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Franz Fichtl


Franz Fichtl, März 1942, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIII 1995 (Ausschnitt).

Franz Fichtl

Stadtoberrechtsrat, Leiter des städtischen Fürsorge-/Wohlfahrtsamts, * 29. Juli 1887 Lindau/Bodensee, † 2. Februar 1952 Karlsruhe, kath., ∞ 1920 Theodora Elisabeth Henriette Weber, 2 Töchter, 1 Sohn.

Franz Fichtl, Sohn eines Bahnverwalters, studierte Rechtswissenschaften und schloss das Studium 1912 mit der Promotion an der Universität Würzburg ab. Im Mai 1920 wurde er in Karlsruhe zum Direktor des neu eingerichteten städtischen Fürsorgeamts ernannt. In den städtischen Gremien war Fichtl Mitglied des Fürsorgeausschusses, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitsausschusses für das Fürsorgeamt, stellvertretender Vorsitzender des Jugendamtsausschusses sowie als ständiger Beamtenvertreter Mitglied des örtlichen Schlichtungsausschusses. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten blieb Fichtl in seiner Position und arrangierte sich mit dem Regime. So äußerte er im Juli 1933 Zweifel an der "nationalen Gesinnung" der Leiterin des Jugendamts, Elisabeth Großwendt, worauf diese im folgenden Jahr zwangsweise in den Ruhestand versetzt wurde. Noch 1933 trat er in das Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK), ein Jahr später in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) ein. 1937 wurde Fichtl Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs behielt er zunächst seine Stellung und fungierte 1945/46 als Leiter der Karlsruher Notgemeinschaft. Am 1. März 1946 wurde Fichtl auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung aus dem städtischen Dienst entlassen. In seinem Spruchkammerverfahren wurde er im Januar 1947 als Mitläufer eingestuft und zu einer Geldsühne verurteilt. Anschließend wurde ihm als Nachfolger von Emil Gutenkunst die Leitung der Rechtsabteilung beim Polizeipräsidium Karlsruhe übertragen. Die Entscheidung der Spruchkammer wurde jedoch von der Militärregierung wegen Fichtls nun bekannt gewordenen Vorträgen zu Erb- und Sterilisationsgesetzen im Dritten Reich nicht anerkannt, sodass er im Mai 1947 wieder aus dem städtischen Dienst ausscheiden musste. In einem zweiten Verfahren im Oktober 1947 befand ihn die Spruchkammer erneut als Mitläufer.

Ab März 1948 konnte Fichtl seine Laufbahn bei der Karlsruher Stadtverwaltung fortsetzen, zunächst als Leiter des Gemeindegerichts. Zum 1. Januar 1949 wurde er zum Beamten und Stadtoberrechtsrat ernannt. Im selben Jahr begründete Fichtl das Standardwerk "Leitfaden des Bürgerlichen Gesetzbuchs", das bis heute 23 Auflagen erfahren hat, und wurde zum Einzelrichter beim Karlsruher Friedensgericht berufen. Im November 1951 bestimmte der Karlsruher Gemeinderat Fichtl zum Leiter der städtischen Wohlfahrtsverwaltung.

René Gilbert 2016

Quellen

GLA 465h/11235; StadtAK 1/POA 1/2828. 3/B 1579-1580.

Werk

Die Entziehung Minderjähriger, Diss. Würzburg 1912; Welche Vorteile kann der Grundbesitz von einer Sozialisierung des Realkredits, insbesondere der Hypothekenbanken erwarten?, Berlin 1919 (= Schriften des Schutzverbandes für Deutschen Grundbesitz (e.V.) Berlin, Bd. 33); Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt vom 9. Juli 1922: Handausgabe mit Einleitung, Erläuterung, Anhang, enthaltend die einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung, des Kinderschutzgesetzes, Hausarbeitsgesetzes, Lichtspielgesetzes, Gesetzes über die religiöse Kindererziehung und der Fürsorge für die Kriegerwaisen und Kinder Kriegsbeschädigter, sowie Sachregister, München 1922; Die Wohlfahrtspflege in Karlsruhe, in: Otto Berendt (Hrsg.): Karlsruhe. Das Buch der Stadt, Stuttgart 1926, S. 185-190 https://digital.blb-karlsruhe.de/3294693 (Zugriff am 27. Dezember 2020); Leitfaden des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Stuttgart 1949.

Literatur

Barbara Guttmann: Elisabeth Großwendt, in: Barbara Guttmann: "Zwischen Trümmern und Träumen" – Karlsruherinnen in Politik und Gesellschaft in der Nachkriegszeit, Karlsruhe 1997, S. 32-43, http://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/frauengeschichte/truemmern/HF_sections/content/1330429237172/ZZkpIo94pmFFPk/zwischen_truemmern.pdf (Zugriff am 1. August 2016) ; Barbara Guttmann: Den weiblichen Einfluss geltend machen… Karlsruher Frauen in der Nachkriegszeit 1945-1955, Karlsruhe 2000, S. 48-50 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 21), http://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/frauengeschichte/guttmann2000/HF_sections/content/1329385011002/ZZkpIo94pmFFPk/den_weiblichen_einfluss_geltend_machen.pdf (Zugriff am 1. August 2016).