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Wilhelm Kratt


Wilhelm Kratt, um 1896, Foto: Carl Ruf (Privatbesitz).

Wilhelm Kratt

Fotograf, * 1. Juli 1869 Karlsruhe, † 26. Februar 1949 Karlsruhe, ∞ 1907 Amanda Borges, 1931 Helene Rohlfs, 1 Tochter.

Der Fotograf Wilhelm Kratt wurde in Karlsruhe als Sohn des Regierungsrats Wilhelm Kratt und dessen Frau, der Pianistin Elise Kratt-Harveng, in Karlsruhe geboren. Sein Großvater war der Kunstmaler Karl Friedrich Harveng (1832-1874), der an der Akademie Karlsruhe bei Johann Wilhelm Schirmer studiert hatte und später mit seinen Landschaftsgemälden, die in der Schweiz, in Frankreich, im Schwarzwald und in Tirol entstanden, bekannt wurde. Im Kaiserreich wurde der Vater Kratts als Bahnamtsvorstand nach Baden-Baden versetzt. Wilhelm Kratt ging daher dort bis zum Abitur aufs Gymnasium und belegte unter anderen die Fächer Altgriechisch, Geschichte und Literatur. Schon damals wuchs sein Interesse an einer künstlerischen Tätigkeit.

Nach dem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger 1887/88 ließ er sich daher am Hoftheater Karlsruhe zum Schauspieler ausbilden und gehörte dessen Ensemble und später dem des Hoftheaters Baden-Baden bis 1891 an. Daneben besuchte er kunsthistorische Vorlesungen von Wilhelm Lübke an der Technischen Hochschule (TH) Karlsruhe. Die dabei erworbenen Kenntnisse sollten ihm später bei seiner Tätigkeit als Fotograf noch zugutekommen.

Doch zunächst wollte Kratt als Schauspieler seinen Lebensunterhalt verdienen und war dafür bereit, auch an entlegene Bühnen zu reisen. So führte ihn sein Beruf unter anderen an die Theater in Posen, Neustrelitz und Bad Warmbrunn. Zumeist spielte er den jugendlichen Helden oder Liebhaber im klassischen Schauspiel. Dabei lernte er auch seine erste Ehefrau, die Opernsängerin und Gesangspädagogin Amanda Borges kennen, die er 1907 in Hamburg heiratete. Ein schweres Lungen- und Gehörleiden zwang Kratt aber, den Schauspielerberuf aufzugeben. Er musste sich nach einem anderen Broterwerb umschauen und entschloss sich, auch aufgrund seiner künstlerischen Neigungen, Fotograf zu werden. Die wissenschaftlichen Grundlagen dazu erwarb sich Kratt unter anderem bei Fritz Schmidt, der an der TH Karlsruhe Fotografie lehrte.

Die frühesten Aufnahmen Kratts entstanden 1896 in Baden-Baden, als er den Ballonaufstieg von Eduard Spelterini über der Stadt festhielt und beim Huldigungsumzug zur Feier des 70. Geburtstags von Großherzog Friedrich I. in Karlsruhe. Kratt setzte seine Tätigkeit als Fotograf später in Heilbronn fort. Er übernahm dort 1898 die Fotowerkstatt und das Atelier des Hoffotografen Heinrich Schuler, der sich als Architekturfotograf in Württemberg bereits einen Namen gemacht hatte, aber damals aus unbekannten Gründen Selbstmord beging. Es sind im Bestand von Kratts Denkmälerarchiv auch eine Reihe von Bildern zu Heilbronn und Umgebung zu finden.

Erfolgreich wurde er ebenfalls als Architekturfotograf. Im Auftrag Kaiser Wilhelms II. dokumentierte er 1898 das Deutschordensschloss Hornegg mit circa 30 Aufnahmen. Es entstand daraus eine Bildermappe, auf deren Titelblatt sich Kratt selbst schon als Hofphotograph bezeichnet, ein Titel, den ihm die Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz 1900 verliehen hatte. Sicherlich war Kratt daher auch in dieser Region in seinem neuen Beruf tätig, zu der er durch seinen alten Beruf als Schauspieler ja schon Beziehungen hatte.

Im Heilbronner Adressbuch ist Kratt als Heinrich Schulers Nachfolger nämlich nur 1899 verzeichnet. 1904 erscheint er im Karlsruher Adressbuch erstmals als Hofphotograph. 1905 gründete Kratt in Karlsruhe das Institut für kunsthistorische Photographie, aus dem allmählich sein Badisches Denkmälerarchiv hervorging. Kratt bereiste das badische und schwäbische Frankenland, das Bodenseegebiet, die Ämter Bruchsal und Bretten, den Tauberkreis und das Zollernland, dokumentierte aber auch die Architektur seiner Heimatstadt Karlsruhe und deren Umgebung mit etwa 500 Aufnahmen. Die von 1898 bis 1942 erschienenen 18 badischen Kunstdenkmälerinventare enthalten einen Großteil dieser Aufnahmen.

