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Großherzogliches Sammlungsgebäude

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Sammlungsgebäude am Friedrichsplatz mit Blick auf die Haupt- bzw. Nordfassade, 1929, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Bildstelle III 1896.

Großherzogliches Sammlungsgebäude

Bis auf die Gemälde, Grafiken und antiken Gipsabgüsse, die 1846 einen eigenen Museumsbau (heute Staatliche Kunsthalle) erhalten hatten, lagerten die verschiedenen Sammlungen, welche die badischen Landesfürsten über Jahrhunderte hinweg zusammengetragen hatten, in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf engstem Raum im Karlsruher Schloss. 1861 fasste Großherzog Friedrich I. den Entschluss, für sämtliche Bestände (Hofbibliothek, Naturalienkabinett, Waffenkammer, Münzsammlung, Herbarium, ethnografische und Altertümersammlung) ein der Öffentlichkeit zugängliches Sammlungsgebäude zu erbauen. Seit Spätsommer 1862 stand als Standort die südliche Hälfte des Erbprinzengartens mit Ausrichtung nach Norden fest, um die Wirkung des Bibliotheks- und Museumsbaus durch die Anlage des Friedrichsplatzes in der nördlichen Gartenhälfte noch zu steigern.

Hofbaumeister Karl Joseph Berckmüller arbeitete zwar bis 1862 einige Planvarianten aus, aber erst nachdem die Durchführung einer öffentlichen Konkurrenz zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hatte, wurde er im Herbst 1863 mit der endgültigen Planung und Ausführung betraut.

Neben einigen vom Preisgericht formulierten Empfehlungen für den Bau wurden für Berckmüllers weitere Planung vor allem die Bibliothek des Britischen Museums in London und die Bibliothek Sainte-Geneviève in Paris, die er beide 1864 besichtigte, bestimmend. Die Ende November 1864 und im April 1865 genehmigten Grund- und Aufrisse, die noch eine geschlossene Vierflügelanlage mit einem inwendig gerichteten Hofbau zeigen, wurden während des langwierigen Bauverlaufs von 1865 bis 1876 noch mehrmals abgeändert, bis jene nach Süden geöffnete renaissancistische Dreiflügelanlage mit Hofbau entstand, wie sie noch heute weitgehend vorhanden ist.

Gründe für den schleppenden Baufortgang waren vor allem die kriegs- und krisenbedingten Unterbrechungen in den Jahren 1866/67 und 1870/71 sowie die erwähnten Planänderungen, welche 1873 in der vom Finanzministerium veranlassten Verlegung des Lesesaals nach Süden an die Stelle des im Rohbau bereits fertig gestellten Haupttreppenhauses gipfelten, das abgerissen und im Zentrum des Hofbaus, in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang, in oktogonaler Form neu erbaut werden musste. Aber auch die fehlenden Konzepte der Sammlungsleiter über die künftige Präsentation ihrer Abteilungen oder im Falle von Hofbibliothekar Johann Christoph Döll, dessen hartnäckige Weigerung bis Anfang 1872, die Bibliothek nach Fachgebieten systematisch neu zu ordnen, trugen zur Verzögerung bei.

Im April 1875 begann man, die Dächer mit Schiefer einzudecken. Vom 25. September bis 7. Oktober 1875 bezog die Bibliothek die neuen Räume im Obergeschoss des Westflügels und des Hofbaus. Ab November war der Lesesaal der Öffentlichkeit zugänglich. Das Naturalienkabinett, dem der gesamte zweigeschossige Ostflügel zur Verfügung stand, eröffnete im September 1876, die Altertums- und Völkerkundesammlung, die im Erdgeschoss des Westflügels untergebracht war und Beispiele ägyptischer, assyrischer, griechischer und römischer Kultur sowie „vaterländische Altertümer“ bis hin zu Volkstrachten präsentierte, im Dezember 1876.

