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Elisabeth Marum-Lunau

Elisabeth Marum-Lunau, um 1990, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 2015 DO.
Elisabeth Marum-Lunau, um 1990, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 2015 DO.

Elisabeth Marum-Lunau

Juristin, Krankengymnastin, Hotelmanagerin, * 1. September 1910 Karlsruhe, † 5. Juni 1998 New York, freireligiös, ∞ 31. Juli 1937 Heinz Lunau (1910-1977), o|o 1946 oder 1947, 1 Tochter.

Elisabeth Marum war das erste Kind des Rechtsanwalts und späteren Landtags- und Reichstagsabgeordneten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Ludwig Marum und seiner Ehefrau Johanna. Die Eltern waren 1910 aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten und wenige Jahre später Mitglied der freireligiösen Gemeinde geworden. Mit den Geschwistern Hans Karl und Eva Brigitte verlebte sie eine unbeschwerte Kindheit in wohlgeordneten Verhältnissen einer Familie des Karlsruher Bildungsbürgertums. Nach dem Abitur 1929 am Lessing-Gymnasium studierte sie Jura an den Universitäten Heidelberg, München und Berlin. Am 6. März 1933, einen Tag nach der letzten Reichstagswahl, bestand sie in Berlin das erste juristische Staatsexamen. Das Referendariat, Vorausetzung für das zweite juristische Staatsexamen, wurde ihr von den NS-Machthabern wegen ihrer jüdischen Wurzeln verwehrt. Als der Vater am 10. März 1933 in "Schutzhaft" genommen wurde, kehrte sie nach Karlsruhe zurück und übernahm Verantwortung für die Familie. Sie besuchte ihren Vater regelmäßig im Gefängnis in der Riefstahlstraße und seit der Überführung (Schaufahrt) auch im KZ Kislau. Nach der Ermordung des Vaters im KZ am 29. März 1934 flohen die Mutter und ihre Schwester am 20. April 1934 nach Paris, wo der Bruder bereits im Exil lebte.

Elizabeth Marum musste ihre Zukunftspläne, mit ihrem späteren Ehemann eine Anwaltskanzlei in Berlin zu begründen, nun aufgeben. Sie kehrte zunächst nach Berlin zurück und absolvierte bis 1936 als Vorbereitung für ein Leben im Exil eine Ausbildung zur Krankengymnastin. In dieser Zeit suchte sie den Kontakt zum Widerstand gegen das Nazi-Regime, sie war Kurierin für Flugblätter. Im Sommer 1936 folgte sie ihrer Familie nach Paris, wo sie ihren nichtjüdischen Studienfreund Heinz Lunau, der als NS-Gegner ebenfalls emigrieren musste, heiratete.

Den Kriegsbeginn 1939 erlebte das Ehepaar während eines Besuchs bei Verwandten in Saint-Tropez. Während ihr Mann inhaftiert wurde, musste sie wegen des Reiseverbots für feindliche Ausländer dort bleiben. Im Mai 1940 wurde sie im Lager in Gurs in Südfrankreich interniert, wo sie ihre Mutter und ihre Schwester wieder traf. Im Juli gelang es ihr, nach Saint-Tropez entlassen zu werden. Nach langen, schwierigen Bemühungen erhielt Elizabeth Marum-Lunau durch Bürgschaften bester Freunde in New York die Einreisegenehmigung für sich, ihre Mutter und ihre Schwester in die Vereinigten Staaten. Nach sechswöchiger Reise erreichte sie mit ihrer Mutter am 21. September 1941 New York. Der hochschwangeren Schwester Eva war der Zutritt an Bord verboten worden, sie wurde 1943 im KZ Sobibor ermordet, ihr Sohn überlebte den Holocaust.

Der Neubeginn in den USA war für das Ehepaar, Heinz Lunau erreichte New York Ende 1941, mühevoll. Sie verdienten den Lebensunterhalt für sich und die 1944 geborene Tochter mit unterschiedlichsten Tätigkeiten. Nach der etwa zwei Jahre später erfolgten Trennung des Ehepaars zog Elizabeth Marum-Lunau ihre Tochter alleine auf. Ab 1950 war sie beruflich erfolgreich und arbeitete als Managerin in großen New Yorker Hotels. Zudem engagierte sie sich in gewerkschaftlichen Organisationen.

Nach ihrer Pensionierung reiste sie seit 1979 regelmäßig nach Karlsruhe, um sich intensiv mit der Geschichte ihres Vaters und ihrer Familie zu befassen und fand damit ein neues Lebensthema. In ihrer Wohnung in Manhattan schuf sie sich dafür ein umfangreiches Archiv mit Briefen, Schriften und Bildern. Ihre Arbeit ermöglichte 1984 die Veröffentlichung der Briefe ihres Vaters aus dem KZ Kislau und des umfangreichen Briefwechsels der Familie im französischen Exil durch die Stadtarchive Karlsruhe und Mannheim. 2016 erschienen die Briefe in einer erweiterten und überarbeiteten Neuauflage. Bis ins hohe Alter engagierte sie sich zudem in Karlsruhe und im Umland als Zeitzeugin in Schulen.

Als die Stadt Karlsruhe dank ihrer Erinnerungsarbeit 1984 ein Ehrengrab für Ludwig Marum schuf, brachte sie die Urne mit der Asche ihres Vaters aus New York. In diesem Ehrengrab wurden auch die Urnen von Johanna Marum (1996) und die von Elizabeth Marum-Lunau (1998) beigesetzt.

1990 erhielt Elizabeth Marum-Lunau die Ehrenmedaille der Stadt Karlsruhe für ihre Verdienste um die Versöhnung der Juden mit der Bevölkerung von Karlsruhe. Sie sagte dazu, mit diesem Engagement sei sie dem Vorbild, das ihr Vater gelebt habe, am meisten treu.

Christa Koch 2016

Quellen

Nl Leo Baeck Institut New York, http://findingaids.cjh.org/?pID=300895 (Zugriff am 6. November 2016); StadtAK ZGS Persönlichkeiten.

Werk

zs. mit Jörg Schadt: Ludwig Marum. Briefe aus dem Konzentrationslager Kislau. Mit einem Lebensbild von Joachim Storck, Karlsruhe 1984 (zweite durchgesehene Aufl. 1988); Ludwig Marum. Das letzte Jahr in Briefen. Für die Neuausgabe ausgewählt und bearbeitet von Andrée Fischer-Marum, Karlsruhe 2016; Auf der Flucht in Frankreich. Briefwechsel einer deutschen Familie im Exil 1939-1942. Auswahl und Einführung von Jacques Grandjonc, Teetz 2000 (Originalausgabe in französischer Sprache, Aix en Provence 1997).

Literatur

Sibylle Quack: Zuflucht in Amerika. Zur Sozialgeschichte der Emigration deutsch-jüdischer Frauen in den USA 1933-1945, Bonn 1995, S. 109-113; Elizabeth Marum-Lunau 1910-1998. Festschrift aus Anlass des 100. Geburtstags von Elizabeth Marum-Lunau 1910-2010, Weinheim 2011; Fritz-Erler-Forum (Hrsg.): Juristin, Emigrantin, Botschafterin der Versöhnung. Tagung aus Anlass des 100.Geburtstags von Elizabeth Marum-Lunau, 2012; Monika Pohl: Ludwig Marum. Gegner des Nationalsozialismus. Das Verfolgungsschicksal eines Sozialdemokraten jüdischer Herkunft, Karlsruhe 2013 (= Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 13).