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Raub-der-Europa-Brunnen

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Der Raub-der-Europa-Brunnen im Stadtgarten, vor 1964, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVb 562.

Raub-der-Europa-Brunnen

1928-1964 im Stadtgarten beim nördlichen Eingang am Festplatz.

Für die im Sommer 1923 in Karlsruhe stattfindende "Große Deutsche Kunstausstellung für Freie und Angewandte Kunst" schuf der Bildhauer Emil Sutor den Brunnen, der aus Kostengründen nur in Gips ausgeführt wurde. Im Oktober 1924 bot Sutor der Stadt den Brunnen als Geschenk an unter der Voraussetzung, dass diese ihn von der Majolika-Manufaktur in rot glasiertem Steinzeug ausführen ließ. Die Stadt lehnte das Angebot ab, woraufhin Sutor den Brunnen auf eigene Kosten von der Manufaktur fertig stellen ließ. Erst auf wiederholtes Drängen des Bildhauers erwarb die Stadt schließlich im März 1928 den Brunnen zum Selbstkostenpreis. Ab Frühjahr stand er auf dem von Sutor vorgeschlagenen Platz im Stadtgarten unmittelbar hinter Festhalle und Konzerthaus, wo er einen Blickfang für die vom Festplatz kommenden Besucher bildete.

In der Mitte eines runden Bassins, dessen kaum über Bodenniveau reichender Beckenrand von einem zackenförmigen Ornamentband strukturiert war, erhob sich ein etwa 1,80 Meter hoher kelchartiger Brunnenstock, dessen Abschluss ein lagernder Stier mit einer nackten Frauengestalt bildete. Acht fantastische Masken dienten am oberen Kelchrand als Wasserspeier. Der in mehrere horizontale Abschnitte gegliederte Brunnenstock zeigte vor allem spitzzackig gestaltete Pflanzenreliefs, lediglich das friesartige Band in Augenhöhe des Betrachters stellte im Wechsel stilisierte Pflanzen und einen Frauenakt dar. Die kleinteilige und unruhige Oberflächengestaltung des Brunnenstocks stand in auffallendem Kontrast zu der flächig gehaltenen Figurengruppe aus der griechischen Mythologie, deren Gestik äußerst artifiziell wirkte. Im November 1964 wurde der Brunnen, der ein wichtiges Frühwerk von Emil Sutor bildete, im Zuge der Vorbereitungen für die Bundesgartenschau 1967 aus dem Stadtgarten entfernt und im Bauhof des städtischen Gartenbauamts zwischengelagert. Beim Transport zu seinem neuen Aufstellungsort auf dem Archivplatz 1967 erlitt er so starke Beschädigungen, dass nur die mythologische Gruppe erhalten werden konnte. 1968 fertigte die Majolika- Manufaktur von ihr einen Gipsabguss an, um anhand dessen eine Neuausformung in Terrakotta herzustellen. Die Kopie fand im Innenhof des neu eröffneten Altersheims "Parkschlössle" in Durlach Aufstellung. Diese gilt seit längerer Zeit als verschollen, so dass der Raub-der-Europa-Brunnen, der zu den wenigen Beispielen dekorativ-expressionistischer Plastik der 1920er-Jahre in Karlsruhe gehörte, heute nur noch fotografisch dokumentiert ist.

Katja Förster 2012

Literatur

Gerhard Kabierske: Raub-der-Europa-Brunnen, in: Gerlinde Brandenburger/Manfred Großkinsky/Gerhard Kabierske/Ursula Merkel/Beatrice Vierneisel: Denkmäler, Brunnen und Freiplastiken in Karlsruhe 1715-1945, 2. Aufl. Karlsruhe 1989, S. 613-615 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 7), Teil 1 (PDF) und Teil 2 (PDF) zum Download (Zugriff am 26. September 2022).