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Maschinenfabrik Emil Keßler & Theodor Martiensen, Carlsruhe


Maschinenfabrik Karlsruhe vor dem Ettlinger Tor, um 1850, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVf 36.

Maschinenfabrik Emil Keßler & Theodor Martiensen, Carlsruhe

Ende 1836 hatten die beiden am Karlsruher Polytechnikum ausgebildeten Mechaniker Emil Keßler und Theodor Martiensen die mechanische Werkstätte ihres ehemaligen Lehrers Jakob Friedrich Meßmer in der Erbprinzenstraße übernommen und diese 1837 in Maschinenfabrik Emil Keßler & Theodor Martiensen umbenannt.

Das Unternehmen, das mechanische und physikalische Instrumente und Apparaturen sowie industrielle und landwirtschaftliche Maschinen produzierte und bei der Übernahme rund 70 Arbeiter beschäftigte, war in dieser frühen Phase der Industrialisierung so gut ausgelastet, dass die beiden Firmengründer noch 1837/38 eine neue Fabrikanlage südwestlich des Ettlinger Tors, in unmittelbarer Nähe des zukünftigen Bahnhofs, erbauen ließen. Der 1838 im Großherzogtum Baden begonnene Bau einer staatlichen Eisenbahnlinie veranlasste Keßler und Martiensen, sich ab 1841 auf den Lokomotivbau, der zu dieser Zeit in Deutschland noch ein Novum darstellte, zu spezialisieren. Anhand der 1840 und 1841 aus England nach Baden importierten Lokomotiven fertigten sie bis Jahresende 1841 die erste Lokomotive, die Badenia, an. Das Ergebnis überzeugte die badische Eisenbahndirektion, so dass sie Anfang 1842 die im Bau befindliche "Carlsruhe" erwarb und sechs weitere Lokomotiven gleichen Typus in Auftrag gab.

Zum 1. November 1842 schied Martiensen aus der Firma aus, die Keßler daraufhin in Maschinenfabrik Emil Keßler, Carlsruhe umbenannte. Das Unternehmen entwickelte sich in den folgenden Jahren zum wichtigsten Lieferanten der badischen Eisenbahndirektion. Die Zahl der jährlich ausgelieferten Lokomotiven stieg von 1843 bis 1847 von sieben auf 34 Lokomotiven an; bis Ende 1847 waren es insgesamt 99 Lokomotiven. Entsprechend hatte sich die Zahl der Mitarbeiter von 400 Personen im Jahr 1843 auf 880 Personen im Jahr 1847 erhöht. Neben Baden gingen Bestellungen aus Preußen, Hessen, Bayern, Württemberg, der Schweiz, Österreich und Italien ein. Als mittlerweile anerkannter Spezialist im Lokomotiv- und Eisenbahnbau wurde Keßler zum 13. März 1846 auch die Leitung der neu gegründeten Maschinenfabrik im württembergischen Esslingen übertragen.

Die rasante Aufwärtsentwicklung des Karlsruher Werks wurde dann allerdings 1847/48 aus finanziellen, politischen und konzeptionellen Gründen abrupt gestoppt. Aufgrund ihres geringen Eigenkapitals hatten die Firmengründer 1837/38 für den Fabrikneubau und seine Ausstattung mit englischen Werkzeugmaschinen und einigen qualifizierten Fachkräften beim Bankhaus Haber & Söhne einen Großkredit aufgenommen. Unter anderem das enorme Produktionswachstum und die Auszahlung Martiensens hatten zu weiteren Anleihen bei Haber geführt, so dass der Anteil an fremdem Betriebskapital zeitweise bei über 90 Prozent lag. Die plötzliche Zahlungsunfähigkeit des Bankhauses Haber & Söhne im Dezember 1847 sowie dessen Zusammenbruch im Januar 1848 brachte die Maschinenfabrik Keßler infolge der sofortigen Rückzahlungsforderungen selbst an den Rand des Ruins. Um den Konkurs abzuwenden, wandelte Keßler 1848 seine Firma in die Aktiengesellschaft Maschinenfabrik Karlsruhe um, der er weiterhin als Direktor vorstand.

Die Revolution von 1848/49 sowie die Sonderstellung der badischen Eisenbahn aufgrund der Breitspurweite von 1.600 Millimetern statt der üblichen Spurweite von 1.435 Millimetern wirkten sich auf die Auftragslage verheerend aus und führten das Werk erneut in Zahlungsschwierigkeiten. Versuche, die Karlsruher Maschinenfabrik in die Esslinger zu integrieren, blieben erfolglos. Ende Oktober 1851 wurde die Liquidation der Maschinenfabrik Karlsruhe beschlossen. Die badische Regierung kaufte das Unternehmen für 250.000 Gulden auf und gründete 1852 die Aktiengesellschaft Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe, an der Keßler nicht mehr beteiligt war.

Katja Förster 2014

Literatur

Maike Doll: Emil Keßler, Karlsruhe 2013 (= Karlsruher Köpfe. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 2); Werner Willhaus: Lokomotivbau in Karlsruhe. Die Geschichte der Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe und ihrer Vorgänger, Freiburg 2005, S. 4-17.