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Inflation


Karlsruher Notgeld 1922-1923, Stadtarchiv Karlsruhe.

Inflation

Anfang des Jahres 1923 besetzte Frankreich das Ruhrgebiet, weil Deutschland mit der Zahlung der im Versailler Vertrag auferlegten Reparationszahlungen in Verzug geraten war. Daraufhin proklamierte die deutsche Regierung den passiven Widerstand in den besetzten Gebieten, dessen Finanzierung die bereits zuvor schwache Mark rasch ins Bodenlose sinken ließ. Die Banknotenpressen arbeiteten Tag und Nacht und druckten Notgeldscheine mit immer astronomischeren Beträgen. Viele bereits durch die Zeichnung von Kriegsanleihen im Ersten Weltkrieg geschädigte Karlsruher verloren nun endgültig ihr Vermögen. Die Inflation trug so wesentlich zu der Verschlechterung der sozialen Lage auch der früher wohlhabenden Schichten bei. Die Fürsorge für diesen Personenkreis, meistens Kleinrentner, wurde als Minderbemitteltenfürsorge bezeichnet, die nun zum festen Aufgabenfeld der städtischen Sozialverwaltung gehörte.

Ende des Jahres 1922 wurde eine Ortsgruppe Karlsruhe der Deutschen Notgemeinschaft gegründet, die die Bevölkerung um Spenden für Notleidende bat. Der Notgemeinschaft, die ihre Geschäftsstelle im städtischen Fürsorgeamt erhielt, gehörten zahlreiche Vereine, Behörden und Religionsgemeinschaften an. In einem Arbeitsausschuss saßen unter Leitung von Oberbürgermeister Julius Finter zahlreiche Honoratioren der Stadt. Während des Inflationsjahres 1923 stieg die Sterblichkeitsrate erstmals nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wieder an, als wiederum weite Bevölkerungskreise hungern mussten und vor allem alte Menschen nicht mehr genug Widerstandskräfte besaßen, die anhaltende Unterernährung zu verkraften.

Die Preise im Jahr 1923 belegen die Dramatik der Verschlechterung der Lebensbedingungen weiter Bevölkerungskreise. 500 g Kornbrot kosteten am 15. Januar 235 Mark, am 15. Oktober 110 Millionen Mark, der Preis für ein Pfund Rindfleisch stieg von 1.000 Mark auf 600 Millionen, für ein Ei, das 85 Mark gekostet hatte, mußten nun 120 Millionen Mark gezahlt werden. Ein Paar Kinderstiefel verteuerte sich von 10.500 Mark im Januar auf 850 Milliarden im November. Wer es sich am 12. November 1923 noch leisten konnte, die "Karlsruher Zeitung" zu abonnieren, mußte dafür 140 Milliarden Mark wöchentlich ausgeben, eine Woche später, am 19. November nur noch 70 Goldpfennig zahlen, als die Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 die Hyperinfaltion beendete.

Ernst Otto Bräunche 2012

Quelle

Chronik der Landeshauptstadt Karlsruhe für die Jahre 1920 - 1923. Jge. 36-39. Im Auftrag der Stadtverwaltung bearbeitet, Karlsruhe 1930, Jg. 39, 1923, S. 247-344, Band zum Download (PDF) (Zugriff am 21. Juli 2022).

Literatur

Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptsstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur 1914-1945, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 358-502, S. 398-400, Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 21. Juli 2022).