ulrich Bernays war ein Sohn des bekannten Münchner Philologie-Professors Michael Bernays. Nach dem Umzug nach Karlsruhe, wo der Vater 1897 verstarb, besuchte Bernays hier ab 1890 das Gymnasium, studierte 1898-1904 Altphilologie, Deutsch und Geschichte in Heidelberg und München. Das Studium beendete er mit der Promotion in Heidelberg. Der hochgelehrte und kunstsinnige Bernays ging in den Schuldienst und wurde 1913 Lehrer am Goethe-Gymnasium in Karlsruhe.

In der Vermittlung humanistischer Bildung wirkte er weit über seine schulischen Verpflichtungen hinaus. Den Schülern bot er Leseabende und Theateraufführungen an, in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hielt er Vorlesungen zu Geschichte und Literatur an der Volkshochschule. Bernays wurde trotz des Einsatzes seiner Schüler schließlich 1935 aufgrund seiner jüdischen Vorfahren in den Zwangsruhestand geschickt. Die folgenden Jahre waren geprägt von weiteren Verfolgungen der Nationalsozialisten. Bernays musste sich einen hebräischen Vornamen zulegen, wurde zur "Judensteuer" herangezogen und war kurzzeitig im KZ Dachau sowie in Singen/Hohentwiel in Haft. In diesen Jahren der Verfolgung schrieb er eine Biographie seines Vaters und übersetzte Schriften der antiken Autoren Platon und Phaidon.

Nach 1945 kehrte Bernays in den Schuldienst am Goethe-Gymnasium zurück. Ehemalige Schüler priesen seine Fähigkeit, sie für Humanismus und deutsche Klassik begeistert zu haben. 1946 wurde er Beisitzer in einer der Spruchkammern zur Entnazifizierung. Zusätzlich organisierte er als Leiter maßgeblich den Wiederaufbau der Volkshochschule Karlsruhe. Anlässlich ihrer Eröffnung 1947 hielt er den Vortrag "Zur Sinngebung der Volkshochschule". Bei dieser Gelegenheit propagierte Bernays als Ziel der Volkshochschule die Vermittlung eines breit angelegten klassischen Bildungskanons als Grundlage einer von Menschlichkeit geprägten Weltanschauung. In Sinne dieser Programmatik gestaltete er auch seine Vortragsreihen an der Volkshochschule, die sich mit der griechischen Kulturgeschichte, der deutschen Aufklärung oder den geistigen Strömungen der Jahre 1848/49 befassten.

An Bernays, dem nur noch eine kurze Arbeitszeit vergönnt war, erinnert heute der Ulrich-Bernays-Saal in der Volkshochschule.

Jürgen Schuhladen-Krämer/Volker Steck 2015

Quellen

GLA 235/Zug. 1967-41/ 29, 480/1717; StadtAK 8/StS 13/87, 8/ZGS, 7/Nl Zollner 605 (Festrede U. Bernays zur 40-Jahrfeier der Goethe-Schule Karlsruhe, gehalten am 27. Oktober 1948).

Werk

Studien zu Dionysius Periegetes, Diss. Heidelberg 1905; Johann Wolfgang von Goethe: West-östlicher Divan. Mit einer Einführung von Ulrich Bernays, Hamburg 1947.

Literatur

Karl Broßmer: Dr. Ulrich Bernays (1881-1948). Altphilologe und Vorkämpfer der Volkshochschule, Karlsruhe o.J. [1953] (mit Werkverzeichnis); Wolfgang Leiser: Ulrich Bernays, in: Badische Biographien NF, Bd. 1, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1982, S. 48-50; Angela Borgstedt: Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, Konstanz 2001, passim.