Recht eindrucksvoll hat Wilhelm Oeftering schon 1923 die Arbeitsweise Wilhelm Kratts beschrieben: "In dem Maße, in dem sich Kratt spezialisierte, verfeinerte er auch seine Apparate und Objektive. Mit der Lust an den Aufnahmen wuchs der Eifer, mit den Schwierigkeiten der Wunsch, sie zu überwinden. Manche Platte, deren Abzug heute den Sammler erfreut, ist unter harten Umständen, unter körperlichen Verrenkungen auf Gerüsten und engen Standplätzen aufgenommen worden. Landauf, landab reiste Kratt mit dem schweren Pack seiner Kamera und dem Negativvorrat und nahm mit einem asketischen Eifer, in dem Liebe zur Kunst und zur Wissenschaft sich einte, fast alle überhaupt bemerkenswerten Kunstdenkmäler auf. So fügte sich allmählich sein Archiv zusammen, dessen Urkunden, die Glasplatten, jederzeit vervielfältigt und in die Hand des Interessenten gelangen können".

Von 1911 bis 1937 hatte Kratt sein Domizil im Wohnhaus Gartenstraße 36a. Seine Ehefrau Amanda Kratt gab dort auch Gesangsunterricht. Nachdem Amanda 1930 gestorben war, heiratete Kratt 1931 deren Schülerin Helene Rohlfs, die als technisch-botanische Assistentin an der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Augustenberg arbeitete. 1935 wurde ihre Tochter Ingeborg geboren. 1936 kaufte der badische Staat Kratts Lebenswerk, das bis dahin etwa 12.000 Fotoplatten umfasste. 1938 zog der Fotograf mit seiner Familie nach Rüppurr in die Tulpenstraße 47. 1949 starb er dort fast 80jährig.

Er hatte noch selbst sehen und erleben müssen, wie viele der von ihm dokumentierten Baudenkmäler in Schutt und Asche gefallen waren. Nach dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit erinnerte man sich an Kratt, der ja das Karlsruhe der Vorkriegszeit im Bilde festgehalten hatte. Unter dem Titel Die stille Zerstörung wurde von der Mitarbeiterin des Landesdenkmalamts, Suse Schmuck, 1975 eine Ausstellung organisiert, die den Aufnahmen aus der Kaiserzeit Fotografien der Gegenwart aus der gleichen Perspektive gegenüberstellte und damit die Bausünden des Wiederaufbaus in Karlsruhe anprangern sollte. Stieß diese Präsentation zunächst auf den Unwillen der Stadt, so trug sie sicherlich dazu bei, dass man später mit Baudenkmälern etwas sensibler umging. Mit Unterstützung der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg ließ das Generallandesarchiv Karlsruhe Kratts Fotoplatten digitalisieren, so dass sie heute online zugänglich sind.

Peter Pretsch 2023

Quellen

Glasnegative Wilhelm Kratt (1869-1949) - Landesamt für Denkmalpflege, Außenstelle Karlsruhe, https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/startbild.php?bestand=22964 (Zugriff am 16. Juli 2023); W. E. Oeftering: Wilhelm Kratt und das Badische Denkmälerarchiv, in: Die Pyramide, Beilage zum Karlsruher Tagblatt vom 18. November 1923, 12. Jg. Nr. 46, S. 195.

Literatur

Suse Schmuck: Die stille Zerstörung - Kritische Blicke auf Karlsruhe im Denkmalschutzjahr. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 1975; Karlsruhe um 1910, photographiert von Wilhelm Kratt, bearb. von Suse und Harald Schmuck, Karlsruhe 1979; H. Felix Gross/Clemens Kieser/Jürgen Treffeisen/Peter Pretsch: Der Fotograf Wilhelm Kratt. Schöpfer des badischen Denkmälerarchivs Karlsruhe 2009 (= Häuser- und Baugeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Bd. 9); Jacqueline Berl/Angelika Herkert/H. Felix Gross/Peter Pretsch: Vom Lichtbild zum Schnappschuss. Fotografie in Karlsruhe 1840 bis 1990, Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais, Karlsruhe 2019, S. 28-29; Liane Wilhelmus: "ein wichtiger Hilfsapparat für die praktische Denkmalpflegearbeit", in: Andreas Diener u. a. (Hrsg.): Entwerfen und Verwerfen: Planwechsel in Kunst und Architektur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Festschrift für Matthias Untermann zum 65. Geburtstag, Heidelberg: arthistoricum.net, 2022, S. 765-782, https://doi.org/10.11588/arthistoricum.885.c11611 (Zugriff am 16. Juli 2023).