Mit der künstlerischen Ausstattung des Gebäudes wurden der Bildhauer Carl Johann Steinhäuser und die beiden Maler Ferdinand Keller und Rudolf Gleichauf beauftragt. Steinhäuser fertigte die vier, den Mittelrisalit bekrönenden Marmorstatuen an, die als Ethnografia (Völkerkunde), Minerva (Wissenschaft und Künste), Klio (Geschichte und Altertümer) und Isis (Naturwissenschaften) die Sammlungsschwerpunkte des Hauses versinnbildlichen. Des Weiteren stammen von seiner Hand die fünf Marmormedaillons mit Bildnissen von Georg Cuvier, Aristoteles, Homer, Dante und Johann Winckelmann in den Fensterfriesen des Mittel- und der Seitenrisalite sowie die nach dem Vorbild des Frankfurter Gutenbergdenkmals für das Treppenhaus bestimmte Dreiergruppe mit Johannes Gutenberg, Johann Fust und Peter Schöffer. Keller und Gleichauf schufen den Bilderfries, der die oberste Wandzone des Treppenhauses schmückte: Die zwei Hauptstücke von je 2,13 x 9 Metern Größe mit genialen Persönlichkeiten des „Altertums“ (1875) und der „Neuzeit“ (1885) fertigte Keller und die acht Bilder in den Raumecken von je 2,13 x 2,95 Metern Größe mit allegorischen Darstellungen der in der Bibliothek angebotenen Themenschwerpunkte (Philosophie, Theologie, Medizin etc.) Gleichauf an. Den Luftangriff in der Nacht zum 3. September 1942, bei dem das Sammlungsgebäude ausbrannte, überstanden die Wandbilder und das Denkmal im Treppenhaus zwar weitgehend unbeschadet, im Rahmen des Wiederaufbaues seit 1954 wurden sie aber entfernt. Der Wiederaufbau des Gebäudes für das Naturkundemuseum erfolgte in Etappen und war 1972 abgeschlossen. Seit 1958 barg der Westflügel das Büchermagazin der Badischen Landesbibliothek (BLB), das mit einer selbsttragenden Stahlregalkonstruktion ausgestattet Raum für etwa 500.000 Bücher bot.

1955 beschloss die baden-württembergische Landesregierung die Errichtung eines eigenständigen Bibliotheksbaues in achsialer Verlängerung zum Hofbau des Sammlungsgebäudes im nördlichen Bereich des Nymphengartens, der die Benutzungs- und Verwaltungsbereiche der BLB aufnehmen sollte, die seit 1947 notdürftig in einem Magazintrakt des Generallandesarchivs an der Nördlichen Hildapromenade untergebracht waren. Der von der Staatlichen Hochbauverwaltung entworfene und 1964 fertig gestellte zweigeschossige Pavillon erwies sich schon bald als zu klein. Mit dem Bezug des neuen, von Oswald Mathias Ungers entworfenen Bibliotheksgebäudes in der Erbprinzenstraße 1991 wurde der heute denkmalgeschützte Pavillon in der Lammstraße dem Staatlichen Museum für Naturkunde als Verwaltungsgebäude überlassen. Erst mit Erhalt eines neuen Außenmagazins konnte die BLB Ende 2013 den Westflügel des ehemaligen Sammlungsgebäudes räumen, der daraufhin grundsaniert und in den ursprünglichen Bauzustand zurückversetzt wurde. Seit seiner Wiedereröffnung 2016 wird er im Erdgeschoss für das neue Vivarium und im Obergeschoss für große Wechselausstellungen genutzt.

Der Wiederaufbau des ehemaligen, den Mitteltrakt bekrönenden Kuppeldachs mit Planetarium, für den seit 2009 ein Entwurf vorliegt, harrt noch seiner Ausführung.

Katja Förster 2020

Quellen

GLA 424 f Karlsruhe 005/1.2-1.55, 2.1-2.104 (Pläne), 56/1635, 3078, 3081, 237/8794-8801.

Literatur

Elisabeth Spitzbart: Karl Joseph Berckmüller 1800-1879. Architekt und Zeichner , Institut für Baugeschichte der Universität Karlsruhe, hrsg. von Wulf Schirmer, Karlsruhe 1999 (= Friedrich Weinbrenner und die Weinbrenner-Schule Bd. 3); Christiane Behaneck: Planung und Ausführung des Großherzoglichen Vereinigten Sammlungsgebäudes in Karlsruhe, [Magisterarbeit am Institut für Kunstgeschichte der Univ. Karlsruhe 1993 (Manuskript)]; Geschichte – Sammlungsgebäude am Friedrichsplatz (https://www.blb-karlsruhe.de/die-blb/gebaeude/geschichte/; Zugriff am 14. Dezember 2020); CES – civil engineering solutions / Büro für Tragwerksplanung München (http://www.ces-ingenieure.de/pdf/Naturkundemuseum_Karlsruhe.pdf; Zugriff am 14. Dezember 2020).